TE OGH 1966/2/10 6Ob12/66

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.1966
beobachten
merken

Norm

EO §394 (1)
JN §99

Kopf

SZ 39/28

Spruch

Bei nachträglicher Zurückweisung der auf § 99 JN. gestützten Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit ist keiner der drei Fälle des § 394

(1) EO. gegeben

Entscheidung vom 10. Februar 1966, 6 Ob 12/66

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Gestützt auf den Gerichtsstand des Vermögens, brachte die klagende Partei am 28 März 1964 beim Erstgericht eine Klage auf Zahlung von 8821.35 US-Dollar samt Zinsen, teils für Warenlieferungen, teils aus dem Titel des Schadenersatzes ein und verband damit den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Nach Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung wurde die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes zurückgewiesen.

Gemäß § 394 EO. erkannte das Erstgericht die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei den Betrag von 27.949.16 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 95.158 S sowie das Kostenbegehren beider Parteien wurde abgewiesen. Hiezu führte das Erstgericht aus:

Gemäß § 394 EO. habe die gefährdete Partei dem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der Anspruch, für den die Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt werde, wenn ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweise oder wenn sie die Klagefrist versäume; die Höhe des Ersatzbetrages bestimme das Gericht auf Antrag nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO.).

Im vorliegenden Fall sei zwar der klagenden Partei der Anspruch, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, nicht aberkannt, doch sei die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes zurückgewiesen worden. Damit sei dargetan, daß auch das Ansuchen wegen Erlassung der einstweiligen Verfügung ungerechtfertigt war. Sie hätte vom Prozeßgericht nicht bewilligt werden können, wenn die klagende Partei nicht das Vorliegen des Vermögensgerichtsstandes behauptet hätte. Die klagende Partei habe also die einstweilige Verfügung nur erwirkt, indem sie zu Unrecht die Zuständigkeit des Erstgerichtes behauptete. Daher müsse sie gemäß § 394 EO. für die der beklagten Partei hiedurch verursachten Vermögensnachteile Ersatz leisten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Ersatzbegehren der beklagten Partei zur Gänze abwies und der klagenden Partei die Verfahrenskosten beider Instanzen zusprach.

Hiezu führte das Rekursgericht im wesentlichen aus:

Von den Fällen des § 394 EO. scheide die rechtskräftige Aberkennung des Klagsanspruches sowie die Versäumung der Klagefrist von vornherein aus. Daß sich das Ansuchen sonst als ungerechtfertigt erweist, treffe dann zu, wenn der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vom Anfang an ungerechtfertigt gewesen sei. Dies könne im Falle der Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit nicht angenommen werden. Die Zuständigkeit des Gerichtes für die Bewilligung der einstweiligen Verfügung hänge nur davon ab, daß der Prozeß im Zeitpunkt des Antrages anhängig sei. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nicht schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil er im Zusammenhang mit einer Klage gestellt wurde, die später zurückgewiesen wurde.

Die Zurückweisung der Klage bilde auch keinen der in der Exekutionsordnung angeführten Gründe für die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung. Der einzige für den gegebenen Sachverhalt in Betracht kommende Tatbestand, nämlich die Bestimmung des § 399

(1) Z. 4 EO., verlange, daß der Anspruch der gefährdeten Partei berichtigt, rechtskräftig aberkannt oder sein Erlöschen rechtskräftig festgestellt wurde, daß also sachlich über ihn entschieden wurde.

§ 394 EO. sei eine Ausnahmebestimmung, die ein besonderes Verfahren zur erleichterten Geltendmachung eines bestimmten Schadenersatzanspruches regle. Ausnahmebestimmungen seien einschränkend auszulegen, nicht aber durch Ähnlichkeitsschluß zu erweitern.

Der Rekurs der klagenden Partei sei somit in der Hauptsache berechtigt, er sei es aber auch im Kostenpunkt, da zufolge §§ 402, 78 EO. auf das Verfahren nach § 394 EO. die Bestimmungen der §§ 41 ff. ZPO. anzuwenden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 394 EO. hat der Sicherungswerber dem Gegner für alle durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der behauptete Anspruch, für den die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wurde, wenn sich das Ansuchen sonst als ungerechtfertigt erweist oder wenn der Sicherungswerber die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bewilligte Frist versäumt. Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, scheiden der erste und der dritte Fall von vornherein aus, da der Anspruch der klagenden Partei nicht rechtskräftig aberkannt wurde, sie aber auch keine Klagefrist versäumt hat.

Der Anspruch der beklagten Partei könnte sich daher nur auf den zweiten Fall stützen, nämlich, daß sich das Ansuchen der klagenden Partei um Erlassung einer einstweiligen Verfügung sonst als ungerechtfertigt erwiesen hätte. Dieser Fall ist nach Neumann - Lichtblau (Komm. zur EO. S. 1255) dann gegeben, wenn der bewilligende Beschluß infolge Rekurses oder infolge des Widerspruches auf Grund des Ergebnisses der über den Widerspruch gepflogenen mündlichen Verhandlung aufgehoben wird oder, wenn die einstweilige Verfügung sich deshalb als ungerechtfertigt herausstellt, weil der Anspruch zur Zeit der Bewilligung der einstweiligen Verfügung bereits rechtskräftig aberkannt, berichtigt oder erloschen war. Der Umstand, daß die Klage, mit der die einstweilige Verfügung verbunden war, nachträglich wegen Nichtvorliegens des geltend gemachten Vermögensgerichtsstandes, somit wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen wird, fällt nicht unter diese Aufzählung. Er kann auch nicht hierunter subsumiert werden, da deswegen, weil das angerufene Gericht nicht zuständig ist, nicht gesagt werden kann, daß sich das Ansuchen als ungerechtfertigt erwiesen hätte. Dies umsoweniger, als das Gericht, bei dem die Klage anhängig gemacht wurde, so lange für die Erlassung und weitere Behandlung der einstweiligen Verfügung zuständig bleibt, bis der Rechtsstreit rechtskräftig beendet ist (Neumann - Lichtblau a. a. O. S. 1231, SZ. XXI 78). Gemäß § 387 (1) EO. genügt nämlich für die Zuständigkeit zur Erlassung der einstweiligen Verfügung der Umstand, daß der Prozeß anhängig ist. Daß bei Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit das Ansuchen nicht als "sonst ungerechtfertigt" bezeichnet werden kann, ergibt sich auch daraus, daß die einstweilige Verfügung auch ohne Klageerhebung beim Gerichtsstand nach § 387 (2) EO. hätte beantragt werden können. Vom Gesichtspunkt der Zuständigkeit aus wurde demnach die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen, sodaß die nachträgliche Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit keine Ersatzpflicht der klagenden Partei nach § 394 EO. begrundet.

Der hier vorliegende Fall der Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit fällt demnach unter keinen der Fälle des § 394 EO. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß diese Bestimmung eine Sondernorm für die rasche Entscheidung von Ersatzansprüchen darstellt, als Sondernorm keiner ausdehnenden Auslegung zugänglich ist und daher auf den gegebenen Fall auch nicht analog angewendet werden kann. Schon gar nicht aber kann der Mangel der Voraussetzungen durch die Handhabung des § 273 ZPO. ersetzt werden, da diese Gesetzesstelle nach § 394 (1) EO. nur für die Bemessung der Höhe des Ersatzes anzuwenden ist (4 Ob 358/64).

Anmerkung

Z39028

Schlagworte

Einstweilige Verfügung, kein Ersatzanspruch nach § 394 EO. bei, nachträglicher Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit, Ersatzanspruch nach § 394 EO., kein - bei nachträglicher Zurückweisung, der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit, nachträglicher Zurückweisung der auf den Gerichtsstand gestützten Klage, wegen örtlicher Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0060OB00012.66.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19660210_OGH0002_0060OB00012_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten