Norm
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5Kopf
SZ 39/99
Spruch
Mithaltereigenschaft der Ehefrau, die Miteigentümerin des Kraftfahrzeuges ist, das auf ihren Namen polizeilich zugelassen und haftpflichtversichert ist, obgleich ausschließlich der Mann fährt, der auch sämtliche Kosten trägt
Entscheidung vom 26. Mai 1966, 2 Ob 144/66
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Beim Zusammenstoß mit einem vom Zweitbeklagten gelenkten PKW, Marke Peugeot 404, wurde das Taxi der Erstklägerin beschädigt. Unter Inanspruchnahme der Solidarhaftung der Erstbeklagten wegen ihrer Haltereigenschaft und des Zweitbeklagten - des Ehegatten der Erstbeklagten - als am Zusammenstoß schuldtragenden Lenkers begehrte die Erstklägerin den Ersatz ihres Verdienstentganges (wegen der durch die Reparatur bedingten Stehzeit), während der Zweitkläger die ihm von der Erstklägerin zedierte Forderung auf Ersatz der Reparaturkosten geltend macht.
Das Erstgericht gab der Klage gegen den Zweitbeklagten im wesentlichen statt. Gegenüber der Erstbeklagten wies es die Klage ab. Der Zweitbeklagte sei nicht nur allein am Zusammenstoß schuld, sondern sei auch als Fahrzeughalter anzusehen, weshalb er sowohl nach Kraftfahrzeughaftpflichtrecht wie auch nach bürgerlichem Recht hafte.
Das mit Berufung nur von den Klägern angerufene Berufungsgericht verurteilte in Abänderung des Ersturteils die Erstbeklagte zur ungeteilten Hand mit dem Zweitbeklagten zur Zahlung von 270 S an die Erstklägerin und von 580 S an den Zweitkläger. Es bejahte die Haltereigenschaft auch bezüglich der Erstbeklagten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der erstbeklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Im Revisionsverfahren ist allein strittig die Haltereigenschaft der Erstbeklagten. Diesfalls steht fest:
Der Wagen Peugeot 404 steht im Miteigentum der beiden Beklagten. Er war zur Zeit des Schadensfalles für die Erstbeklagte zum Verkehr zugelassen, doch fährt mit ihm ausschließlich der Zweitbeklagte, der auch sämtliche mit der Wagenhaltung verbundenen Kosten und Spesen trägt.
Die Revision wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Erstbeklagte sei als Mithalterin deshalb anzusehen, weil sie Miteigentümerin sei, auf die auch die Zulassung und die Versicherung laute, und weil keine erheblichen Gründe (im Sinn der in ZVR. 1957 Nr. 28 veröffentlichten Entscheidung) gegen die Haltereigenschaft der Erstbeklagten sprächen.
Die Erstbeklagte führt die Rechtsrüge dahin aus, daß die Frage einer Mithaltereigenschaft erst dann zu prüfen sei, wenn nicht die beiden in ständiger Rechtsprechung für die Haltereigenschaft geforderten Kriterien, nämlich des Gebrauches des Fahrzeuges für eigene Rechnung und der Verfügungsgewalt, auf eine bestimmte Person zuträfen. Dem Ehegattenverhältnis zwischen den beiden Beklagten komme für die Haltereigenschaft der Erstbeklagten ebensowenig Bedeutung zu wie dem Miteigentum der Erstbeklagten an dem Fahrzeug.
Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.
Mit Lehre und Rechtsprechung ist von der bereits von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht auszugehen, daß Halter gemäß § 5 EKHG. ist, wer das Fahrzeug zur Zeit des Schadensfalles für eigene Rechnung in Gebrauch hat und diejenige Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Daß auch mehrere Personen gleichzeitig nebeneinander Halter sein können, wenn auf jeden von ihnen beide Voraussetzungen zutreffen, ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß[12] 19, 6). Ein Miteigentümer kann die Verfügungsgewalt - dieser Begriff wird in der Rechtsprechung weit ausgelegt (vgl. Geigel a. a. O. 19, 10) - über das Fahrzeug auch dadurch ausüben, daß er den ihm auf Grund seines Eigentumsrechtes zustehenden Gebrauch einem anderen überläßt (RG. 127, 176). Die Haltereigenschaft wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß ein anderer einen wesentlichen Teil der Betriebsausgaben bestreitet (Floegel - Hartung, Straßenverkehrsrecht[15] S. 1471). Es entspricht einer lebensnahen Betrachtung anzunehmen, daß ein Gattenteil, für den ein in seinem Miteigentum stehendes Kraftfahrzeug zugelassen ist und der - wie hier - als Vertragspartner des Haftpflichtversicherers in Erscheinung tritt, dieses Fahrzeug, und sei es auch nur etwa fallweise, zu Vergnügungs- oder Bequemlichkeitsfahrten benützt. Sollte aber im speziellen Fall aus nicht festgestellten Gründen die Erstbeklagte davon absehen, ihre Rechte an dem Fahrzeug wirklich praktisch auszuüben, so ist sie gleichwohl als Mithalterin anzusehen, weil auf Grund der vorliegenden Tatsachenfeststellungen davon auszugehen ist, daß sie sowohl die (auf das Miteigentum gegrundete) rechtliche als auch die (durch die Überlassung an den Zweitbeklagten ausgeübte) tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat (vgl. Floegel - Hartung a. a. O., S. 1473).
Das im Ergebnis richtige Urteil des Berufungsgerichtes war daher zu bestätigen.
Anmerkung
Z39099Schlagworte
Ehegattin, Mithaltereigenschaft, Haftpflicht, Ehegattin als Mithalter eines Kraftfahrzeuges, Kraftfahrzeug, Mithalter, Ehegattin, Mithalter eines Kraftfahrzeuges, EhegattinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0020OB00144.66.0526.000Dokumentnummer
JJT_19660526_OGH0002_0020OB00144_6600000_000