Norm
EO §51Kopf
SZ 38/200
Spruch
§ 7a JN. ist keine Bestimmung über die Zuständigkeit, sondern über die Besetzung des Gerichtes
§ 388 EO. ist im Verfahren gemäß § 398 (1) EO. (mündliche Verhandlung über Widerspruch) nicht anzuwenden
Anwendung des § 7a JN. - insbesondere auch des Abs. 4 dieser Gesetzesstelle - im Verfahren nach § 398 (1) EO
Entscheidung vom 18. November 1965, 5 Ob 230/65
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
In einer auf die Duldung der Vornahme von Schlägerungsarbeiten und der Abfuhr des geschlägerten Holzes und auf Unterlassung jeder Behinderung dieser Schlägerung und Abfuhr gerichteten, von der klagenden und gefährdeten Partei - in der Folge kurz als klagende Partei bezeichnet - mit 110.000 S bewerteten Klage wurde zugleich auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Duldung der Schlägerung und der Abfuhr des Holzes und auf Unterlassung der Behinderung dieser Schlägerung und der Abfuhr beantragt. Eine gesonderte Bewertung des Streitgegenstandes der einstweiligen Verfügung erfolgte nicht.
Über die beantragte einstweilige Verfügung entschied das Erstgericht am 2. Februar 1965 durch den Einzelrichter ohne Einvernahme der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei - in der Folge kurz nur als beklagte Partei bezeichnet - im stattgebenden Sinn.
Gegen die erlassene einstweilige Verfügung erhob die beklagte Partei rechtzeitig Widerspruch, zufolge dessen das Erstgericht durch den Einzelrichter eine mündliche Widerspruchsverhandlung abhielt und dann mit dem Beschluß vom 5. März 1965 seine einstweilige Verfügung aufhob.
Den dagegen von der klagenden Partei erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz als unzulässig zurück. Denn da der Streitwert der Klage mit 110.000 S angegeben worden und eine abgesonderte Bewertung der einstweiligen Verfügung nicht erfolgt sei, hätte das gemäß den §§ 387 EO., 50 (1) JN. zuständige Landesgericht S. im Sinne des § 7 (1) JN. durch einen Senat zu entscheiden gehabt. Allerdings biete § 388 EO. die Möglichkeit, daß in besonders dringlichen Fällen der Vorsitzende des Senates über die auf einstweilige Verfügung sich beziehenden Anträge entscheiden könne, was aber grundsätzlich an der Frage der Besetzung des Gerichtshofes für die Entscheidung über die vorliegende einstweilige Verfügung und über den erhobenen Widerspruch sowie über die dadurch bedingte Anwendbarkeit des § 516 ZPO. nichts ändere. Nach der genannten Gesetzesstelle könnten aber die Beschlüsse, die vom Vorsitzenden des Senates gefaßt worden seien, erst dann mit Rekurs angefochten werden, wenn vorher vergeblich die Abhilfe, d. h. die Abänderung des fraglichen Beschlusses, beim Senat beantragt worden sei. Da nun diesfalls schon aus der mündlichen Widerspruchsverhandlung sowie aus der Ausfertigung des bekämpften Beschlusses klar erkennbar gewesen sei, daß die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein und nicht durch den Senat ergangen sei, hätte die klagende Partei vorerst dagegen die Abänderung des Beschlusses beim Senat des Gerichtshofes erster Instanz beantragen müssen. Mangels eines solchen Antrages sei der vorliegende Rekurs unstatthaft und daher zurückzuweisen gewesen.
Da ein zulässiges Rechtsmittel nicht vorgelegen sei, habe die Frage der etwaigen Nichtigkeit des Widerspruchsverfahrens wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichtes nicht überprüft werden können.
Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen diesen Beschluß der zweiten Instanz von der klagenden und gefährdeten Partei erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem Gericht die sachliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 5. März 1965 auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rekurs - der zulässig ist, weil es sich nicht um eine Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses handelte, sondern die Zurückweisung des Rekurses durch die zweite Instanz aus formellen Gründen erfolgte (7 Ob 104/57 u. a.) - kommt Berechtigung zu.
§ 51 EO. ordnet allerdings an, daß Vereinbarungen der Parteien "über die Zuständigkeit der Gerichte" im Exekutionsverfahren wirkungslos sind. Die Bestimmung des § 7a JN., laut der in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, wenn der Wert des Streitgegenstandes 100.000 S nicht übersteigt, anstatt des im § 7 JN. vorgesehenen Senates ein Einzelrichter zu entscheiden hat, ist aber keine Zuständigkeitsvorschrift, sondern eine Vorschrift über die Besetzung des Gerichtes; im § 7a (4) JN. wird - ebenso auch im § 60 (1) und
(4) JN. und im § 226 (2) ZPO. - ausdrücklich von der "Besetzung des Gerichtes" gesprochen (siehe hiezu Neumann[4] I 56; Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege I/1 66, Fasching I 181 Anm. 6 zu § 7a JN.; anders seinerzeit Petschek in GZ. 1916 S. 125f. "Senat und Einzelrichter" und in JBl, 1917 S. 3 "Zuständigkeits- oder Besetzungstheorie?"; Petschek - Stagel (1963) sagt im § 24, S. 72 f., daß die Rechtsprechung weiterhin die "Besetzungstheorie" vertritt, und verweist hiezu auf SZ. XXVII 325).
Aus § 7a (4) JN. ergibt sich nun, daß dann, wenn sich die Parteien in die Verhandlung vor einem Einzelrichter trotz eines den Betrag von 100.000 S übersteigenden Streitwertes eingelassen haben, dieser "Mangel in der Besetzung des Gerichtes" nicht mehr zu beachten ist. Da gemäß § 387 EO. im Verfahren über einstweilige Verfügungen das Gericht zuständig ist, vor dem der Prozeß in der Hauptsache geführt wird, ist im Verfahren über die vorliegende einstweilige Verfügung - und daher auch über einen gegen sie erhobenen Widerspruch - das Landesgericht S. in erster Instanz zuständig; mit Rücksicht darauf, daß im § 387 EO. ausdrücklich von aus Anlaß einstweiliger Verfügungen sich ergebenden "Verhandlungen" gesprochen wird, ist bei dem an sich zuständigen Gericht die Vorschrift des § 7a JN. - einschließlich des Abs. 4 - über die Besetzung des Gerichtes (und nicht über die Zuständigkeit) hinsichtlich der gemäß § 398 (1) EO. über den Widerspruch vorgesehenen mündlichen Verhandlung anzuwenden.
Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht angenommen, daß bei der Verhandlung über den Widerspruch ein Mangel in der Besetzung des Gerichtes vorlag, der gemäß § 477 (1) Z. 2 ZPO. die Nichtigkeit dieses Verfahrens und des im Anschluß daran ergangenen Beschlusses herbeiführen müßte; denn da sich die Parteien in die Verhandlung über den Widerspruch - das war in diesem Falle die Hauptsache im Sinne des § 7a (4) JN. - eingelassen hatten, ohne den Mangel in der Besetzung des Gerichtes geltend zu machen, ist er nicht mehr zu beachten (§ 7a (4) JN.).
§ 388 EO. kommt aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um "auf die einstweilige Verfügung sich beziehende Anträge" handelt, sondern um die im § 398
(1) EO. vorgesehene mündliche Verhandlung und die auf Grund dieser Verhandlung ergehende Entscheidung über den Widerspruch (siehe Neumann - Lichtblau[3] II 1264/1265).
Aus den angeführten Erwägungen war der Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem der Rekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Erstgerichtes über den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen worden war, aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Anmerkung
Z38200Schlagworte
Besetzung des Gerichtes nach § 7a JN., Widerspruchsverhandlung nach § 398 (1) EO.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0050OB00230.65.1118.000Dokumentnummer
JJT_19651118_OGH0002_0050OB00230_6500000_000