Norm
JN §67Kopf
SZ 39/16
Spruch
§ 100 (3) JN. stellt für Klagen wegen Bestreitung der ehelichen Geburt eine über die Bestimmung des Abs. 2 hinausgehende Erweiterung der inländischen Gerichtsbarkeit dar
Durch § 67 2. Satz JN. wird nur ein für die dort angeführten Verbindlichkeiten geltender besonderer Gerichtsstand geschaffen
Entscheidung vom 26. Jänner 1966, 6 Ob 23/66
I. Instanz: Landesgericht für ZRS. Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz
Text
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger, hat am 29. November 1958 vor dem Standesamt Graz mit Rosemaria, geborener R., die Ehe geschlossen, war bis zu seiner am 29. Juli 1960 nach Basel, Schweiz, erfolgten Abreise in Graz polizeilich gemeldet und hat nunmehr seinen Wohnsitz in der Schweiz.
Am 9. Juni 1965 brachte er beim Landesgericht für ZRS. Graz gegen das am 9. April 1965 geborene und nach den Klagsangaben in W., Kanton Aargau, Schweiz, wohnhafte Kind Rene T. eine Klage wegen Bestreitung der ehelichen Geburt mit der Begründung ein, daß die Ehe mit der Mutter des Kindes mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 20. Oktober 1964 geschieden worden sei (eine Anerkennung dieses Urteiles gemäß § 24 der 4 DVzEheG. wurde nicht behauptet), daß das von ihr am 9. April 1965 geborene beklagte Kind erst nach Scheidung der Ehe geboren worden sei, daß er als Vater dieses Kindes im Geburtsregister des Zivilstandesamtes der Stadt A. eingetragen sei und daß er unmöglich der Vater dieses Kindes sein könne, weil er den letzten Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes im März 1964 gehabt habe.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes grundete der Kläger auf seine österreichische Staatsbürgerschaft, ferner darauf, daß er vor seiner Abmeldung in die Schweiz seinen Wohnsitz in Graz gehabt und dort auch die Ehe mit der Mutter des Kindes geschlossen habe.
Das beklagte Kind hat Unzulässigkeit des Rechtsweges (richtig Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit) und allenfalls die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes eingewendet.
Das Erstgericht hat dieses Einreden "abgewiesen".
Es vertrat die Auffassung, daß zwar mit Rücksicht auf den Wohnsitz des Klägers im Ausland ein allgemeiner Gerichtsstand des Klägers in Österreich nach den §§ 66 und 67 erster Satz JN. nicht gegeben sei, daß aber ein solcher gemäß § 67 zweiter Satz JN. in Graz infolge des letzten inländischen Wohnsitzes (Aufenthaltes) des Klägers und des Umstandes, daß das Rechtsverhältnis des Klägers zu dem beklagten Kind zweifellos auch im Inland zu erfüllende Verbindlichkeiten beinhalte, begrundet sei. Wenn nun auch gemäß § 71 JN. eheliche, der väterlichen Gewalt unterworfene Kinder den allgemeinen Gerichtsstand ihres Vaters teilen, so gelte dies, wie sich aus dem Wortlaut des § 67 zweiter Satz JN. ergebe, nicht für den nach dieser Gesetzesstelle begrundeten Gerichtsstand ihres Vaters. Es habe daher das beklagte Kind keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, weshalb die Bestimmung des § 100 (2) erster Satz JN. zur Anwendung komme. Damit sei die Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS. Graz (§ 67 zweiter Satz JN.) begrundet und die inländische Gerichtsbarkeit sei zu bejahen. Sie sei mit Rücksicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft des Klägers gemäß § 100 (2) zweiter Satz JN. auch dann gegeben, wenn dieser keinen allgemeinen Gerichtsstand in Österreich hätte. In letzterem Fall käme allerdings nur das Landesgericht für ZRS. Wien als das örtlich und sachlich zuständige Gericht in Betracht.
Der vom beklagten Kind gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs hatte teilweise Erfolg. Das Rekursgericht sprach aus, daß dem Rekurs insoweit, als mit dem erstgerichtlichen Beschluß die vom beklagten Kind erhobenen Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges (richtig des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit) und der sachlichen Unzuständigkeit abgewiesen (richtig verworfen) wurden, keine Folge gegeben, daß aber im übrigen der angefochtene Beschluß abgeändert und die Bestreitungsklage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für ZRS. Graz zurückgewiesen werde.
Das Rekursgericht ging davon aus, daß die vom beklagten Kind erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nach dem ganzen zur Begründung geltend gemachten Sachverhalt als der Einwand der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zu verstehen sei, dieser aber zufolge der Bestimmung des § 100 (2) JN. und mit Rücksicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft des Klägers nicht begrundet sei. Die Bestimmung dieser Gesetzesstelle gelte auch für Klagen wegen Bestreitung der ehelichen Geburt. Daran werde durch die Bestimmung des § 100 (3) JN. nichts geändert, vielmehr stelle diese für die erwähnten Bestreitungsklagen eine über den Rahmen des § 100
(2) JN. hinausgehende Erweiterung der inländischen Gerichtsbarkeit dar. Das Erstgericht habe auch richtig erkannt, daß nach den Klagsangaben ein allgemeiner Gerichtsstand des Klägers nach §§ 66, 67 erster Satz JN. nicht gegeben sei. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes werde aber durch die Bestimmung des § 67 zweiter Satz JN. ein allgemeiner Gerichtsstand nicht begrundet, sondern ein besonderer Gerichtsstand, der bei Abgang eines nach den vorangegangenen Bestimmungen begrundeten allgemeinen Gerichtsstandes ausdrücklich nur für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Verbindlichkeiten diene, die während des Aufenthaltes des Beklagten im Inland begrundet wurden oder hier zu erfüllen sind. Daß diesen Gerichtsstand des Vaters das Kind nicht teilen könne, habe bereits das Erstgericht zutreffend erkannt.
Da der Gerichtsstand nach § 67 zweiter Satz JN. kein allgemeiner Gerichtsstand sei, könne er auch nicht die Zuständigkeit nach § 100
(2) erster Satz JN. begrunden, welche Bestimmung sich ausdrücklich auf den allgemeinen Gerichtsstand des die Klage wegen Bestreitung der Ehelichkeit eines Kindes erhebenden Klägers beziehe. Weder der Kläger noch das beklagte Kind hätten einen allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des angerufenen Gerichtes (das Vorliegen der Voraussetzungen des § 100 (3) JN. sei nicht behauptet worden). Es sei daher mit Rücksicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft des Klägers die Zuständigkeitsbestimmung des § 100 (2) zweiter Satz JN. wirksam und für die vorliegende Klage die Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS. Wien gegeben. Damit erweise sich die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS. Graz als begrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Daß im vorliegenden Fall ein allgemeiner Gerichtsstand des Klägers nach §§ 66, 67 erster Satz JN. gegeben sei, wird weder im Revisionsrekurs behauptet, noch ergibt sich dies aus den Klagsangaben und dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers. Er versucht vielmehr im Revisionsrekurs unter Hinweis auf Fasching, Komm. zu den ZP.-Gesetzen, I. Band S. 376 Anm. 3 zu § 67 JN. darzulegen, daß die Bestimmung des § 67 zweiter Satz JN. einen allgemeinen Gerichtsstand enthalte.
Zunächst ist der ganz allgemeinen Fassung der erwähnten Anmerkung 3, entgegenzuhalten, daß bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67 2. Satz JN. die im Gesetz normierte Einschränkung, daß dieser Gerichtsstand nur hinsichtlich der während des Aufenthaltes im Inland begrundeten oder hier zu erfüllenden Verbindlichkeiten zu gelten hat, nicht außer acht gelassen werden darf. Auf diese weitere Voraussetzung für den Gerichtsstand nach § 67 zweiter Satz JN. weist Neumann im Komm. zu den ZP.- Gesetzen[4] I. Band S. 179 zu § 67 JN. ausdrücklich hin. Aus dieser Einschränkung ergibt sich aber, daß durch § 67 zweiter Satz JN. kein allgemeiner, sondern ein besonderer Gerichtsstand, nämlich für Rechtsstreitigkeiten der dort angeführten Art, geschaffen wurde, und zwar nur hinsichtlich des im Prozeß Beklagten (Petschek, Der österreichische Zivilprozeß, S. 111 zu § 67 JN., 1 Nd 185/57 = EvBl. 1958 Nr. 367).
Abgesehen davon ist aber entscheidend, daß Voraussetzung für den Gerichtsstand nach § 67 erster und zweiter Satz JN. ist, daß die in Betracht kommende Person weder im Inland noch anderswo einen Wohnsitz hat (Neumann a. a. O. S. 179 oben zu § 67 JN. und Fasching a. a. O. S. 375 vor Anm. 1 zu § 67 JN.). Nur dann, wenn dies der Fall ist, wird ein allgemeiner Gerichtsstand durch den Ort des jeweiligen Aufenthaltes im Inland begrundet (erster Satz). Dann aber, wenn auch ein solcher mangelt, oder bei Unbekanntheit des inländischen Aufenthaltes, gilt der Gerichtsstand des § 67 Satz 2 JN., und zwar für die dort angeführten Streitigkeiten. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinen Wohnsitz in der Schweiz, weshalb hinsichtlich seines allgemeinen Gerichtsstandes sämtliche Bestimmungen des § 67 JN. mangels der dort angeführten Voraussetzungen überhaupt nicht zur Anwendung gelangen.
Da sohin der eheliche Vater des beklagten Kindes keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, besteht auch für das beklagte Kind im Inland kein gemäß § 71 JN. von seinem Vater abgeleiteter Gerichtsstand.
Die Hinweise im Revisionsrekurs auf die Ausführungen Faschings in Anm. 1 zu § 67 JN., daß nur die Personen keinen Wohnsitz in Österreich haben, die nicht ihren Wohnsitz von dem anderer Personen ableiten, und in Anm. 3 zu § 71 JN., daß der vom Vater abgeleitete allgemeine Gerichtsstand für die ehelichen Kinder solange besteht, bis sie das Recht zur freien Vermögensverwaltung erlangt haben, besagen für den vorliegenden Fall nichts, weil, wie bereits dargelegt wurde, ein allgemeiner Gerichtsstand des Vaters im Inland nicht gegeben ist.
Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, daß Abs. 3 des § 100 JN. für Klagen wegen Bestreitung der ehelichen Geburt eine über die Bestimmung des Abs. 2 hinausgehende Erweiterung der inländischen Gerichtsbarkeit schafft (Fasching a. a. O. S. 486 Anm. 4 zu § 100 JN.).
Im vorliegenden Fall ist die Zuständigkeit nach § 100 (2) erster Satz JN. mangels eines allgemeinen Gerichtsstandes des Klägers im Inland nicht gegeben. Da der Kläger aber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist trotzdem für die vorliegende Bestreitungsklage die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, und zwar zufolge der Bestimmung des § 100 (2) zweiter Satz JN., mit welcher für derartige Klagen die Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS. Wien bestimmt wurde.
Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für ZRS. Graz verneint und daher zu Recht der vom beklagten Kind erhobenen Unzuständigkeitseinrede stattgegeben.
Wenn im Revisionsrekurs noch darauf hingewiesen wird, daß das beklagte Kind weder die Abweisung des Klagebegehrens noch die Zurückweisung der Klage beantragt habe, so kommt dem keine Bedeutung zu, da es die Unzuständigkeitseinrede erhoben hat, welche implicite den Antrag auf Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit in sich schließt.
Anmerkung
Z39016Schlagworte
Bestreitung der ehelichen Geburt, Gerichtsstand nach § 67 2. Satz JN. Ehelichkeitsbestreitungsklage, Gerichtsstand nach § 67 2. Satz JN. nachträglicher nach § 67 2. Satz JN., Bestreitung der ehelichen GeburtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0060OB00023.66.0126.000Dokumentnummer
JJT_19660126_OGH0002_0060OB00023_6600000_000