TE OGH 1966/2/16 7Ob35/66

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.02.1966
beobachten
merken

Norm

Außerstreitgesetz §16
Personenstandsgesetz §49 (2)

Kopf

SZ 39/30

Spruch

Durch die Bestimmung des § 49 (2) PersStG. wird der Aufsichtsbehörde kein über die Anfechtungsgrunde des § 16 AußStrG. hinausgehendes Beschwerderecht eingeräumt

Entscheidung vom 16. Februar 1966, 7 Ob 35/66

I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch

Text

Der am 31. August 1935 geborene Werner N. und die am 7. Februar 1935 geborene Maria Helene L. haben am 9. Oktober 1956 vor dem römischkatholischen Pfarramt in R. die Ehe geschlossen. Der Bräutigam war liechtensteinischer Staatsangehöriger, die Braut österreichische Staatsangehörige. Diese Eheschließung wurde vom Fürstentum Liechtenstein anerkannt, die Frau hat dadurch die liechtensteinische Staatsbürgerschaft erworben. Am 24. September 1960 hat Maria Helene L., verehelichte N., in B. ein Kind geboren, das im Geburtenbuch des Standesamtes B. mit dem Vornamen Karlheinz als ehelicher Sohn der Maria Helene N., geb. L., und des Werner N. eingetragen wurde.

Die Bezirkshauptmannschaft B. beantragt die Berichtigung dieser Geburtseintragung dahin, daß das Kind als unehelich eingetragen werde, weil die vor dem römisch-katholischen Pfarramt allein geschlossene Ehe für den österreichischen Rechtsbereich nicht wirksam zustande gekommen sei.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, die Frage der Ehelichkeit eines in Österreich geborenen Kindes sei nach dem Heimatrecht des Vaters zu beurteilen. Da der Vater zur Zeit der Geburt des Kindes liechtensteinischer Staatsangehöriger gewesen sei, die Eheschließung der Kindeseltern dort anerkannt werde und das Kind daher nach diesem Recht als ehelich gelte, sei es von dem österreichischen Standesamt zu Recht als ehelich beurkundet worden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, nach internationalem Privatrecht gelte als Regel, daß die Ehelichkeit eines Kindes nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen sei, dem der Vater zur Zeit der Geburt des Kindes angehört habe. Während des aufrechten Bestandes einer Ehe von der Gattin geborene Kinder gelten nach liechtensteinischem Recht aber als ehelich.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft B. zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Bezirkshauptmannschaft B. bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit der Begründung, die Vorfrage, ob die Eltern des Kindes rechtswirksam verehelicht seien, sei nicht nach dem Abstammungsstatut des § 9 der 4. DVzEheG., sondern nach dem Eheschließungsstatut des § 6 dieser Verordnung zu lösen. Die Kindeseltern hätten bei der Eheschließung die Formvorschrift des § 15 EheG. nicht eingehalten; die vor dem römisch-katholischen Pfarramt geschlossene Ehe sei für den österreichischen Rechtsbereich nicht gültig zustande gekommen; das von Maria Helene L. geborene Kind gelte daher als unehelich.

Dieser ao. Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Nach § 48 PersStG. finden auf das gerichtliche Verfahren in Personenstandssachen die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen entsprechende Anwendung. Demnach ist, da konforme Beschlüsse der Untergerichte vorliegen, nur der ao. Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG., also wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit, zulässig. In verschiedenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (SZ. XXV 205, SZ. XXVIII 106 u. a.) wurde zwar aus der Bestimmung des § 49 (2) PersStG., wonach der Aufsichtsbehörde ein Beschwerderecht in jedem Fall zusteht, abgeleitet, daß der Aufsichtsbehörde auch gegen konforme Beschlüsse ein über die Anfechtungsgrunde des § 16 AußStrG. hinausgehendes Beschwerderecht eingeräumt werde. Diese Ansicht kann aber nicht aufrechterhalten werden. Die Bestimmung des Abs. 2 des § 49 PersStG. kann nicht für sich allein, sondern nur im Zusammenhang mit der Bestimmung des Abs. 1 und des deutschen Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG.) beurteilt werden, da es sich bei dem Personenstandsgesetz um ein deutsches Gesetz handelt. Nach der allgemeinen Regel des § 20 (1) FGG. ist jeder, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt wird, beschwerdeberechtigt. Absatz 2 schränkt das dahin ein, daß nur der Antragsteller beschwerdeberechtigt ist, wenn die Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen wird. Es ist also nicht jeder Beteiligte beschwerdeberechtigt, nämlich der nicht, dessen Antrag das Gericht schon stattgegeben hat. Dagegen kann die Aufsichtsbehörde stets Beschwerde erheben, selbst wenn ihrem Antrag entsprochen wurde. Sie kann bei erneuten Erwägungen auch einen anderen Standpunkt einnehmen als zuvor. Durch § 49 (2) PersStG. sollte also nur die Legitimation der Aufsichtsbehörde zur Ergreifung eines Rechtsmittels geregelt werden, ihr aber nicht über die Bestimmungen des § 16 AußStrG. hinaus ein Beschwerderecht zuerkannt und sie dadurch gegenüber anderen Beschwerdeberechtigten bevorzugt werden (Stölzel, Personenstandsgesetz[6], S. 314 ff.).

Im Revisionsrekurs wird keiner der im § 16 AußStrG. genannten Anfechtungsgrunde geltend gemacht. Auch die Geltendmachung einer offenbaren Gesetzwidrigkeit kann den Ausführungen nicht entnommen werden. Eine solche liegt nur dann vor, wenn eine Frage im Gesetz selbst so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine gegenteilige Entscheidung gefällt wurde oder wenn die Entscheidung den Grundprinzipien des Rechtes widerspricht. Die Ansicht, die Frage der Ehelichkeit eines Kindes und die Vorfrage der Gültigkeit der Ehe der Kindeseltern sei nach dem Heimatrecht des Kindesvaters, zu beurteilen, verstößt weder gegen die Grundprinzipien des Rechts noch gegen eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, weshalb keine offenbare Gesetzwidrigkeit vorliegt.

Da keiner der im § 16 AußStrG. angeführten Gründe, aus denen ein AO. Revisionsrekurs zulässig ist, geltend gemacht wurde, war das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Anmerkung

Z39030

Schlagworte

Aufsichtsbehörde, Beschwerderecht der - nach § 49 (2) PersStG., Beschwerderecht der Aufsichtsbehörde nach § 49 (2) PersStG., Personenstandssachen, Beschwerderecht der Aufsichtsbehörde nach § 49, (2) PersStG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0070OB00035.66.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19660216_OGH0002_0070OB00035_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten