TE OGH 1966/3/3 2Ob56/66

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Veröffentlicht am 03.03.1966
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Norm

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §3 Z2
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)

Kopf

SZ 39/43

Spruch

Im allgemeinen bedarf es nicht einer ausdrücklichen Geltendmachung der Halterhaftung neben der Verschuldenshaftung. Da aber die Klägerin vom Kraftfahrzeug des Beklagten befördert wurde und die Halterhaftung daher nur mit der Einschränkung nach § 3 Z. 2 EKHG. zur Anwendung kommt, hätte es einer ausdrücklichen Inanspruchnahme der Halterhaftung bedurft, um das Gericht zu veranlassen, zu prüfen, ob nicht dennoch die Voraussetzungen für die Halterhaftung gegeben sind

Entscheidung vom 3. März 1966, 2 Ob 56/66

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck

Text

Die Klägerin wurde am 7. Juni 1962 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Sie fuhr damals als Sozia auf dem vom Beklagten, ihrem nunmehrigen Ehegatten, gelenkten Motorroller. Sie wurde vom linken hinteren Teil eines entgegenkommenden PKW am linken Unterschenkel gestreift. Die Klägerin begehrt vom Beklagten ein Schmerzengeld von 10.000 S, ferner als Ersatz für Verdienstentgang 7744 S und für Sachschäden 176 S. Mit dem Leistungsbegehren verband sie ein Feststellungsbegehren.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte unter anderem fest: Der Beklagte fuhr auf der etwa 3 m breiten Straße, deren Rollkiesbelag bis zu 7 cm tiefe Fahrtrinnen aufwies, mit einer Geschwindigkeit von rund 20 km/h. Infolge einer Rechtskurve und einer am rechten Straßenrand befindlichen Hecke bestand nur auf etwa 10 m Sicht. Als der Beklagte den entgegenkommenden PKW bemerkte, wich er auf den rechts der Fahrbahn befindlichen Rasenstreifen aus und verringerte die Geschwindigkeit. Obwohl der Beklagte auch noch bei der Begegnung mit dem PKW auf dem Rasenstreifen knapp neben der Fahrbahn fuhr, streifte der linke hintere Teil des PKW den linken Unterschenkel der Klägerin. Der Erstrichter hielt es für möglich, daß der PKW beim Bremsen auf dem rutschigen Rollkies geringfügig seitwärts verrutschte. Die Behauptung, daß der Motorroller eine Schleuderbewegung ausgeführt habe oder daß die Klägerin das Gleichgewicht verloren habe, hielt der Erstrichter auf Grund der Beweisergebnisse für widerlegt. Der Erstrichter war der Ansicht, den Unfall habe allein der Lenker des entgegenkommenden PKW zu verantworten, der nicht seine rechte Fahrbahnseite eingehalten und einen Blutalkoholgehalt von 1.5% aufgewiesen habe. Ein Verschulden des Beklagten sei nicht nachgewiesen.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Ausführungen der Klägerin, dem Beklagten sei zum Vorwurf zu machen, daß er nicht weit genug ausgewichen sei, ist entgegenzuhalten, daß der Beklagte, wie die Klägerin selbst noch in der Revision als richtig zugibt, ohnehin sofort, als er den entgegenkommenden PKW sah, auf den neben der Fahrbahn befindlichen Rasenstreifen ausgewichen ist. Von einem Verschulden des Beklagten in der angeführten Richtung kann bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden.

Entgegen der Meinung der Klägerin kann ein Verschulden des Beklagten auch nicht darin gefunden werden, daß er nicht vor der Begegnung angehalten hat. Befand sich der Beklagte, wie festgestellt wurde, im Zeitpunkt der Begegnung außerhalb der Fahrbahn, dann mußte er nicht von vornherein befürchten, der entgegenkommende PKW werde auf der 3 m breiten Fahrbahn nicht anstandslos vorbeikommen. Der Beklagte durfte darauf vertrauen, der PKW werde während der Begegnung zumindest nicht noch weiter nach links kommen, zumal der Lenker des PKW, wie festgestellt wurde, ohne weiteres weiter gegen seine rechte Fahrbahnseite zu hätte ausweichen können. Den Vorinstanzen ist daher darin beizupflichten, daß Umstände, aus denen ein Verschulden des Beklagten abgeleitet werden könnte, nicht nachgewiesen sind.

Damit erweisen sich zunächst einmal das Schmerzengeldbegehren und das Feststellungsbegehren insoweit, als es eine Verschuldenshaftung zur Voraussetzung hätte, als unbegrundet.

Die in den Bestimmungen des Eisenbahnkraftfahrzeughaftpflichtgesetzes begrundete Halterhaftung könnte allerdings nicht damit abgetan werden, es sei ein Verschulden des Beklagten nicht nachgewiesen. Denn die Halterhaftung hat den Nachweis eines Verschuldens nicht zur Voraussetzung. Es bedarf auch im allgemeinen nicht einer ausdrücklichen Geltendmachung der Halterhaftung neben der Verschuldenshaftung. Im vorliegenden Fall darf aber nicht übersehen werden, daß die Klägerin durch den Motorroller des Beklagten befördert wurde, die Halterhaftung des Beklagten daher nur mit den sich aus § 3 Z. 2 EKHG. ergebenden Einschränkungen zur Anwendung kommt. Unter diesen Umständen hätte es einer ausdrücklichen Inanspruchnahme der Halterhaftung bedurft, um so das Gericht zu veranlassen, auf eine Prüfung der Frage einzugehen, ob nicht dennoch die Voraussetzungen für die Halterhaftung gegeben sind. Die Klägerin hat aber weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Rechtsmittelverfahren eine von der Verschuldenshaftung unabhängige Halterhaftung in Anspruch genommen. Ein Anlaß zu einer weiteren Klärung der Frage, ob allenfalls die Halterhaftung mit Erfolg hätte in Anspruch genommen werden können, kann unter diesen Umständen nicht gefunden werden.

Anmerkung

Z39043

Schlagworte

Haftung des Kraftfahrzeughalters nach § 3 Z. 2 EKHG., Geltendmachung, neben Verschuldenshaftung, Halterhaftung nach § 3 Z. 2 EKHG., Geltendmachung neben, Verschuldenshaftung, Kraftfahrzeugunfall, Geltendmachung der Halterhaftung neben der, Verschuldenshaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0020OB00056.66.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19660303_OGH0002_0020OB00056_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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