Norm
ABGB §175Kopf
SZ 39/137
Spruch
Der Ehemann hat gegen die Volljährigerklärung der minderjährigen Ehefrau kein Rekursrecht
Entscheidung vom 6. September 1966, 8 Ob 205/66
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Die mj. Erna Pa., die eheliche Tochter des Rudolf Pu., hat am 22. September 1962 mit Ewald Herbert Pa. die Ehe geschlossen. Sie hat zu 13 Cg .../65 des LG. für ZRS. Graz die Ehescheidungsklage eingebracht. In diesem Verfahren haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, in dem die Minderjährige u. a. auf Unterhalt seitens des Ehemannes verzichtet hat. Der dem Ehescheidungsverfahren nicht zugezogene eheliche Vater hat die Erklärung abgegeben, daß er die Prozeßführung der Minderjährigen nicht genehmige. Daraufhin hat das Prozeßgericht das Ehescheidungsverfahren für nichtig erklärt. Nunmehr hat die Minderjährige beim Pflegschaftsgericht den Antrag gestellt, sie für volljährig zu erklären. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß sie die Volljährigkeit auch deshalb anstrebe, um den Vergleich im Scheidungsverfahren unterschreiben zu können. Der eheliche Vater hat sich gegen den Antrag seiner Tochter ausgesprochen.
Der Erstrichter hat dem Antrag stattgegeben. Er war der Ansicht, die Minderjährige besitze die erforderliche geistige Reife, um ihre Angelegenheiten selber besorgen zu können.
Das Rekursgericht hat über Rekurs des Ehemannes der Minderjährigen den Beschluß der ersten Instanz aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Es war der Ansicht, es handle sich nicht um eine Volljährigkeitserklärung im Sinn des § 252 ABGB., sondern um die Entlassung der Minderjährigen aus der gemäß § 175 ABGB. eingeschränkten väterlichen Gewalt. Eine solche Entlassung aus der väterlichen Gewalt sei ungeachtet der ablehnenden Erklärung des Vaters möglich. Es sei aber nicht geklärt, ob und welche besonderen Vorteile für die Minderjährige mit der Entlassung aus der väterlichen Gewalt verbunden seien.
Der Oberste Gerichtshof fällte über Revisionsrekurs der mj. Erna Pa. folgende Entscheidung: Aus Anlaß des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und der Rekurs des Ewald Herbert Pa. gegen den Beschluß der ersten Instanz zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz wird von der Minderjährigen zulässigerweise bekämpft. Er unterliegt daher der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, und zwar auch hinsichtlich der vom Rekursgericht nicht ausdrücklich behandelten, sondern nur implicite bejahten Frage der Berechtigung des Ehemannes zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluß der ersten Instanz.
Diese Überprüfung ergibt, daß der Rekurs des Ehemannes gegen den Beschluß der ersten Instanz unzulässig war. Dem Ehemann einer mj. Ehegattin steht gegen den Beschluß, durch den die mj. Ehefrau die Rechtsstellung einer Großjährigen erlangt (dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß es sich hiebei nicht um eine nach § 252 ABGB., sondern um eine nach § 174 ABGB. zu beurteilende Entscheidung handelt), ein Rechtsmittel nicht zu. Der Ehemann hat sich zur Begründung des von ihm in Anspruch genommenen Rekursrechtes auf § 9 AußStrG. berufen. Aus dieser Bestimmung kann aber ein solches Rekursrecht nicht abgeleitet werden. Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß nicht jedermann, der mit der Entscheidung unzufrieden ist, sich also aus irgendeinem Gründe durch diese beschwert erachtet, auch schon befugt ist, ein Rechtsmittel einzubringen. Nur derjenige, in dessen Rechtssphäre (nicht bloß Interessensphäre) eingegriffen wird, ist durch die richterliche Entscheidung so beschwert, daß ihm das Gesetz das Recht zubilligt, im eigenen Namen ein Rechtsmittel zu erheben.
Es kommt also darauf an, ob die Rechtssphäre des Ehemannes durch den Beschluß der ersten Instanz berührt wurde. Dies ist nicht der Fall. Die Erlangung der Großjährigkeit durch die mj. Ehefrau ist auf die rechtliche Stellung des Ehemannes seiner Frau gegenüber ohne Einfluß. Der Ehemann tritt nicht etwa auf Grund der Eheschließung insoweit an die Stelle des ehelichen Vaters, als durch die Eheschließung die Rechte des Vaters als gesetzlichen Vertreters seiner mj. Tochter gemäß § 175 ABGB. eingeschränkt werden. Die Aussage des § 175 ABGB., daß die mj. Tochter "zwar in Rücksicht ihrer Person unter die Gewalt des Mannes (§§ 91 und 92 ABGB.) kommt", enthält keinen disponierenden Rechtssatz, sondern lediglich einen an sich entbehrlichen Hinweis auf die anderweitige, durch die Vorschriften über die väterliche Gewalt überhaupt nicht berührte Regelung der personenrechtlichen Folgen der Eheschließung. Die mj. Ehefrau unterliegt keinen weitergehenden Rechten des Ehemannes als die großjährige (vgl. Klang[2] I/2 234 f. bei Anm. 9).
Berührt aber die Erlangung der Volljährigkeit durch die Ehefrau die rechtliche Stellung des Ehemannes seiner Frau gegenüber nicht, dann kann diesem ebensowenig wie etwa der Mutter oder den sonstigen Verwandten der mj. Ehefrau (vgl. Barfuß, JBl. 1960 S. 600 bei Anm. 35 bis 37) ein Rekursrecht zugebilligt werden. Berührt wird nur die Stellung des ehelichen Vaters, dem auch nach der Verehelichung der Tochter weiterhin bis zu deren Großjährigkeit die im § 175 ABGB. angeführten eingeschränkten Rechte zustehen. Der Vater hat aber, als ihm nachträglich der Beschluß der ersten Instanz zugestellt wurde, ein Rechtsmittel nicht erhoben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes war demnach mangels Berechtigung des Ehemannes der Minderjährigen zur Erhebung des Rekurses aufzuheben und der Rekurs des Ehemannes gegen den Beschluß der ersten Instanz zurückzuweisen.
Anmerkung
Z39137Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1966:0080OB00205.66.0906.000Dokumentnummer
JJT_19660906_OGH0002_0080OB00205_6600000_000