Norm
Außerstreitgesetz §9Kopf
SZ 39/15
Spruch
Die mütterliche Großmutter ist nach § 34 JWG. rekursberechtigt, wenn sie das Kind auch nur tatsächlich in ihrer Pflege hat
Entscheidung vom 26. Jänner 1966, 6 Ob 14/66
I. Instanz: Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr
Text
Der Minderjährige befand sich, da sich seine Mutter um ihn kaum kümmerte, bei seiner mütterlichen Großmutter Anna T. Mit Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 24. November 1960 wurde über ihn die gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet und seine Unterbringung im Kinderheim L. genehmigt. Die mütterliche Großmutter bringt nunmehr vor, sie habe für den Minderjährigen, der sich während eines Schulurlaubes wieder bei ihr befunden habe, eine geeignete Lehrstelle ausfindig gemacht. Sie beantragt, die gerichtliche Erziehungshilfe aufzuheben und für den Minderjährigen Werner M., der im gleichen Orte wohnhaft sei, zum Vormund zu bestellen.
Das Vormundschaftsgericht wies nach Durchführung von Erhebungen diese Anträge ab. Das Ziel der gerichtlichen Erziehungshilfe sei bei dem Minderjährigen noch keineswegs erreicht. Damit komme auch die von der mütterlichen Großmutter vorgeschlagene Bestellung eines an ihrem Wohnort ansässigen Vormundes nicht in Betracht.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der mütterlichen Großmutter zurück, da ihr ein Rekursrecht nicht zustehe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der mütterlichen Großmutter nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 34 JWG. hat das Vormundschaftsgericht vor der Entscheidung hinsichtlich der gerichtlichen Erziehungshilfe und damit auch über die Aufhebung einer solchen Maßnahme die Erziehungsberechtigten, wenn nicht die näher bezeichneten Gründe entgegenstehen, unter Umständen aber auch noch sonstige Personen zu hören, denen nach Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle dann auch die Entscheidung zuzustellen ist und die gemäß Abs. 4 zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt sind. Voraussetzung für die Zuerkennung der Rechtsmittelbefugnis an die mütterliche Großmutter wäre daher ihre Zugehörigkeit zu einem dieser beiden Personenkreise. Sie gehört nun nicht zu den Erziehungsberechtigten, die § 39 JWG. bezeichnet. Hinsichtlich eines außerehelichen Minderjährigen kommen dafür nur der Vormund und gemäß § 169 ABGB. die außereheliche Mutter in Betracht; die Voraussetzungen des § 39 JWG., unter denen auch der außereheliche Vater erziehungsberechtigt wäre, sind im vorliegenden Fall schon deswegen nicht gegeben, weil er verstorben ist. Es ist daher noch zu prüfen, ob die mütterliche Großmutter zu den sonstigen zu hörenden Personen gemäß § 34 Z. 1 JWG. gehört; die übrigen Fälle dieser Gesetzesstelle kommen schon begrifflich nicht in Betracht. Danach sind zu hören, wenn der Minderjährige bei anderen Personen in Pflege ist, in Ansehung derer die Pflege nicht als fremde anzusehen ist (§ 5 (1) vorletzter Satz), auch diese Personen. Diese Voraussetzungen erfüllte die mütterliche Großmutter im Hinblick darauf, daß sie als solche in einer der in der zitierten Gesetzesstelle bezeichneten verwandtschaftlichen Beziehungen zum Minderjährigen steht und ihn nach der Aktenlage durch Jahre in ihrer tatsächlichen Pflege hatte, so lange diese Pflege aufrecht war. Des Abschlusses eines Pflegevertrages mit ihr bedurfte es dazu allerdings nicht, da nach dem Wortlaut des § 34 (1) Z. 1 JWG. die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle schon dann vorliegen, wenn sich das Kind bei den im § 5 (1) JWG. genannten nahen Angehörigen tatsächlich in Pflege befindet. Dieser Zustand nahm aber mit der Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe und Genehmigung der Unterbringung des Minderjährigen im Kinderheim L. mit Beschluß des Vormundschaftsgerichtes vom 24. November 1960 ein Ende. Seither befand sich der Minderjährige nicht mehr in der Pflege seiner mütterlichen Großmutter, sondern in der Pflege dieses Kinderheims. Darin trat auch keine Änderung ein, als er während des Ferienurlaubes 1965 wieder zu seiner Großmutter zurückkam. Denn wenn das Gesetz auch keine bestimmte Zeitdauer einer solchen Pflege verlangt, so muß doch angenommen werden, daß der Sorgeübernahme doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit andauernder Einwirkung immanent sein muß, da sonst nicht von einer Sorge für die Entwicklung gesprochen werden könnte (Ourednik S. 42). Davon ist aber bei einer Übernahme des Minderjährigen bloß aus Anlaß der Heimferien keine Rede. Dieser Zustand war auf die zeitlich begrenzte Dauer dieser Ferien beschränkt. Eine neuerliche Übernahme des Minderjährigen in die Pflege der mütterlichen Großmutter trat dadurch nicht ein.
Gehört damit die mütterliche Großmutter nicht zu den im § 34 JWG. bezeichneten Personenkreisen, so ist sie, was die gerichtliche Erziehungshilfe hinsichtlich des Minderjährigen betrifft, weder antrags- noch rekursberechtigt. Damit entfällt aber auch ihre Legitimation für den weiteren von ihr eingebrachten Antrag auf Bestellung eines anderen Vormundes, der, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, nur im Hinblick auf die angestrebte Aufhebung der gerichtlichen Erziehungshilfe gestellt wurde. Der Rekurs der mütterlichen Großmutter wurde daher mit Recht zurückgewiesen.
Anmerkung
Z39015Schlagworte
Erziehungshilfe, gerichtliche, Rekursrecht der mütterlichen Großmutter, Rekursrecht der mütterlichen Großmutter, gerichtliche ErziehungshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0060OB00014.66.0126.000Dokumentnummer
JJT_19660126_OGH0002_0060OB00014_6600000_000