Norm
Angestelltengesetz §8 (1)Kopf
SZ 39/202
Spruch
Wenn ein Dienstnehmer, geschwächt durch Erkrankung, qualitativ mindere Dienstleistungen erbringt, so darf darin kein wichtiger Grund zur Entlassung wegen Unfähigkeit (§ 27 Z. 2 AngG.) erblickt werden
Entscheidung vom 29. November 1966, 4 Ob 61/66
I. Instanz: Arbeitsgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt
Text
Der Kläger beantragt, die beklagte Partei zur Zahlung von 30.159.79 S s. A. an ihn zu verurteilen, weil sie ihn grundlos gemäß § 27 Z. 2 AngG. vorzeitig entlassen habe.
Das Erstgericht entschied gemäß dem Klagebegehren.
Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem, ergänzte das Beweisverfahren durch Anhörung eines Sachverständigen und wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Zwischen dem Kläger, einem kanadischen Eishockeyspieler, und dem beklagten Verein sei nach vorangegangener Korrespondenz am 21. September 1962 ein Dienstvertrag geschlossen worden, wonach der Kläger als Angestellter für die Saison 1962/1963, d. i. vom 15. Oktober 1962 bis 28. Februar 1963, in die Dienste der beklagten Partei getreten sei. Im Punkt II des Dienstvertrages sei u. a. vereinbart worden: Der Dienstgeber sei auch zu einer vorzeitigen Entlassung berechtigt, wenn der Angestellte unfähig werde, den vom Dienstgeber erwarteten dienstlichen Verpflichtungen gerecht zu werden, oder wenn er verhindert sei, seinen Dienst durch mehr als 14 Tage hindurch aus anderen Gründen, die seine Person betreffen, zu versehen. Dem Kläger sei als Entlohnung ein Pauschalbetrag von 62.400 S (2400 US-Dollar) steuer- und abgabenfrei zugesichert worden, ferner 13.000 S (500 US-Dollar) als Vergütung für Kost und Logis sowie 16.900 S (650 US-Dollar) als Vergütung für Reisen, insgesamt somit 92.300 S (3550 US-Dollar). Nachdem der Kläger in der Mannschaft des Y zu spielen begonnen habe, sei bald aufgefallen, daß er, selbst nach der kanadischen Spielern erfahrungsgemäß zu konzedierenden Akklimatisierungsperiode, "nicht gekommen sei". Bei Wettspielen sei er schon kurz nach dem Einsatz so verbraucht gewesen, daß der Eindruck entstanden sei, er sei physisch nicht auf der Höhe. Der Kläger habe gute Referenzen gehabt und auch sportliche Gesinnung bewiesen, er habe aber, abgesehen von der unbefriedigenden physischen Kondition, auch technisch nicht das gehalten, was von einem kanadischen Spieler erwartet werden könne. Er habe in der Zeit vom 20. Oktober bis 29. Dezember 1962 an insgesamt 13 Spielen teilgenommen. Wegen seiner nicht entsprechenden Leistung sei er vom Vertrauensarzt der beklagten Partei Dr. Helmut R. untersucht worden, und zwar erstmalig am 9. November 1962, als er sich zu Dr. R. wegen einer Bronchitis in Behandlung begeben habe. Im Zuge dieser Behandlung habe Dr. R. ein EKG. aufgenommen. Dr. R. habe erkannt, daß der Kläger einen Myocardschaden habe. Er habe aber noch den Facharzt Dr. A. ersucht, seine Untersuchungsergebnisse zu überprüfen. Dieser habe am 22. November 1962 zwar rein klinisch keinen abnormen Befund erheben können, doch festgehalten, daß die hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit und das EKG. nicht normal seien. Dr. R. habe aber gehofft, daß es sich um eine vorübergehende Erkrankung handle. Er habe, um sich über den Zustand des Klägers ein klares Bild zu verschaffen, angeordnet, daß er sich einer stationären Untersuchung im Landeskrankenhaus K. unterziehe. Der Kläger habe diese Aufforderung nicht befolgt, sondern sei der Mannschaft des Y nach Belgrad nachgefahren, um dort am 1. Dezember und 4. Dezember 1962 an Wettspielen teilzunehmen. Der Sektionsleiter des Y La., sei über die Mitwirkung des Klägers sehr erfreut gewesen, weil ein Spieler der Mannschaft des Y verletzt worden sei. Am 27. und 29. Dezember 1962 habe der Kläger in der Mannschaft des Y in Davos gespielt. Während des Spieles sei er mit einem Spieler der anderen Mannschaft ziemlich hart zusammengeprallt und habe in der Folge Blut gespuckt. Der Spielarzt habe den Kläger untersucht, hierauf seine Weiterverwendung beim Spiel untersagt und eine Untersuchung des Klägers in K. angeregt. Beim Spiel der Mannschaft des Y am 1. Jänner 1963 in St. Gallen habe man den Kläger gegen seinen Willen nicht mitspielen lassen. Nach der Rückkehr der Mannschaft nach K. habe dort Direktor G. die Untersuchung des Klägers angeordnet. Die Überprüfung des Gesundheitszustandes des Klägers durch den Facharzt Dr. A. habe ergeben, daß sich gegenüber dem Befund am 22. November 1962 eine Verschlechterung eingestellt habe. Das EKG habe sich als einwandfrei pathologisch erwiesen. Auch die Blutsenkungsgeschwindigkeit sei erhöht gewesen. Dr. A. sei zum Ergebnis gelangt, daß der Kläger derzeit für den Sport nicht geeignet sei. Hierauf sei das Dienstverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 7. Jänner 1963 für vorzeitig beendet erklärt worden, "weil seine Einsatzfähigkeit 10 bis 12 Wochen nicht vorhanden ist". Der Kläger habe sich nunmehr zum Arzt Dr. B. begeben, der ihn einer eingehenden Untersuchung unterzogen und festgestellt habe, daß er keinen Myocardschaden habe. Die Durchleuchtung des Thorax habe keinen krankhaften Befund gezeigt. Dieses Ergebnis sei von Dr. Emmerich M., einem Primarius am Landeskrankenhaus in K., am 8. Jänner 1963 überprüft worden, Dr. M., der viel Erfahrung auf dem Gebiet der sportärztlichen Untersuchung habe, habe gleichfalls einen Herzmuskelschaden nicht feststellen können. Dr. B. und Dr. M. seien übereinstimmend zur Ansicht gelangt, daß der Kläger zur Ausübung des Leistungssportes Eishockey geeignet sei. Der zur Aufklärung dieser divergierenden Gutachten im Berufungsverfahren vernommene Sachverständige Primarius Dr. Hans P. sei zum Ergebnis gelangt, daß zumindest in der Zeit vom 22. November 1962 bis 3. Jänner 1963 eine subakute Krankheit vorgelegen sei. Hiebei habe es sich wohl um eine katarrhalische Virusinfektion gehandelt, die vom Spieler in seinem Drange, den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, verschleppt worden sei und die wohl auch zu einer Funktionsschwäche des Herzens geführt habe. Nach der Rückkehr aus Davos habe zwar Dr. A. am 3. Jänner 1963 noch immer eine beschleunigte Blutkörperchensenkung und ein pathologisches Arbeits-EKG feststellen können, während am 8. Jänner 1963, also etwa eine Woche später, Dr. B. und Dr. M. diese Befunde nicht mehr hätten feststellen können. Die Unterschiede in der Beurteilung des Zustandes des Klägers seien dadurch zu erklären, daß die beiden Ärztegruppen den Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien untersucht und begutachtet hätten. In den Monaten November und Dezember 1962, auch noch am 3. Jänner 1963, seien beim Kläger sicher krankhafte Befunde im Sinne eines grippösen Infektes mit katarrhalischen Erscheinungen und Veränderungen im Arbeits-EKG vorgelegen. Am 8. Jänner 1963 seien diese Erscheinungen durch die zweite Ärztegruppe nicht mehr konstatiert worden, weil sie offenbar abgeklungen gewesen seien und sich dem normalen Untersuchungsgang nicht mehr dargeboten hätten.
In rechtlicher Beziehung führte das Berufungsgericht aus: Der Kläger habe die von ihm versprochenen Dienste, die nach den Umständen in Spitzenleistungen hätten bestehen sollen, nicht erbracht, weil er hiezu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei. Mit Rücksicht auf den Inhalt des Arbeitsvertrages - Erbringung hochqualifizierter Leistungen im Kampfsport Eishockey - könne die ärztlicherseits festgestellte Unfähigkeit zur Ausübung dieser, beste körperliche Verfassung erfordernden Sportart, infolge Erkrankung nicht nach den §§ 8, 9 AngG. beurteilt werden, sondern müsse als eine Vernichtung der Fähigkeit, die vertraglich bedungenen Leistungen zu erbringen, erkannt werden. Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Entlassung wegen Unfähigkeit sei gerechtfertigt. Das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Partei sei als Angestelltenverhältnis anzusehen, weil die Streitteile die Angestellteneigenschaft vereinbart hätten. Die Entlassung sei auch rechtzeitig erfolgt, weil sie von der beklagten Partei ausgesprochen worden sei, nachdem ihr die Stellungnahme des Vertrauensarztes Dr. R. vom 3. Jänner 1963 vorgelegen sei. Eine frühere Entlassung hätte nicht auf ausreichend gesicherten Grundlagen beruht.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Dienstverhältnis des Klägers ist nach dem Willen der Vertragsparteien als Angestelltenverhältnis zu beurteilen. Es braucht somit nicht mehr geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen der Anstellung im Sinne des § 1 AngG. zutreffen, weil es zulässig ist, ein Dienstverhältnis durch Vereinbarung dem Angestelltengesetz zu unterstellen, sofern nicht dadurch unabdingbare Rechte des Dienstnehmers verletzt werden (SZ. XXVIII 156). Es steht fest, daß der Kläger vor seiner Entlassung infolge Erkrankung nicht die von ihm erwarteten Höchstleistungen erbracht hat und deshalb entlassen worden ist. Nach § 27 Z. 2 AngG. ist der Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, wenn der Angestellte unfähig wird, die versprochenen oder die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten. Andererseits berechtigt eine durch Krankheit oder Unglücksfall verursachte Dienstverhinderung (§ 8 (1) AngG.) nicht zur Entlassung des Angestellten, es sei denn, daß die Verhinderung den Zeitraum, für den der Anspruch auf Fortbezug des ganzen oder eines Teiles des Entgelts besteht, um zwei Wochen übersteigt (§§ 9
(1) 27 Z. 5 AngG.). Der Kläger war nun zwar krank, hat aber dennoch die von ihm geforderten Dienstleistungen im überwiegenden Umfang erbracht. Wenn ein Dienstnehmer, geschwächt durch Erkrankung, qualitativ mindere Dienstleistungen erbringt, so darf darin kein wichtiger Grund zur Entlassung wegen Unfähigkeit erblickt werden, weil dann sein Diensteifer bestraft werden würde. Er hat vielmehr Anspruch darauf, daß er wegen seiner minderen Leistungen nicht schlechter behandelt wird, als wenn er durch Krankheit an der Dienstleistung überhaupt verhindert gewesen wäre. Die Entlassung nach § 27 Z. 2 AngG. war demnach ungerechtfertigt. Aber auch eine Entlassung nach § 27 Z. 5 (§ 9 (1)) AngG. wäre nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger am 7. Jänner 1963 nicht mehr krank war und die Zeit seiner Minderleistungen wegen Krankheit (22. November 1962 bis 3. Jänner 1963), keine "Dienstverhinderung" im Ausmaß der §§ 8 (1), 9 (1) AngG. dargestellt hätte. Die Tatsache, daß der Kläger einer besonderen körperlichen Verfassung bedurfte, um die von ihm erwarteten Leistungen zu erbringen, darf nicht dazu führen, ihn im Falle der Erkrankung schlechter zu behandeln, als jeden anderen Angestellten. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch nach dem Schauspielergesetz, das Dienstverhältnisse regelt, die manche Ähnlichkeiten mit dem des Klägers haben, die Entlassung wegen einer durch Krankheit verursachten Dienstverhinderung nur unter ähnlichen Einschränkungen wie nach dem Angestelltengesetz zulässig ist (§§ 12 (1), 38 Z. 3 SchauspG.).
Der Kläger hat also gegenüber der beklagten Partei gemäß § 29 (1) und (2) AngG. Anspruch auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit hätte verstreichen müssen.
Die ziffernmäßige Höhe dieses Anspruchs ist nicht bestritten, sodaß in der Sache selbst entschieden werden konnte.
Anmerkung
Z39202Schlagworte
Angestellter, Minderung der Dienstleistung durch Erkrankung, keine, Entlassung nach § 27 Z. 2 AngG., Eishockeyspieler, Minderung der Dienstleistung durch Erkrankung, keine, Entlassung nach § 27 Z. 2 AngG., Entlassung eines Angestellten wegen Unfähigkeit (§ 27 Z. 2 AngG.)„ Minderung der Dienstleistung durch Erkrankung, Erkrankung eines Angestellten, Minderung der Dienstleistung, keine, Entlassung nach § 27 Z. 2 AngG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0040OB00061.66.1129.000Dokumentnummer
JJT_19661129_OGH0002_0040OB00061_6600000_000