Norm
ABGB §1311Kopf
SZ 38/204
Spruch
§ 86 (2) KFG. ist eine Schutzbestimmung im Sinne des § 1311 ABGB
Entscheidung vom 25. November 1965, 2 Ob 343/65
I. Instanz: Bezirksgericht Radkersburg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Am 25. Juli 1961 verschuldeten die beiden Beklagten mit dem Kraftwagen des Klägers einen Verkehrsunfall, bei dem alle Parteien verletzt wurden. Die beiden Beklagten wurden aus diesem Anlaß wegen Übertretung gegen die körperliche Sicherheit, und zwar der Erstbeklagte nach § 335 StG., die Zweitbeklagte nach § 431 StG. rechtskräftig verurteilt. Nach den Gründen der beiden Urteile versuchte die Zweitbeklagte, die das Fahrzeug des Klägers lenkte, ohne im Besitz eines Führerscheines zu sein, einem auf der Fahrbahn herumlaufenden Hund mit unverminderter Geschwindigkeit auszuweichen, obwohl sie leicht vor ihm hätte anhalten können, kam dabei infolge mangelnder Fahrkenntnisse von der Fahrbahn ab, worauf der neben ihr sitzende Erstbeklagte ins Lenkrad griff, wodurch der Wagen zu schleudern begann und an einen Baum stieß.
Gegenüber dem auf Zahlung von 3733.75 S gerichteten Schadenersatzbegehren des Klägers machten die Beklagten u. a. geltend, dem Kläger stehe kein Anspruch zu, weil ihm bekannt gewesen sei, daß die Beklagten keinen Führerschein besitzen und keine besondere Fahrpraxis hatten. Die Zweitbeklagte wendete gegen die Klagsforderung überdies aufrechnungsweise die ihr erwachsenen Heilungskosten im Betrage von 2900 S ein.
Das Erstgericht erkannte, daß die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung der Klagssumme samt Nebengebühren.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten dahin Folge, daß es das Zurechtbestehen der Klagsforderung mit 2489.16 S aussprach, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte, dem Kläger den genannten Betrag (d. s. 2/3 der Klagsforderung) unter Abweisung des Mehrbegehrens zusprach und dementsprechend auch die Kostenentscheidung änderte. Das Berufungsgericht nahm auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz abweichend von deren Rechtsansicht ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden des Klägers an, weil er der Zweitbeklagten das Lenken seines Kraftwagens überlassen habe, ohne deren Befähigung, ein Kraftfahrzeug zu führen, entsprechend zu Prüfen.
Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen erhobenen Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Als Tatsache steht fest, daß der Kläger die Zweitbeklagte in seinem Fahrzeug mitnahm und ihr dessen Lenkung auf die bloße Versicherung hin, sie besitze einen Schweizer Führerschein und Fahrerfahrung, bereits überließ, nachdem er dies nur eine kurze Strecke, selbst besorgt hatte. Ein solches Verhalten verstößt gegen die im § 86 (2) KFG. 1955 verankerte Verpflichtung des Fahrzeugbesitzers, die Führung und Benützung seines Fahrzeuges nur solchen Personen zu überlassen, denen dies auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet ist. Die vom Kläger selbst bekundete Tatsache, daß er die Zweitbeklagte nach dem Besitz eines Führerscheines fragte, bevor er ihrer Bitte, ihr das Lenkrad zu überlassen, entsprach, läßt erkennen daß er selbst diesem Umstand Bedeutung beilegte. Und dies mit Recht. Denn um im heutigen Straßenverkehr bestehen zu können, genügt es nicht, die bloße Fahrtechnik zu beherrschen, es bedarf vielmehr auch einer gewissen Fahrpraxis, die den Lenker befähigt, auch überraschender Situationen Herr zu werden. Dem Erreichen dieses Zieles dient der der Lenkerprüfung vorangehende Unterricht und diese Prüfung selbst, bei der vom Prüfungswerber in Theorie und Praxis der Nachweis seiner Befähigung verlangt wird, sich im Verkehr mit der erforderlichen Gewandtheit zu bewegen und die nötige Ruhe, Geistesgegenwart und Selbständigkeit, einen sicheren Blick und Verständnis für die verschiedenen Verkehrslagen zu besitzen. Der Kläger hätte sich daher mit der bloßen Versicherung der Zweitbeklagten umsoweniger begnügen dürfen, als das Vorzeigen des angeblich vorhandenen Führerscheines, den der Lenker auf Fahrten mitführen muß (§ 85 (4) KFG. 1955), mit keinerlei Erschwernis oder Verzögerung verbunden gewesen wäre. Das an den Kraftfahrzeugbesitzer gerichtete Gebot des § 86 (2) KFG. 1955 stellt eine Schutzbestimmung im Sinne des § 1311 ABGB. dar, die der Kläger durch sein der Zweitbeklagten entgegengebrachtes, jedoch durch nichts berechtigtes Vertrauen verletzt hat. Den ihm nach § 1311 ABGB. obliegenden Entlastungsbeweis hat der Kläger nicht erbracht.
Das Revisionsgericht vermag auch einen Rechtsirrtum in der Bewertung des Mitverschuldens des Klägers zu dessen Nachteil nicht zu erkennen. Es besteht kein ersichtlicher Grund, das Verschulden des Klägers vollständig zu vernachlässigen. Dem Umstand, daß das Verschulden der Beklagten erheblich überwiegt, ist durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Teilung in zutreffendem Ausmaß Rechnung getragen.
Anmerkung
Z38204Schlagworte
Führerschein, Überlassung der Lenkung eines Kraftfahrzeuges an Personen, ohne -, Kraftfahrzeug, Überlassung an Person ohne Führerschein, Schutzbestimmung, § 86 (2) KFG. ist eine -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0020OB00343.65.1125.000Dokumentnummer
JJT_19651125_OGH0002_0020OB00343_6500000_000