Norm
Ehegesetz §56Kopf
SZ 39/18
Spruch
Zur Anwendung des § 56 EheG. ist erforderlich, daß der Kläger den Ehebruch der Beklagten nicht als ehezerstörend empfunden hat; es genügt nicht der Schluß, daß der Kläger eine solche Empfindung nicht haben konnte
Entscheidung vom 27. Jänner 1966, 5 Ob 225/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Das Erstgericht wies das Scheidungsbegehren der klagenden Ehegatten ab. Es verneinte unter ausdrücklichem Hinweis auf die von der Rechtslehre teilweise vertretene Auffassung zu §§ 47 und 56 EheG. und die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 24. September 1966, FamRZ. 1956 S. 341, das Recht des Klägers, wegen eines Ehebruches der Beklagten die Scheidung zu begehren, weil die lebendige eheliche Gemeinschaft der Streitteile, die infolge des bisherigen Verhaltens des Klägers unheilbar zerrüttet worden sei, schon vor dem Ehebruch der Beklagten nicht mehr bestanden habe und der Kläger dadurch, daß er die Beklagte verließ und ein Liebesverhältnis mit einer anderen Frau einging, gezeigt habe, daß ihm das Eheband nichts bedeute. Er könne daher den Ehebruch der Beklagten weder als ehezerstörend empfunden haben, noch das Eheband als verletzt erachten. Deshalb erübrige es sich zu prüfen, ob § 49 Satz 2 EheG. anzuwenden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das Urteil der zweiten Instanz auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen und hält trotz der teilweise in der Rechtslehre und in der deutschen Rechtsprechung vertretenen abweichenden Meinung (vgl. Schwind in Klang-Komm.[2] I 1, 753 f., und die dort in Anm. 25 zitierte weitere Literatur und Entscheidungen) in ständiger Judikatur daran fest, daß der Ehebruch ein absoluter Scheidungsgrund ist, d. h. ein solcher, der die Scheidung ohne Rücksicht darauf rechtfertigt, ob er die Ehe unheilbar zerrüttet hat oder nicht (vgl. SZ. XXIV 73, JBl. 1950 S. 36, 6 Ob 120/62, 4 Ob 539/64, 5 Ob 243/64 u. a.). Nur in zwei Fällen kann der Ehebruch nicht als Scheidungsgrund geltend gemacht werden und zwar 1. wenn der andere Ehegatte dem Ehebruch zugestimmt oder ihn durch sein Verhalten absichtlich ermöglicht oder erleichtert hat (§ 47, 2. Satz EheG.) oder 2. wenn der verletzte Ehegatte den Ehebruch des anderen verziehen oder ihn nicht als ehezerstörend empfunden hat (§ 56 EheG.).
Im vorliegenden Fall wurde weder behauptet noch festgestellt und es besteht auch kein Grund zur Annahme, daß der Kläger dem Ehebruch der Beklagten zugestimmt oder ihn absichtlich durch sein Verhalten ermöglicht oder erleichtert hätte. Ebenso wurde weder behauptet, noch nahmen die Untergerichte als erwiesen an, daß der Kläger den Ehebruch der Beklagten verziehen hätte. Sie kamen jedoch auf Grund des festgestellten, dem Ehebruch der Beklagten vorausgehenden Verhaltens des Klägers zu dem Schluß, daß der Kläger den Ehebruch nicht als ehezerstörend empfunden haben konnte.
Dazu ist zunächst festzuhalten, daß es sich beim Mangel der Empfindung für die ehezerstörende Wirkung einer Verfehlung des anderen Ehegatten um einen inneren, psychischen Vorgang handelt, den der Richter nach freier Beweiswürdigung auf Grund der nach außen hin objektiv in Erscheinung getretenen Tatsachen festzustellen hat (vgl. Schwind in Klang a. a. O. S. 826, Godin Ehegesetz S. 247 ff., Hoffmann - Stephan Ehegesetz S. 240). Festzustellen ist die Reaktion des Empfindens des angeblich verletzten Teiles auf die konkrete Verfehlung (Schwind a. a. O. und Komm. zum Österr. Eherecht S. 204, Godin a. a. O. S. 249) und nicht etwa das gesamte Verhalten des verletzten Teiles auch schon vor der Eheverfehlung. "Maßgebend ist der Zeitpunkt der Klagserhebung, in dem die Eheverfehlung nicht als ehezerstörend empfunden werden darf, damit § 56 EheG. zur Anwendung kommt. Es ist durchaus denkbar, daß ein Verhalten des einen Ehegatten vom anderen zunächst nicht als ehezerstörend empfunden wurde. Das allein bewirkt noch nicht die Anwendung des § 56 EheG., wenn sich bis zur Klagserhebung die innere Einstellung des verletzten Teiles gewandelt hat und er nun durch was immer für Umstände die Ehe nicht mehr glaubt fortsetzen zu können" (Schwind in Klang-Komm. a. a. O.), Deshalb ist es abzulehnen, wenn bloß aus dem Verhalten des angeblich verletzten Ehegattens in der Zeit, bevor er Kenntnis von der Verfehlung des anderen Teiles erlangte, etwa aus in dieser Zeit begangenen eigenen Eheverfehlungen, ja sogar Ehebrüchen, darauf geschlossen wird, daß die Verfehlung des anderen Teiles nicht als ehezerstörend empfunden worden sein konnte. Eine solche Annahme kann nur dann begrundet sein, wenn die Ehe schon vor der zur Beurteilung stehenden Eheverfehlung beiderseits unheilbar zerrüttet war. Es ist jedoch möglich, daß ein Ehegatte, der selbst die häusliche Gemeinschaft auflöste und ein eheähnliches Verhältnis mit einem anderen Partner einging, noch einen Rest ehelicher Gesinnung bewahrt hat und es nicht vollkommen ausschließt, über kurz oder lang doch wieder zu seinem Ehegatten zurückzukehren. Wenn nun ein solcher Ehegatte wegen eines Ehebruches des anderen Teiles diesen Rest seiner ehelichen Gesinnung verliert und seine Rückkehrabsicht endgültig aufgibt, kann nicht gesagt werden, daß er den Ehebruch des anderen nicht als ehezerstörend empfunden haben kann. Die Erhebung der Scheidungsklage spricht zwar nicht allein, aber meist dafür, daß die als Scheidungsgrund geltend gemachte Eheverfehlung doch als ehezerstörend empfunden wurde (vgl. JBl. 1950 S. 36). Keinesfalls darf die Berücksichtigung der eigenen Verfehlungen des Verletzten zu einer dem Ehegesetz fremden Aufrechnung der beiderseitigen Eheverfehlungen führen (vgl. Hoffmann - Stephan a. a. O. S. 240). Im Hinblick auf die meist vorliegenden großen Schwierigkeiten der im übrigen von Amts wegen (Schwind in Klang-Komm. a. a.O., aber auch Achilles - Greiff, BGB. Slg. Guttentag 1958 S. 1255) zu treffenden Feststellung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 56 EheG. gegeben sind, bestehen keine Bedenken, dennoch auch hier die Regel gelten zu lassen, daß der wegen § 47 EheG. klagende Gatte den Ehebruch, der beklagte Teil aber den Ausnahmetatbestand des § 56 EheG. zu erweisen habe (vgl. Punkt 2 der zustimmenden Bemerkungen Habscheids zu der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des BGH. vom 24. September 1955, IV ZR. 79/55, in Fam.RZ. 1956 S. 341).
Im vorliegenden Fall haben nun die Untergerichte keine Feststellung getroffen, daß der Kläger den Ehebruch der Beklagten nicht als ehezerstörend empfunden hat, sondern sich mit dem Schluß begnügt, daß der Kläger eine solche Empfindung nicht gehabt haben konnte.
Im übrigen war die Schlußfolgerung der Untergerichte nicht auf den, wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, maßgebenden Zeitpunkt bezogen, weshalb die streitentscheidende Feststellung, ob der Kläger den Ehebruch der Beklagten als ehezerstörend empfunden hat, also die Voraussetzung für die Anwendung des § 56 EheG. vorliegt, noch fehlt.
Es war daher das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlicher Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Anmerkung
Z39018Schlagworte
Ehebruch, Verzeihung, Voraussetzungen der Anwendung des § 56 EheG., Ehescheidung, Verzeihung, Voraussetzungen der Anwendung des § 56 EheG., Verzeihung, Ehescheidung, Anwendung des § 56 EheG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0050OB00225.65.0127.000Dokumentnummer
JJT_19660127_OGH0002_0050OB00225_6500000_000