Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Neutzler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth L*****, Haushalt, *****, vertreten durch Dr. Hans Watzek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margarete P*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Wilhelm, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eidesleistung gemäß Art XLII EGzZPO (Streitwert S 25.000 sA) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Juni 1965, GZ 6 R 142/65-59, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 1965, GZ 18 Cg 130/64-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte zunächst von der beklagten Partei nach zweimaliger Änderung des Klagebegehrens (S 119 und 127 d. A.), diese habe - "allenfalls unter Vorlage eines Vermögensverzeichnisses - das Vermögen und die Schulden der Erbschaft (gemeint des Nachlasses nach dem am 3. 8. 1960 verstorbenen Vater der Streitteile Rudolf P*****) anzugeben, und anzugeben, was ihr von diesem Vermögen und von der Verschweigung dieses Vermögens bekannt sei; sie habe weiter einen Eid zu leisten, dass diese Angaben richtig und vollständig seien und sie wissentlich nichts verschwiegen habe". Die Klägerin sei Erbin eines Viertels und die Beklagte von drei Viertel des angeführten Nachlasses. Der Erblasser habe u. a. vier Sparbücher hinterlassen und es sei nicht richtig, wenn die Beklagte behaupte, er habe ihr zwei davon geschenkt. Die Beklagte sei verpflichtet, die zum Nachlass hinzuzurechnenden Geschenke anzugeben. Der Erblasser sei ferner im Besitze eines Warenlagers, bestehend aus elektrischen Türöffnern im Werte von S 100.000 gewesen; in der Verlassenschaft habe sich aber nur ein geringes Warenlager vorgefunden und es weigere sich nun die Beklagte anzugeben, wohin die fehlenden Waren gekommen seien. Schließlich habe der Erblasser auch erklärt, er habe den Erlös aus dem Verkauf seines Unternehmens für seine beiden Töchter (die Streitteile) gut angelegt; auch hierüber verweigere die Beklagte jede Auskunft.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht entschied mit dem Urteil vom 10. 1. 1964 (ON 32 d. A.) im Sinne des Klagebegehrens.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und begründete dies u. a. damit, dass die Klägerin ihr Begehren auf beide Fälle des Art XLII EGzZPO stütze, aber nicht genügend zum Ausdruck bringe, dass sie als Pflichtteilsberechtigte zwecks Einrechnung in den Pflichtteil Auskunft über die vom Erblasser der Beklagten gemachten Schenkungen verlange und welche Verdachtsgründe sich über die Verheimlichung von Nachlassvermögen ergäben; dies sei im Rahmen des § 182 ZPO klarzustellen (ON 38 d. A.).
Im zweiten Rechtsgang ergänzte die Klägerin ihr Klagebegehren dahin, dass das Vermögen inklusive der zum reinen Nachlass hinzuzurechnenden Geschenke anzugeben sei, und brachte folgende Verdachtsgründe für eine Verheimlichung von Nachlassvermögen durch die Beklagte vor: Der Kaufpreis für das vom Erblasser veräußerte Unternehmen habe S 175.000 betragen, im Verlassenschaftsverfahren seien aber von der Beklagten als Erlös nur S 20.000 in bar und S 26.000 als noch offenstehende Forderung gegen den Käufer angegeben worden, sodass ein Betrag von S 129.000 aufklärungsbedürftig sei. Das im Besitz des Erblassers gewesene Warenlager, das nach dem Inhalt des Verzeichnisses vom 30. 9. 1959 S 100.000 wert gewesen sei, sei im Verlassenschaftsverfahren nur mehr mit S 16.000 bewertet worden; die Beklagte habe sich geweigert, das vom Erblasser angefertigte Verzeichnis über das Warenlager vorzulegen. Die Beklagte habe eine Eigentumswohnung um einen erheblichen Kaufpreis erworben, habe die Wohnung des Erblassers neu adaptiert und mit neuen Möbeln ausgestattet; ihr Bräutigam habe sich einen PKW gekauft (S 193/194 d. A.).
Sohin entschied das Erstgericht im Sinne des im zweiten Rechtsgang ergänzten Klagebegehrens und stellte fest:
Der Vater der Streitteile, Rudolf P*****, besaß ein Unternehmen zur Herstellung von elektr. Türöffnern eigener Konstruktion. Im November 1959 verkaufte er dieses Unternehmen dem Josef S***** um S 175.000. S 100.000 waren sofort zu zahlen, der Rest in Teilbeträgen von S 6.500, beginnend ab 1. 1. 1960 zu berichtigen. Bis auf einen Restbetrag von S 25.000 hielt S***** die Ratenzahlung ein. Rudolf P***** teilte ihm mit, er habe in seiner Wohnung noch ein Lager von Türöffnern und Tastern, die S***** auch erwerben könne, sobald er den Kaufpreis für das Unternehmen voll entrichtet habe. Über den Umfang und den Wert dieses Warenlagers machte der Erblasser jedoch keine Angaben. Er zeigte im höheren Alter psychotische Erscheinungen, die sich bis Ende des Jahres 1959 tageweise zu Verworrenheitszuständen steigerten. In den Zwischenzeiten war er aber geistig geordnet. Im Mai 1960, als Rudolf P***** bereits im Krankenhaus lag, informierte die Beklagte die Klägerin über den Vermögensstand des Vaters dahin, dass sie für diesen S 100.000 (Hauptzahlung des Käufers S*****) verwahre, und dass sie vom Vater S 30.000 geschenkt erhalten und diesen Betrag auf ein Sparbuch eingelegt habe. Nach dem Begräbnis des Rudolf P***** kam es zwischen den Streitteilen zu einem Streit, weil die Beklagte ihre ursprüngliche Zusage, die Abhandlung gleich nach dem Begräbnis zu besprechen, nicht einhalten wollte. Die Beklagte ließ die Klägerin in ihre Wohnung nicht ein, verweigerte die Einsicht in die von dieser vermissten Sparbücher und hielt die Zusage, die Lageraufstellung vorzulegen, nicht ein. Erst am 31. 10. 1961 erfuhr der frühere Ehegatte der Klägerin vom Berater der Beklagten, dass der Erblasser der Beklagten ca S 100.000 geschenkt haben solle. Dass die Beklagte tatsächlich den ganzen Betrag erhalten hat, wurde aber nicht als erwiesen angenommen. Die Beklagte erwarb am 11. 10. 1960 um einen nicht feststellbaren Preis eine Eigentumswohnung und im Jahre 1961 die Einrichtung für ein Zimmer. Das Gericht hielt es für wahrscheinlich, dass der Kaufpreis des von Rudolf P***** an S***** veräußerten Unternehmens mehr als S 175.000 betragen habe. Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht, der Verdacht der Verschweigung oder Verheimlichung eines wesentlichen Teiles des Nachlassvermögens nach Rudolf P***** durch die Beklagte sei gegeben. Die Beklagte als Gewahrsamsinhaberin treffe nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen der Klägerin gegenüber eine Mitteilungspflicht; die Klägerin habe sowohl als Miterbin als auch als Pflichtteilsberechtigte das Recht zur Klage auf Leistung des Offenbarungseides.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000 übersteigt. Es fand das erstgerichtliche Verfahren mängelfrei und übernahm die Feststellungen der ersten Instanz.
Rechtlich führte es aus, die Klägerin behaupte die Verletzung ihres Pflichtteilsanspruches, begehre die Anrechnung der von der Beklagten empfangenen Schenkungen auf ihren (der Klägerin) Pflichtteil und deshalb auch die Ablegung des Offenbarungseides durch die Beklagte über die erhaltenen Geschenke. Dem Noterben stünde gegen den Haupterben eine Klage nach Art XLII EGzZPO zu, auch wenn er, wie die Klägerin, im Verlassenschaftsverfahren die Erbserklärung zu einem Viertel des Nachlasses abgegeben habe, weil mit dieser Erklärung nicht auf den Pflichtteilsanspruch und auch nicht auf das gemäß § 785 ABGB bestehende Recht der Veranschlagung von Schenkungen verzichtet worden sei. Die Klägerin behaupte nichts anderes, als dass durch den ihr zugekommenen Erbteil ihr Pflichtteilsanspruch nicht gedeckt sei. Die Beklagte sei daher als Erbin verpflichtet, der Klägerin als Noterbin über die vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen, insbesondere über die, die die Beklagte selbst erhalten habe, Auskunft zu geben und hierüber einen Offenbarungseid zu leisten. Die Klägerin habe auch Verdachtsgründe für eine Verheimlichung von Nachlassvermögen dargetan; mehr als die Wahrscheinlichkeit der Verheimlichung oder Verbringung des Vermögens sei nicht darzulegen, sodass auch von diesem Gesichtspunkt aus, das Klagebegehren berechtigt sei.
Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft die beklagte Partei mit einer auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision. Es wird beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsabweisung abzuändern oder die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst wendet die Revisionswerberin ein, das Berufungsgericht sei an seine im Aufhebungsbeschluss ON 38 d. A. vertretene Rechtsansicht gebunden, habe sich aber nicht daran gehalten. Da die Klägerin zu einem Viertel Erbin sei, werde ihr Pflichtteil durch die Erbquote als abstrakter Anteil am ganzen Nachlass gedeckt, weil als Erben zwei eheliche Kinder des Erblassers in Betracht kämen.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig.
Der verkürzte Noterbe kann die Herausgabe der Geschenke, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, auch dann verlangen, wenn ihm als Erben der Nachlass oder eine Quote desselben eingeantwortet wurde, soferne seine Erbportion den Wert des ihm unter Anrechnung der Schenkungen nach § 785 ABGB gebührenden Pflichtteiles nicht erreicht, dieser somit verkürzt wäre (SZ XXIII 232). Es kommt also - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - nicht darauf an, ob die in Bruchform ausgedrückte Höhe des Erbteiles den in einem Bruchteil des Nachlasses zum Ausdruck gebrachten Pflichtteil deckt, sondern es ist entscheidend, ob der Pflichtteil bei Berücksichtigung der Schenkungen im Sinne des § 785 ABGB in concreto einen höheren Wert hätte als die Erbportion. Letzteres ist aber vorliegend der Fall. Soweit die Klägerin die Angabe der Schenkungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten gemacht hat, begehrt, besteht nach dem Gesagten somit eine Auskunft und Beeidigungspflicht der Beklagten (vgl SZ XI 214). Dass das Berufungsgericht von seiner im Aufhebungsbeschluss vertretenen Ansicht, die frei von einem Rechtsirrtum ist, abgewichen wäre, trifft nicht zu.
Weiter wird unter dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO vorgebracht, das Klagebegehren sei entgegen der Vorschrift des § 226 ZPO zu unbestimmt, das im Sinne dieses Begehrens ergangene Urteil nicht exekutionsfähig und die Leistung, zu der verurteilt worden sei, nicht erkennbar. Nach dem Urteil stehe nicht fest, was die Beklagte anzugeben habe, zumal gemäß § 785 ABGB nicht alle Geschenke, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, bei der Berechnung des Pflichtteils in Anschlag zu bringen seien. Durch den Ausspruch des Gerichtes müsse festgestellt werden, welche Geschenke anzugeben seien und es dürfe dies nicht dem Schuldner überlassen bleiben. Auch mit diesen Ausführungen ist die Revisionswerberin nicht im Recht.
Gemäß § 226 Abs 1 ZPO hat die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Dieser Bestimmung wird der Urteilsantrag der Klägerin, der sinngemäß dahingeht, die Beklagte sei schuldig anzugeben, was ihr vom Nachlassvermögen nach Rudolf P*****, einschließlich der bei der Berechnung des Pflichtteils diesem Vermögen zuzuzählenden Schenkungen, und was ihr von der Verschweigung dieses Vermögens bekannt sei, und sie sei ferner schuldig, diese Angabe durch einen Eid zu bekräftigen, durchaus gerecht. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb das diesem Begehren stattgebende Urteil des Erstgerichtes nicht exekutionsfähig sein sollte. Wenn die Revision vermeint, die Klägerin hätte die Schenkungen, deren Bekanntgabe sie begehrt, näher bezeichnen müssen, so wird übersehen, dass gerade die Ungewissheit der Klägerin über das in Frage kommende Vermögen die Voraussetzung ihrer Klage nach Art XLII EGzZPO ist, weil anderenfalls sofort mit einer Klage auf Ausfolgung des Vermögens vorgegangen werden könnte. Soweit die Revisionswerberin zu bedenken gibt, es seien bei der Berechnung des Pflichtteils gemäß § 785 ABGB nicht alle Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht habe, zu veranschlagen, ist ihr darauf zu erwidern, dass es bei der Erbringung der Leistung, zu der sie verurteilt wurde, ihr unter ihrer Verantwortung überlassen bleiben muss, zu beurteilen, welche Schenkung - als nach dem Gesetz in Anschlag zu bringen - sie anzugeben verpflichtet ist, zumal sie gar nicht eingewendet hat, dass sie nach dem Gesetz nicht zum Nachlass hinzuzurechnende Geschenke erhalten hat.
Da die Rechtsrügen der Revisionsweberin unbegründet sind, war der Revision der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E77673 8Ob321.65European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0080OB00321.65.0208.000Dokumentnummer
JJT_19660208_OGH0002_0080OB00321_6500000_000