Norm
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §8Kopf
SZ 39/171
Spruch
Schweizer materielles Recht ist bei der Ehescheidung von Schweizern anzuwenden, obwohl eine Scheidung nach österreichischem Recht in der Schweiz anerkannt werden würde
Entscheidung vom 18. Oktober 1966, 8 Ob 260/66
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die Streitteile haben am 9. August 1949 vor dem Standesamt Wien Innere Stadt-Mariahilf geheiratet. Sie besitzen die Schweizer Staatsbürgerschaft. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthaltsort der Streitteile war Wien.
Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten.
Der Beklagte hat eine Widerklage auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG. eingebracht.
Das Erstgericht hat die Ehe auf Grund der Klage der Klägerin und Widerbeklagten - im folgenden kurz Klägerin genannt - aus beiderseitigem Verschulden geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden des Beklagten und Widerklägers - im folgenden kurz Beklagten genannt - überwiege. Das Begehren des Beklagten auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG. wurde abgewiesen. Das Erstgericht hat die Rechtsansicht vertreten, daß auf Grund der Bestimmungen des Art. 7 g des Schweizer Bundesgesetzes, betreffend die zivilrechtlichen Vorschriften der Niedergelassenen und Aufenthalter, vom 25. Juni 1891 in der Fassung des Art. 59 des Schlußtitels des Schweizer ZGB. vom 10. Dezember 1907 die materiellrechtlichen österreichischen Ehescheidungsbestimmungen anzuwenden seien. Es hat auf seiten des Beklagten die grundlose Auflösung der ehelichen Gemeinschaft und seine Weigerung, diese Gemeinschaft wiederaufzunehmen, Vernachlässigung der Familie, lieblose Behandlung der Klägerin sowie den Umstand, daß sich der Beklagte nur um seinen Beruf gekümmert habe, auf Seite der Klägerin die ungerechtfertigte Einbringung einer Unterhaltsklage sowie die Tatsache, daß die Klägerin durch ständige Geldforderungen gegenüber dem Buchhalter des Beklagten, den Beklagten in den unbegrundeten Verdacht gebracht habe, ihr, der Klägerin, keinen hinreichenden Unterhalt zu gewähren, als schwere Eheverfehlungen festgestellt. Den Verfall der Ehe habe jedoch vor allem der Beklagte durch sein liebloses Verhalten herbeigeführt, weshalb sein Verschulden überwiege. Dem Scheidungsbegehren nach § 49 EheG. gebühre der Vorrang, sodaß das auf § 55 EheG. gestützte Scheidungsbegehren des Beklagten abzuweisen gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat das Ersturteil unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben und in rechtlicher Hinsicht, ausgeführt, daß das Erstgericht zwar die Frage seiner Zuständigkeit richtig gelöst habe, es sei aber unrichtig, daß das materielle österreichische Ehescheidungsrecht angewendet werden könne. Deshalb, weil die Schweiz eine Verletzung der Bestimmung des § 8 (1) der 4. DVzEheG. allenfalls nicht zum Anlaß nehme, einem Scheidungsurteil über die Ehe von im Ausland lebenden Schweizer Staatsbürgern die Anerkennung zu versagen, hätte sich das Erstgericht nicht darüber hinwegsetzen dürfen, daß nach der angeführten Rechtsvorschrift Schweizer Ehescheidungsrecht anzuwenden gewesen wäre.
Das Vorbringen der Parteien lasse sich allenfalls unter die Art. 138 und 140 bis 142 Schweizer ZGB. unterordnen. Das Erstgericht habe jedoch die für die Ehescheidung nach Schweizer Recht erheblich scheinenden Tatsachen nicht erörtert, weshalb sein Urteil aufzuheben sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten und widerbeklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Für die Frage des in diesem Scheidungsverfahren anzuwendenden materiellen Rechtes sind für das angerufene Gericht die Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung maßgebend. Nach § 8 (1) der 4. DVzEheG. sind für die Scheidung der Ehe die Gesetze des Staates maßgebend, dem der Mann zur Zeit der Erhebung der Klage angehörte. Da unbestritten beide Streitteile Schweizer Staatsbürger sind, ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das Vorliegen der Scheidungsgrunde nach den Bestimmungen des Schweizer ZGB. zu beurteilen, vorausgesetzt, daß dessen Gründe auch nach dem inländischen Gesetz als Scheidungsgrunde anerkannt sind (§ 8 (4) der
4. DVzEheG.). Der Umstand, daß in der Schweiz eine ausländische Ehescheidung von in diesem ausländischen Staat wohnenden Schweizer Staatsbürgern auch anerkannt wird, wenn die Scheidung nach Schweizer Recht nicht begrundet wäre, wenn nur die Zuständigkeit des die Scheidung aussprechenden ausländischen Gerichtes nach den für dieses geltenden Bestimmungen gegeben war, kann das österreichische Gericht von der in den österreichischen Rechtsvorschriften gesetzten Verpflichtung, das materielle Schweizer Eherecht anzuwenden, nicht entbinden.
Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, welche Scheidungsgrunde nach den Bestimmungen des Schweizer ZGB. im vorliegenden Fall in Betracht kommen. Deren Voraussetzungen sind zumindest zum Teil andere als jene, die § 49 EheG. erfordert, auf den das Erstgericht seine Feststellungen abgestellt hat. Es ist daher dem Berufungsgerichte auch zuzustimmen, daß die Feststellungen des Erstgerichtes nicht ausreichend sind, um verläßlich beurteilen zu können, ob Scheidungsgrunde nach Schweizer Recht vorliegen.
Anmerkung
Z39171Schlagworte
Ehescheidung, Anwendung materiellen Schweizer Rechtes bei - von, Schweizern in Österreich, Internationales Privatrecht, Anwendung von Schweizer materiellem Recht, bei Ehescheidung von Schweizern in Österreich, Internationales Eherecht, Anwendung von Schweizer materiellem Recht bei, Ehescheidung von Schweizern in Österreich, Schweizer Recht, Anwendung von materiellem - bei Ehescheidung von, Schweizern in ÖsterreichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0080OB00260.66.1018.000Dokumentnummer
JJT_19661018_OGH0002_0080OB00260_6600000_000