TE OGH 1966/6/15 6Ob197/66

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Veröffentlicht am 15.06.1966
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Norm

Mietengesetz §19 (2) Z11

Kopf

SZ 39/109

Spruch

Die Ehegattin des im Spital verstorbenen Mieters, die mit diesem erst im Spital die Ehe geschlossen hat, ist als eine Angehörige nach § 19 (2) Z. 11 MietG. anzusehen, wenn schon vor dem Spitalsaufenthalt Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat

Entscheidung vom 15. Juni 1966, 6 Ob 197/66

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Josef K. wurde am 28. September 1964 in das Spital eingeliefert, hat darin am 19. Oktober 1964 die Ehe mit Rosa K. geschlossen und ist am 21. Oktober 1964 im Spital gestorben.

Das Erstgericht erklärte die hinsichtlich der Wohnung des Josef R. aus dem Kündigungsgrund des § 19 (2) Z. 11 MietG. eingebrachte Kündigung für rechtswirksam.

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes ging dahin, daß der Umstand entscheidend sei, daß Rosa K., nunmehr Kuratorin der Verlassenschaft Josef R., als Ehefrau des verstorbenen Hauptmieters Josef K. nie mit diesem in der aufgekundigten Wohnung im gemeinsamen Haushalt gewohnt hat, weil er vor der Eheschließung ins Spital gekommen ist und von dort nicht mehr zurückgekehrt ist. Ob Rosa K. vorher mit Josef K. in der aufgekundigten Wohnung im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, sei ohne Belang. Es sei daher der Kündigungsgrund des § 19 (2) Z. 11 MietG. gegeben.

Infolge Berufung der Beklagten wurde das erstgerichtliche Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben und die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Prozeßgericht erster Instanz zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Was die Frage betreffe, ob eine Person, welche zunächst nur faktisch mit dem verstorbenen Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, im Falle einer späteren Eheschließung den Schutz des § 19 (2) Z. 11 MietG. auch dann genieße, wenn sie die häusliche Gemeinschaft mit dem verstorbenen Hauptmieter als Ehegattin wegen eines Spitals- oder Anstaltsaufenthaltes, während welchem die Ehe geschlossen worden ist, nicht mehr aufnehmen konnte, so würden sich gewisse Anhaltspunkte aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 481, 482/58 = MietSlg. 6615 ergeben. In dieser werde grundsätzlich ausgeführt, daß ein bereits bestehender gemeinsamer Haushalt durch einen Spitalsaufenthalt des später verstorbenen Mieters nicht unterbrochen werde. Die Voraussetzung des gemeinsamen Haushaltes sei auch dann gegeben, wenn der Adoptionsvertrag mit der Gekundigten erst nach dem Aufsuchen des Spitals durch die in der Folge verstorbene Adoptivmutter genehmigt wurde. Der Umstand, daß letztere nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückkehren konnte, spiele für die Frage des gemeinsamen Haushaltes keine Rolle. Würde ein anderer Standpunkt eingenommen werden, so ergäben sich unmögliche und unbillige, der Absicht des Gesetzgebers nicht entsprechende Ergebnisse.

Hinsichtlich der erwähnten Entscheidung sei besonders hervorzuheben, daß sie noch aus der Zeit vor dem mit 1. Juli 1960 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 17, Februar 1960, BGBl. Nr. 58, betreffend die Neuordnung des Rechtes der Annahme an Kindesstatt stamme. Gemäß § 181 ABGB. alter Fassung und der hiezu ergangenen Rechtsprechung sei die Adoption erst mit der gerichtlichen Bestätigung des Adoptionsvertrages zustandegekommen, während sie nunmehr gemäß § 179a ABGB. im Falle ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung zwischen dem Adoptierenden und dem Adoptierten wirksam werde.

Da sohin in dem der erwähnten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt das Eintrittsrecht des Adoptivkindes, welches schon vor Wirksamkeit des Adoptionsvertrages mit der Wahlmutter im gemeinsamen Haushalt lebte, trotz der erst späteren Bestätigung des Adoptionsvertrages bejaht wurde, müsse derselbe Grundsatz auch für die Ehegattin gelten, die schon vor der Eheschließung mit dem später verstorbenen Mieter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, aber nach der Eheschließung den gemeinsamen Haushalt mit ihm wegen seines vorherigen Ablebens im Krankenhaus nicht mehr fortsetzen bzw. als Ehegattin nicht mehr aufnehmen konnte.

Da nun Rosa K. entgegen der Ansicht des Erstgerichtes zu den im § 19

(2) Z. 11 MietG. angeführten eintrittsberechtigten Personen zu zählen sei, werde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob die späteren Ehegatten K. vor der Einlieferung des Mannes in das Krankenhaus in der aufgekundigten Wohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und, falls dies zutreffen sollte, ob Rosa K. ein dringendes Wohnungsbedürfnis habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß nach den Behauptungen in den Einwendungen die Verlassenschaftskuratorin jahrelang Lebensgefährtin des Hauptmieters gewesen sein soll, welche mit dem in der Folge verstorbenen Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt gelebt haben soll, wobei außer Streit steht, daß sie ihn nach seiner am 28. September 1964 erfolgten Einlieferung ins Spital am 19. Oktober 1964 geehelicht hat und daß er zwei Tage später am 21. Oktober 1964 im Spital gestorben ist.

Aus der Eigenschaft einer mit dem verstorbenen Hauptmieter seit Jahren im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin kann nach ständiger Rechtsprechung kein Eintrittsrecht nach § 19 (2) Z. 11 MietG. abgeleitet werden, da in dieser Gesetzesstelle weder die Wirtschaftsführerin noch die Lebensgefährtin als eintrittsberechtigte Person genannt wird (7 Ob 125/64 = MietSlg. 16.429).

Ein allfälliges Eintrittsrecht ergibt sich für die Verlassenschaftskuratorin erst auf Grund ihrer Stellung als Ehegattin des Hauptmieters.

Entscheidend ist daher die Frage, ob von einem gemeinsamen Haushalt im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters gesprochen werden kann. Was diese Frage betrifft, so hat der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden, daß der Begriff des gemeinsamen Haushaltes das gemeinsame Wohnen und Wirtschaften voraussetzt. Unter dem gemeinsamen Wirtschaften ist die gemeinsame Bestreitung der Bedürfnisse des täglichen Lebens anzusehen, wobei diese Art des Zusammenlebens durch eine gewisse Zeit hindurch ununterbrochen bestehen und auch auf Dauer berechnet sein muß (6 Ob 123/63, 7 Ob 314/63 = MietSlg. 15.400, 15.402, 8 Ob 167/64, 6 Ob 229/64 = MietSlg. 16.441, 16.444, 5 Ob 87/65 u. v. a.). Es darf aber der gemeinsame Haushalt nicht in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des faktischen Zusammenwohnens beurteilt werden. Aus dem Wort "darin" im § 19 (2) Z. 11 MietG. ergibt sich lediglich, daß der Wohnsitz, das Domizil, des nahen Angehörigen, wie der Oberste Gerichtshof bereits

ausgesprochen hat (3 Ob 82/64 = MietSlg. 4052, 3 Ob 538/54 = SZ.

XXVII 257 = MietSlg. Nr. 4053, 6 Ob 109/64), in der aufgekundigten

Wohnung bereits begrundet gewesen sein muß. Wird aber davon ausgegangen, daß nicht das faktische Zusammenwohnen allein, sondern die Begründung des gemeinsamen Wohnsitzes (Domizils) von Belang ist, dann kann rechtlich auch die Begründung eines gemeinsamen Haushaltes mit einem infolge Krankheit Abwesenden nicht ausgeschlossen werden, wenn zugleich die ernstliche Absicht zur Begründung einer dauernden Gemeinschaft erkennbar ist.

Wird unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten der vorliegende Fall geprüft, dann bedarf es zur Lösung der Frage, ob zwischen dem Hauptmieter und der Verlassenschaftskuratorin im Zeitpunkt des Todes des ersteren in der aufgekundigten Wohnung ein gemeinsamer Haushalt als Eheleute bestanden hat, nicht einer Heranziehung der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 481, 482/58 = MietSlg. 6615 und der darin entwickelten Rechtssätze.

Wenn nämlich vor dem Spitalsaufenthalt des Hauptmieters bereits eine einen gemeinsamen Haushalt darstellende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Hauptmieter und der Verlassenschaftskuratorin in der aufgekundigten Wohnung bestanden hat, so ist durch den Spitalsaufenthalt des Hauptmieters nur eine notwendige Unterbrechung des Zusammenlebens eingetreten, nicht aber eine Aufhebung der Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, welche sich mit der Eheschließung in eine Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Eheleuten und sohin zu einem gemeinsamen Haushalt zwischen Eheleuten umgewandelt hat. Daher ist entscheidend, ob der Hauptmieter und die Verlassenschaftskuratorin tatsächlich bis zur Einlieferung des Hauptmieters ins Spital in der aufgekundigten Wohnung gemeinsam gewohnt und gewirtschaftet, sohin einen gemeinsamen Haushalt geführt haben und ob die Verlassenschaftskuratorin nach der Einlieferung des Hauptmieters ins Spital und auch nach ihrer Eheschließung mit ihm und bis zu seinem Tod weiterhin in der Wohnung des Hauptmieters gewohnt und dort den Schwerpunkt ihres Lebens gehabt hat.

Daß der Hauptmieter bereits zwei Tage nach der Eheschließung gestorben ist, vermag daran nichts zu ändern, daß, wenn die oben angeführten Umstände bewiesen werden, in der aufgekundigten Wohnung im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters ein gemeinsamer Haushalt zwischen ihm und seiner Ehefrau, der Verlassenschaftskuratorin, bestanden hat.

Die im Rekurs zitierte Entscheidung 2 Ob 74/53 = MietSlg. 3263, derzufolge dann, wenn der nahe Angehörige zum Mieter erst dann gezogen ist, als dessen Ableben zu erwarten war, von einer Begründung des gemeinsamen Haushaltes nicht gesprochen werden kann, ist auf den vorliegenden Fall deshalb nicht ohne weiteres anwendbar, weil nach dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt feststand, daß der nahe Angehörige nicht die Absicht gehabt hat, dauernd mit seiner Mutter, der Hauptmieterin, den gemeinsamen Haushalt aufzunehmen, und überdies im vorliegenden Fall die Eheschließung, nicht aber die Aufnahme des gemeinsamen Haushaltes wenige Tage vor dem Ableben des Mieters erfolgte.

Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, daß noch zu prüfen ist, ob ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem verstorbenen Hauptmieter und seiner Ehegattin bestanden hat, wobei bei dieser Prüfung auf die oben dargelegten einzelnen Umstände entsprechend Bedacht zu nehmen sein wird, und, falls ein gemeinsamer Haushalt bestanden hat, ob seitens der Gattin des verstorbenen Hauptmieters ein dringendes Wohnbedürfnis an der aufgekundigten Wohnung besteht.

Anmerkung

Z39109

Schlagworte

Aufkündigung nach § 19 (2) Z. 11 MietG., Eintrittsrecht der Ehegattin, bei Eheschließung im Spital, Ehegattin, Eintrittsrecht der - nach § 19 (2) Z. 11 MietG. - bei, Eheschließung im Spital, Eheschließung im Spital, Eintrittsrecht der Ehegattin nach § 19 (2), Z. 11 MietG. bei -, Eintrittsrecht nach § 19 (2) Z. 11 MietG. der Ehegattin bei, Eheschließung im Spital, Kündigungsgrund nach § 19 (2) Z. 11 MietG., Eintrittsrecht der, Ehegattin bei Eheschließung im Spital

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0060OB00197.66.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19660615_OGH0002_0060OB00197_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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