TE OGH 1966/3/30 7Ob59/66

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Veröffentlicht am 30.03.1966
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Norm

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §6 (3)
Versicherungsvertragsgesetz §68 (2)

Kopf

SZ 39/59

Spruch

Nach § 68 (2) VersVG. gebührt dem Versicherer die Prämie bis zum Zeitpunkt der Kenntnis des Wegfalles des Interesses; nach § 6 (3) AKB. bis zum Wagniswegfall selbst

Entscheidung vom 30. März 1966, 7 Ob 59/66

I. Instanz: Bezirksgericht Braunau; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis

Text

Die Beklagte war Eigentümerin eines Kombiwagens Steyr-Fiat 500 C, zwischen ihr und der klagenden Versicherungsgesellschaft bestand darüber ein Haftpflichtversicherungsverhältnis.

Ab 23. Oktober 1962 war eine Vierteljahrsprämie von 288 S zu entrichten.

Am 31. März 1964 veranlaßte die Beklagte die Verschrottung des Wagens und meldete diesen am gleichen Tag bei der Bezirkshauptmannschaft ab. Letztere verfügte sogleich die Verständigung der Klägerin von der Verschrottung.

Das Erstgericht bemerkt, eine genaue Feststellung, ob die Klägerin die Verständigung der Bezirkshauptmannschaft vom 31. März 1964 erhalten habe oder nicht, sei bei den vorliegenden Beweisergebnissen nicht möglich.

Es führt aber dann noch aus, es spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß die von der Bezirkshauptmannschaft angeordnete Verständigung auch durchgeführt worden sei. Gegen die Behauptung der Klägerin, daß sie nicht verständigt worden sei, bestunden Bedenken.

Unbestritten ist schließlich, daß die Beklagte der Klägerin auf deren Mahnung am 2. April 1965 erklärt hat, sie sei darüber erstaunt, da das Fahrzeug bereits verschrottet worden sei.

Die Klägerin bringt vor, sie sei erst durch das Schreiben vom 2. April 1965 von der Verschrottung verständigt worden, und verlangt daher Zuspruch der Prämien vom 23. Oktober 1964 und 23. Jänner 1965 im Betrag von je 288 S und den Ersatz von Spesen in der Höhe von 19 S. Die Beklagte behauptet, daß die Klägerin die Verständigung der Bezirkshauptmannschaft vom 31. März rechtzeitig erhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, daß es nicht entscheidend sei, ob die Klägerin rechtzeitig die Verständigung der Bezirkshauptmannschaft erhalten habe, weil nach § 6 (3) AKB. im Gegensatz zu § 68 (2) VersVG. die Verpflichtung zur Prämienzahlung schon mit dem Wegfall des Wagnisses aufhöre.

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 576 S, d. s. die beiden beanspruchten Prämienbeträge samt stufenweisen Zinsen. Hingegen bestätigte es die Abweisung hinsichtlich des Betrages von 19 S für Spesen. Es führte aus, daß die Bestimmung des § 6 (3) AKB. nur regle, welche Wahlmöglichkeiten der Versicherungsnehmer habe, wenn er die Prämie bereits für ein Jahr vorausbezahlt hat, vor Ablauf des Jahres das versicherte Wagnis aber wegfällt. Beide Bestimmungen, nämlich die der AKB. und die der VersVG. ließen sich nämlich in Einklang bringen. Da davon auszugehen sei, daß die Klägerin erst durch das Schreiben vom 2. April 1965 von der Verschrottung erfahren habe, habe sie bis dahin Anspruch auf Prämienzahlung. Eine Berechnung im Sinne des § 6 (3) AKB., nämlich die Zahlung nach dem Kurztarif, hätte zur Folge, daß die Beklagte 80% der Jahresprämie zu entrichten gehabt hätte, wogegen nur zwei Vierteljahresraten, also 50% verlangt wurden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil der zweiten Instanz dahin ab, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Unrecht beruft sich die Beklagte allerdings auf die Entscheidung SZ. XXXIII 9. Denn dort wird nur die Frage gelöst, unter welchen Voraussetzungen die Verpflichtung zur Prämienzahlung wegen Wegfalles des Interesses aufhört, nicht aber, ob der Zeitpunkt des Wegfalles oder der der Verständigung des Versicherers hievon maßgebend ist.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes und der Klägerin, daß zwischen den Bestimmungen des § 68 (2) VersVG. und des § 6 (3) AKB. kein Widerspruch bestehe, läßt sich mit deren Wortlaut nicht vereinen. Nach der erstgenannten Vorschrift gebührt dem Versicherer die Prämie bis zum Zeitpunkt der Kenntnis des Wegfalles des Interesses, nach der letztgenannten bis zum Wagniswegfall selbst. Es ist auch nicht richtig, daß diese bloß ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers regelte, vielmehr wird es dort auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Prämienzahlung auf den Zeitpunkt des Wegfalles des Interesses abgestellt.

Völlig klar wird die Rechtslage, wenn man die Entstehungszeit der beiden Bestimmungen miteinander vergleicht. § 6 (3) AKB. beruht letzten Endes auf der Kundmachung im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 187/140. Damals hatte § 68 VersVG. einen ganz anderen Wortlaut.

Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ordnete an, daß der Versicherer bei nachträglichem Wegfall des Interesses des Versicherungsnehmers Anspruch auf die Prämie für die ganze laufende Versicherungsperiode habe. Im Gegensatz zu der jetzigen Fassung kam es dabei aber nur auf den Zeitpunkt des nachträglichen Wegfalles und keineswegs auf den an, zu dem der Versicherer dies erfuhr. Nun erschien diese Regelung als bei Abwägung beiderseitiger Interessen nicht entsprechend, weshalb die VO. vom 6. April 1943, DRGBl. I S. 178, es auf die Kenntnis des Versicherers abstellte, anderseits aber dessen Anspruch auf Zahlung der Prämie für die laufende Periode beseitigte und die derzeitige, in dieser Hinsicht für die Versicherungsnehmer vielfach günstigere Regelung traf (Amtliche Begründung, Deutsche Justiz 1943 S. 269, Ehrenzweig ÖJZ. 1950 S. 248).

§ 6 (3) AKB. entstand aber, wie ausgeführt, zur Zeit der Geltung des früheren § 68 (2) VersVG. und konnte daher nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherers abstellen, weil damit eine gemäß § 68a VersVG. unzulässige Regelung getroffen worden wäre.

Denn es ist für den Versicherungsnehmer von Nachteil, wenn seine Verpflichtung zur Prämienzahlung erst nach Kenntnis des Versicherers vom Wegfall des Wagnisses statt mit diesem Ereignis selbst aufhört.

Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß durch § 6 (3) AKB. eine der Rechtsansicht des Erstgerichtes und der Beklagten entsprechende Regelung getroffen wurde, daß nämlich die Verpflichtung zur Prämienzahlung unabhängig von der Kenntnis des Versicherers schon mit dem Wegfall des Interesses selbst aufhören solle.

Gemäß § 68 a VersVG. ist eine vertragliche Regelung wirksam, laut der in bezug auf Gegenstände, die im § 68 behandelt werden, von dieser Bestimmung zugunsten des Versicherungsnehmers abgewichen wird. Die Versicherer haben es unterlassen, ihren Geschäftsplan unter behördlicher Genehmigung in einer der neuen Rechtslage entsprechenden Weise zu ändern. Heute wäre es ohneweiters zulässig zu vereinbaren, daß die Verpflichtung zur Prämienzahlung erst mit dem Zeitpunkt aufhört, zu dem der Versicherer den Wegfall des Interesses erfahren hat. Da nun der vorliegende Versicherungsvertrag zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abgeschlossen wurde, die gegenüber dem Gesetz für den Versicherungsnehmer günstiger sind, muß es dabei bleiben, daß dieser unabhängig von der Kenntnis des Versicherers mit dem Zeitpunkt des Wegfalles des Interesses von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie befreit ist.

Anmerkung

Z39059

Schlagworte

Interesse, Ende der Prämienzahlung nach § 68 (2) VersVG. und § 6 (3), AKB., Versicherungsprämie, Ende der Zahlung nach § 68 (2) VersVG. und § 6 (3), AKB., Versicherungsvertrag, Ende der Prämienzahlung nach § 68 (2) VersVG. und, § 6 (3) AKB., Wagnis, Ende der Prämienzahlung nach § 68 (2) VersVG. und § 6 (3) AKB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0070OB00059.66.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19660330_OGH0002_0070OB00059_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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