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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §30 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A G in S, vertreten durch Dr. Roland Zika, Rechtsanwalt in 9560 Feldkirchen, Kirchgasse 26, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für Kärnten vom 8. März 2001, Zl. KUVS-858/4/2000, betreffend Antrag auf Außerkraftsetzung einer Strafverfügung wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen vom 19. April 1999 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe es am 6. August 1998 um 11.40 Uhr als Lenkerin eines Kraftfahrzeuges unterlassen, vor einem Schutzweg anzuhalten, obwohl ein Schulkind die Fahrbahn überqueren habe wollen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über sie nach § 9 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt.
Gegen diese Strafverfügung wurde von der Beschwerdeführerin kein Einspruch erhoben worden. Mit Schriftsatz vom 6. September 1999 stellte die Beschwerdeführerin aber den Antrag, die besagte Strafverfügung gemäß § 30 Abs. 3 VStG außer Kraft zu setzen und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Dies wurde damit begründet, dass beim Bezirksgericht Feldkirchen bereits ein Strafverfahren durchgeführt worden und die gegenständliche Bestrafung daher im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot unzulässig sei. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dieses gerichtliche Strafverfahren mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 3. März 1999 gemäß §§ 227, 447 StPO eingestellt. Davon wurde die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen mit dem bei ihr am 15. April 1999 eingelangten Schreiben des besagten Bezirksgerichts vom 22. März 1999 verständigt.
Mit Bescheid der genannten Bezirkshauptmannschaft vom 23. Juni 2000 wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Die Begründung dieses Bescheids stützt sich im Wesentlichen darauf, dass die Tat der Beschwerdeführerin nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit des Gerichtes fallenden strafbaren Handlung bilde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die gegen diesen Bescheid vom 23. Juni 2000 eingebrachte Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich § 30 Abs. 3 VStG ausdrücklich auf Straferkenntnisse beziehe und das Vorliegen eines rechtskräftigen Straferkenntnisses die Voraussetzung für die Anwendung dieser (in der Rechtsprechung als Sonderfall der Wiederaufnahme des Verfahrens eingestuften) Bestimmung sei. Vorliegend sei von der besagten Bezirkshauptmannschaft lediglich eine Strafverfügung erlassen worden, gegen die kein Einspruch erhoben worden sei, weshalb es auch zu keiner Einleitung eines ordentlichen Verfahrens gekommen sei, das mit einem rechtskräftigen Straferkenntnis abgeschlossen worden wäre. Damit mangle es dem gegenständlichen Antrag nach § 30 Abs. 3 VStG bereits an der Voraussetzung des Vorliegens eines rechtskräftigen Straferkenntnisses, sodass dieser von der genannten Bezirkshauptmannschaft zurecht zurückgewiesen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 99 Abs 2 lit c und Abs 6 lit c StVO 1960 idF BGBl I Nr 92/1998 lauten:
"§ 99. Strafbestimmungen.
...
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
...
c) wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert,
...
(6) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor,
...
c) wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht,".
§ 30 Abs. 2 und 3 VStG lauten:
"(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.
(3) Hat die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis gefällt, so darf es vorläufig nicht vollzogen werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde erster Instanz, wenn aber in der Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen."
Wenn die Beschwerde rügt, dass sich § 30 Abs. 3 VStG nicht bloß auf die im "ordentlichen Verfahren" der §§ 40 ff VStG gefällte Straferkenntnisse, sondern auch auf Strafverfügungen im Sinn der §§ 47 ff VStG beziehe, ist sie damit im Recht. Zunächst ist festzuhalten, dass die Regelung des § 30 Abs. 3 VStG an die Regelung des Abs. 2 dieser Bestimmung anknüpft, der Anwendungsbereich des Abs. 2 aber nicht auf das ordentliche Verfahren beschränkt ist und diese Regelung daher auch für das abgekürzte Verfahren (vgl. §§ 47 ff VStG) - damit auch für Strafverfügungen - zum Tragen kommt. Schon aus diesem Grund wäre es nicht konsequent, § 30 Abs. 3 VStG nur auf Straferkenntnisse zu beziehen. Zudem würde es zu einem offen auf der Hand liegenden Wertungswiderspruch führen, die im § 30 Abs. 3 VStG für das Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen vorgesehen Regelungen auf Straferkenntnisse zu beschränken. Zum Einen kann ein Verwaltungsstrafverfahren zu Lasten des Beschuldigten rechtskräftig nicht nur im ordentlichen Verfahren (durch Straferkenntnis), sondern auch (bei Vorliegen der dafür geforderten Voraussetzungen) im abgekürzten Verfahren (wie vorliegend unstrittig mit einer Strafverfügung) beendet werden. Schon von daher ist es nicht überzeugend, einem im abgekürzten Verfahren gegen den Beschuldigten erlassenen Verwaltungsstrafakt (etwa einer Strafverfügung) entgegen den Regelungen des § 30 Abs. 3 VStG Bestand zu geben. Zum Anderen würde diese Beschränkung auch zur Folge haben, dass im Fall des Zusammentreffens verschiedener strafbarer Handlungen im abgekürzten - somit einem gegenüber dem ordentlichen Verfahren vereinfachten - Verfahren zu Lasten des Beschuldigten erlassene Verwaltungsakte eine höhere Bestandskraft hätten als in einem ordentlichen (somit nicht vereinfachten) Verfahren erlassene Straferkenntnisse. Auf dem Boden des Gesagten ist § 30 Abs. 3 VStG somit so zu deuten, dass er nicht bloß Straferkenntnisse, sondern auch Strafverfügungen erfasst.
Dennoch geht die Beschwerde fehl. § 30 Abs. 3 erster Satz VStG stellt darauf ab, dass die Behörde ("A") das bei ihr geführte Verwaltungsstrafverfahren nicht gemäß § 30 Abs 2 VStG ausgesetzt, sondern ihre Entscheidung zu Lasten des Beschuldigten vor der Entscheidung des Gerichts oder einer anderen Verwaltungsbehörde ("B") gefällt hat. Auf dem Boden der Regelung des § 30 Abs. 2 VStG ist die Wendung "Ergibt sich später" zu Beginn des § 30 Abs. 3 zweiter Satz VStG so zu verstehen, dass es darauf ankommt, ob auf Grund des später von der anderen Verwaltungsbehörde ("B") oder einem Gericht erzielten Ergebnisses des (Verwaltungs-)Strafverfahren die Behörde ("A") das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchführen dürfen.
Im vorliegenden Fall hat die erstinstanzliche Behörde des Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin zunächst am 21. Oktober 1998 gemäß § 30 Abs 2 VStG bis zur rechtskräftigen Erledigung des gerichtlichen Strafverfahrens ausgesetzt. Nach Einlangen der Verständigung von der Einstellung dieses Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung vom 19. April 1999 wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen bestraft. Damit hat die genannte Bezirkshauptmannschaft aber ihr Verwaltungsstrafverfahren nicht - wie dies § 30 Abs. 3 VStG im Auge hat - vor, sondern erst nach der Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens zu Lasten der Beschwerdeführerin mit Strafverfügung beendet. Ein Anwendungsfall des § 30 Abs. 3 zweiter Satz VStG liegt somit im Beschwerdefall nicht vor. Damit verstößt aber der angefochtene Bescheid im Ergebnis nicht gegen § 30 Abs. 2 und 3 VStG. Der Beschwerdeführerin wäre es offengestanden, ein allfälliges Verbot der Doppelbestrafung im Wege eines Einspruchs gegen die genannte Strafverfügung geltend zu machen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. März 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001030132.X00Im RIS seit
21.04.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008