Norm
Mietengesetz §21 (1)Kopf
SZ 39/182
Spruch
Eine "Kündigungsklage" im Sinne des § 567 (4) ZPO. könnte nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die nach dieser Gesetzesstelle mit ihr verbindbare Kündigung den Formerfordernissen einer gerichtlichen Aufkündigung im Sinne des § 562 (1) ZPO. entspräche
Entscheidung vom 27. Oktober 1966, 5 Ob 241/66
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Aus dem Akteninhalt geht hervor, daß die Klägerin Eigentümerin des angeblich im Jahre 1932 erbauten Hauses in der N.-Gasse 31 ist und daß die Beklagte die im Erdgeschoß dieses Hauses gelegene, aus Küche und zwei Zimmern bestehende Wohnung gemietet hat.
Die Klägerin behauptete in ihrer Klage, die sie als Teilkündigungsklage gemäß § 567 (4) ZPO. bezeichnete, die Beklagte habe das vom Eingang rechts befindliche Zimmer ihrer Wohnung seit mehr als neun Jahren untervermietet, sie benötigte es daher nicht für sich selbst. Die Klägerin brauche wegen ihres Alters von 83 Jahren und ihres schlechten Gesundheitszustandes dringend eine Pflegeperson, die sie in dem von der Beklagten untervermieteten Zimmer unterzubringen beabsichtige. In der vorliegenden Klage, in der sie die Räumung dieses Raumes von der Beklagten innerhalb von 14 Tagen nach dem 31. Jänner 1966 begehrte, kundigte die Klägerin der Beklagten das Mietverhältnis hinsichtlich des gegenständlichen Zimmers zum 31. Jänner 1966 auf.
Das Erstgericht wies mit seinem Beschluß vom 3. Jänner 1966 die Klage, soweit sie sich als Aufkündigung darstelle, gemäß § 562 (3) ZPO. zurück und wies gleichzeitig mittels Urteils das Klagebegehren ab.
Das Prozeßgericht erster Instanz vertrat den Standpunkt, daß der als Teilkündigungsklage bezeichnete Schriftsatz der Klägerin die formellen Voraussetzungen einer gerichtlichen Aufkündigung nicht erfülle, das aufrechte Bestandverhältnis aber eine Räumungsklage nicht zulasse.
Die zweite Instanz gab der gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Berufung zur Gänze - und zwar auch insoweit, als sie den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes bekämpft habe und daher als Rekurs aufzufassen sei - keine Folge und sprach gemäß § 500 (2) ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den sie entschieden habe, 15.000 S übersteige.
Die zweite Instanz begrundet ihre Entscheidung folgendermaßen:
Wenn man von den Klagsbehauptungen ausgehe, so unterliege das als Hauptmietverhältnis zu betrachtende Bestandverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes (§§ 19 bis 23 MietG.), weil durch § 1 KSchAusfV. vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, die im § 1 (2) Z. 1, 2 und 7 (4) und (5) MietG. enthaltenen Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes hinsichtlich der Vorschriften über die Kündigungsbeschränkungen aufgehoben worden seien. Wenn auch nach den Angaben der Klägerin nicht feststehe, auf welche Zeit ursprünglich das Mietverhältnis begrundet worden sei, so sei es doch klar, daß dessen Dauer ein halbes Jahr übersteige, weshalb es gemäß § 23 MietG. als auf unbestimmte Zeit verlängert gelte und daher seine Auflösung nur aus wichtigen Gründen im Sinne des § 19 MietG. erreicht werden könne. Die Klägerin könne somit die Auflösung des Vertrages nur durch Kündigung aus den Gründen des § 19 MietG. erreichen (5 Ob 11/63 = MietSlg. 15.483 = EvBl. 1963 Nr. 191). Diese Wirkung werde jedoch nur durch eine gerichtliche Aufkündigung herbeigeführt (§ 21 (1) MietG.). Diese Aufkündigung sei eine formstrenge Prozeßhandlung, welche nur dann wirksam sei, wenn sie den im ersten Absatz des § 562 ZPO, umschriebenen Inhalt aufweise. Danach habe die Aufkündigung die Bezeichnung des Bestandgegenstandes, die Angabe des Zeitpunktes, in welchem der Bestandvertrag endigen solle, und den Antrag zu enthalten, dem Gegner aufzutragen, entweder den Bestandgegenstand zur bestimmten Zeit bei sonstiger Exekution zu übergeben oder zu übernehmen oder gegen die Aufkündigung seine Einwendungen bei Gericht anzubringen. Die Aufkündigung, die diesen zwingenden Bestimmungen nicht entspreche, sei zurückzuweisen (MietSlg. 2109 u. a.). Mietverträge auf bestimmte Zeit unterlägen allerdings nicht den Kündigungsbeschränkungen, wenn die Vertragsdauer insgesamt ein halbes Jahr nicht übersteige. Voraussetzung sei, daß es sich um einen Vertrag auf bestimmte Dauer handle, sodaß eine Kündigung nicht vorgesehen sei. Nur in einem solchen Fall könnte jeder Vertragspartner noch vor Ablauf der Bestandszeit einen Übergabsauftrag im Sinne des § 567 (1) ZPO. erwirken. Daraus ergebe sich aber zwangsläufig, daß bei Bestandverträgen mit einer Dauer von über einem halben Jahr ein Übergabsauftrag nicht mehr erlassen werden könne, weil solche Verträge nach § 23 MietG. als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten. Dies beziehe sich selbstverständlich nur auf Bestandverträge, welche den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegen, weshalb für sie der Bestimmung des § 567 (2) ZPO. derogiert sei. Derogiert sei aber bei derartigen Bestandverträgen auch der Vorschrift des § 567
(4) ZPO., auf welche sich die Klägerin stütze. Ihr stehe nämlich § 21 (1) MietG. - der gegenüber § 567 (4) ZPO. eine Spezialnorm darstelle und überdies später in Kraft getreten sei - entgegen. Daran vermöchten auch die Ausführungen Zinghers, ÖJZ. 1965 S. 477, nichts zu ändern. Der von der Klägerin erhobenen Kündigungsklage könne daher kein Erfolg beschieden sein, zumal es nach ihrem Inhalt keinem Zweifel unterliege, daß sie keine Räumungsklage auf der Grundlage des § 1118 ABGB. darstelle, dessen Anwendbarkeit durch das Mietengesetz keine Einschränkung erfahren habe. Zu Recht habe demnach das Erstgericht die Klage aus dem Gesichtspunkt heraus abgewiesen, daß ihr das aufrechte Bestandverhältnis zwischen den Parteien entgegenstehe. Zu seiner Auflösung erweise sie sich aber auch als ein untaugliches Mittel; wenn sie als Teilkündigung betrachtet werde, so fehle ihr zu einer solchen das Formalerfordernis des Antrages auf Erlassung eines Auftrages an den Gegner, seine Einwendungen bei Gericht einzubringen. In dieser Richtung habe das Erstgericht richtig seinen Beschluß auf Zurückweisung im Sinne des § 562 (3) ZPO. gefaßt. Es sei daher der Berufung - und zwar auch soweit sie als Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß aufzufassen sei - ein Erfolg zu versagen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Sinn und Zweck der Bestimmung des § 21 (1) MietG. ist offenbar der, bei Mietverträgen, auf die die Bestimmungen über den Schutz der Mieter anzuwenden sind, nur die gerichtliche Kündigung zuzulassen. Damit sollte erreicht werden, daß in solchen Fällen nur ein besonders geregeltes Verfahren zur Anwendung komme (vgl. Miet- Slg. 1989, 15.483).
Gerade das Argument Zinghers, ÖJZ. 1965 S. 477 und ÖJZ. 1966 S. 421 ff., die Anwendung der Formstrenge des Bestandverfahrens könnte durch eine "Kündigungsklage" im Sinne des § 567 (4) ZPO. vermieden werden, zeigt, daß damit die aus § 21 (1) MietG. hervorgehende Absicht des Gesetzgebers, für die Auflösung kündigungsgeschützter Mietverträge nur ein besonderes Verfahren zuzulassen, vereitelt würde. Auch der Hinweis Zinghers (a. a. O.), daß die Formstrenge des Bestandverfahrens für beide Teile nachteilig sein könne, greift nicht durch; denn der Gesetzgeber wollte durch die Bestimmung des § 21 (1) MietG. nicht einen der beiden Vertragspartner bevorzugen - oder benachteiligen -, sondern er wollte im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Regelung der Mietverhältnisse deren Lösung nur im Wege eines besonderen, bestimmten Formalerfordernissen unterworfenen Verfahrens zulassen.
Eine "Kündigungsklage" im Sinne des § 567 (4) ZPO. könnte also nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die nach dieser Gesetzesstelle mit ihr verbindbare Kündigung den Formerfordernissen einer gerichtlichen Aufkündigung im Sinne des § 562 (1) ZPO. entsprechen würde, was aber hier nicht der Fall ist. Ob eine solche Klage nach § 567 (4) ZPO. bei der derzeitigen Rechtslage überhaupt zweckmäßig wäre, ist belanglos.
Aus den angeführten Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z39182Schlagworte
Aufkündigung, Kündigungsklage nach § 567 (4) ZPO., Kündigungsklage nach § 567 (4) ZPO.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0050OB00241.66.1027.000Dokumentnummer
JJT_19661027_OGH0002_0050OB00241_6600000_000