Norm
Außerstreitgesetz §127 (1)Kopf
SZ 39/67
Spruch
Im Falle des "Innehaltens" ist der weitere Gang des Verlassenschaftsverfahrens auf Verfügungen beschränkt. Die der Inventarisierung oder Sicherung des Nachlasses dienen
Entscheidung vom 6. April 1966, 6 Ob 105/66
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
In Punkt 2 des Beschlusses vom 20. Oktober 1965 verfügte das Erstgericht, infolge fristgerechter Erbrechtsklage durch den erblasserischen Witwer Karl K., werde gemäß § 127 (1) AußStrG. mit der Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Landesgericht für ZRS. Wien überreichte Klage innegehalten.
Im Testament vom 2. Dezember 1963 hatte die Erblasserin u. a. folgendes angeordnet:
"Ich stelle weiters fest, daß mir zwei Modewarengeschäfte gehören, und zwar in Wien IX., A.-Straße 2, und A.-Straße 10. Diese Geschäfte sind beide verpachtet an Frau Elise D., Geschäftsfrau in Wien. Diese beiden Geschäfte sind von meinen Erben nach meinem Tode an Frau Elise D. zu verkaufen, und zwar um den bereits vereinbarten Kaufpreis von 300.000 S (Schilling dreihunderttausend) für beide Geschäfte. Dieser Mindestkaufpreis ist auf der Grundlage des VPI. I des österreichischen statistischen Zentralamtes wertgesichert.
In dem gleichen Maße in dem sich dieser vom heutigen Tage an bis zum Verkauf an Frau D. erhöht oder vermindert, erhöht oder vermindert sich auch dieser vereinbarte Kaufpreis. Der Verkaufserlös gehört in den Nachlaß und ist zu gleichen Teilen auf meine Erben aufzuteilen."
In Punkt 2 zweiter Absatz des Beschlusses vom 12. November 1965, verfügte das Erstgericht wie folgt:
"Der Verlassenschaftskurator Dr. Karl K., Rechtsanwalt, wird abhandlungsbehördlich ermächtigt, im Sinne der letztwilligen Anordnung vom 2. Dezember 1963, die erblasserischen Modewarengeschäfte in Wien A.-Straße 2 und A.-Straße 10, nach Maßgabe folgender Bedingungen und Sicherheiten zu veräußern: a) Erlag des Kaufpreises bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien zur A. Z. V. HMB .../65; b) Abfassung und Errichtung des gegenständlichen Kaufvertrages durch den Gerichtskommissär; c) Berechnung des Kaufpreises im Sinne der letztwilligen Anordnung vom 2. Dezember 1963 (300.000 S bezogen auf den Stichtag 2. Dezember 1963 zuzüglich der sich nach Maßgabe der Veränderung des Verbraucherpreisindex I des Österreichischen Statistischen Zentralamtes ergebenden Erhöhung oder Verminderung des Betrages von 300.000 S); Zentralamtes ergebenden Erhöhung oder Verminderung des Betrages von 300.000 S); d) Unterfertigung des Kaufvertrages vorbehaltlich der abhandlungsbehördlichen Genehmigung.
Über die Durchführung ist binnen sechs Wochen zu berichten."
Diese Verfügung des Erstgerichtes wurde vom Witwer der Erblasserin mit Rekurs bekämpft.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge. Es änderte die erstgerichtliche Beschlußfassung dahin ab, daß es eine Ermächtigung des Verlassenschaftskurators, die erwähnten Modewarengeschäfte zu veräußern, versagte und behob die weiteren Verfügungen, soweit sie unter Punkt 2 a bis d des erstgerichtlichen Beschlusses erfolgten. Während des Innehaltens mit der Verlassenschaftsabhandlung (§ 127
(1) AußStrG.) sei es unzulässig, so einschneidende Maßnahmen zu treffen, wie die Veräußerung wichtigster Nachlaßteile. Zu einer Veräußerung der Geschäfte hätten die in Frage kommenden Erben gehört werden und die Sache auch sonst rechtlich und sachlich erörtert werden müssen. Solche Verfügungen und Erörterungen aber seien während des Innehaltens nicht am Platz.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es trifft zwar zu, daß gemäß § 145 AußStrG. der Verlassenschaftskurator mit Genehmigung des Gerichtes Güter und Fahrnisse auch während der Dauer der Verlassenschaftsabhandlung veräußern kann. Doch kann keine Rede davon sein, daß diese Vorschrift durch eine gemäß § 127 (1) 1. Satz AußStrG. ergangene Verfügung nicht berührt werde. Wenn gemäß § 127 (1) 1. Satz AußStrG. mit der weiteren Verlassenschaftsabhandlung "innezuhalten ist", so soll damit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erbrechtsklage und daher bis zur endgültigen Klärung der Frage, welches der widerstreitenden Erbrechte als im Verlassenschaftsverfahren ausgewiesen angesehen werden kann, ein Zustand des Abwartens herbeigeführt werden. Die Bestimmung des § 127
(1) 1. Satz AußStrG. wäre wenig sinnvoll, wenn dadurch für das Stadium "des Innehaltens" ein weiterer Gang des Verlassenschaftsverfahrens nicht auf ein Minimum, und zwar nur auf solche Verfügungen beschränkt sein sollte, die bloß der Inventarisierung (ZBl. 1922 Nr. 88, SZ. VI 215, 3 Ob 297/54) oder in anderer Weise der näheren Feststellung des Standes des Nachlasses zur Zeit des Todes des Erblassers oder der Sicherung des Nachlasses dienen. Bedeutsamen Verfügungen, wie etwa der im konkreten Fall angestrebten Unternehmensveräußerung, steht die Bestimmung des § 127
(1) 1. Satz AußStrG. jedenfalls entgegen. Die für den angestrebten Verkauf vom Kurator herangezogene Begründung hat nicht etwa Sicherungsmaßnahmen gegen eine Wertminderung des Nachlasses zum Gegenstand, sondern stellt ausschließlich auf die letztwillige Anordnung im Testamente vom 2. Dezember 1963 ab. Eben dieses Testament aber ist Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites, bis zu dessen Entscheidung mit der Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens innegehalten wurde. Daß diese Anordnung rite erfolgte und gültig ist, kann daher nicht vorweggenommen werden. Auch könnte eine gerichtliche Ermächtigung zum Verkauf von Nachlaßgegenständen nur dann erfolgen, wenn dadurch nicht Interessen von am Nachlaß beteiligten Personen verletzt werden (JBl. 1948 S. 389). Diese Frage aber kann abschließend erst gelöst werden, wenn auf Grund der Entscheidung über die Erbrechtsklage feststeht, welcher von den Erbrechtsstreitteilen überhaupt als derjenige anzusehen ist, dessen rechtliche Interessensphäre durch die in Betracht kommende Maßnahme berührt werden könnte.
Anmerkung
Z39067Schlagworte
Innehalten des Verlassenschaftsverfahrens, Verlassenschaftsverfahren, Innehalten des -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0060OB00105.66.0406.000Dokumentnummer
JJT_19660406_OGH0002_0060OB00105_6600000_000