TE OGH 1966/12/2 2Ob310/66

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Veröffentlicht am 02.12.1966
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Norm

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §6

Kopf

SZ 39/207

Spruch

Wer ein Kraftfahrzeug einem Autohändler zum Verkauf übergibt, bleibt Halter

Entscheidung vom 2. Dezember 1966, 2 Ob 310/66

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Am 22. Juni 1964 wurde der PKW des Klägers durch ein von Karl Z. widerrechtlich in Betrieb genommenes Moped beschädigt. Der Kläger begehrt vom Beklagten als Halter des Mopeds den Ersatz seines Schadens.

Der Erstrichter gab dem auf 3853 S eingeschränkten und der Höhe nach nicht mehr bestrittenen Klagebegehren statt. Er stellte bezüglich der Halterfrage fest: Der Beklagte war Eigentümer des Mopeds, das auch in der Zeit vom 7. September 1960 bis 19. Oktober 1964 unter seinem Namen zum Verkehr angemeldet war. Auch die Haftpflichtversicherung lautete auf seinen Namen. Anfang 1964 kaufte der Beklagte von der Firma Autohaus W., dessen Inhaber Alfred S. ist, einen PKW zum Preise von 11.000 S. Auf den Kaufpreis wurde ein Betrag von 1200 S für das gegenständliche Moped verrechnet, das vom Autohaus W. zum fixen Betrag von 1200 S zum Verkauf übernommen wurde. Den restlichen Kaufpreis zahlte der Beklagte bar. Das Moped blieb beim Autohaus W., wo es Kaufinteressenten zur Ausführung einer Probefahrt benützen konnten. Die für solche Probefahrten auflaufenden Benzinspesen gingen zu Lasten des Autohauses W. Am 9. Juni 1964 benützte Arnold N., ein Angestellter des Autohauses W., das Moped. Er stellte es vor einem Haus in der Wiedner Hauptstraße unversperrt ab. Als er am 10. Juni 1964 nach dem Moped sehen wollte, war es nicht mehr da. Am 22. Juni 1964 fand Karl Z. das Moped im unversperrten Zustand vor einem Haus in der L.-Gasse. Beim Versuch, das Moped zu starten, fuhr er an den PKW des Klägers an. Der Erstrichter war der Ansicht, der Beklagte sei auch noch im Unfallszeitpunkt Halter des Mopeds gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es war der Ansicht, bei dem festgestellten Sachverhalt komme der Beklagte nicht als Halter des Mopeds im Unfallszeitpunkt in Betracht. Alleiniger Halter sei in diesem Zeitpunkt das Autohaus W. gewesen, das nach den mit dem Beklagten getroffenen Abmachungen nicht berechtigt gewesen sei, das mit 1200 S fix abgerechnete Moped dem Beklagten zurückzugeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Beklagte sei im Unfallszeitpunkt nicht mehr Halter des Mopeds gewesen, nicht anzuschließen. Gewiß kommt es bei der Beurteilung der Haltereigenschaft, die weniger ein rechtliches als ein wirtschaftliches, tatsächliches Verhältnis ist, nicht ausschließlich darauf an, wer Eigentümer des Kraftfahrzeuges ist, wer die Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und auf wessen Namen das Kraftfahrzeug zum Verkehr angemeldet wurde. Es wäre also wohl an sich denkbar, daß der Beklagte, obwohl er Eigentümer des unter seinem Namen zum Verkehr angemeldeten Mopeds und auch Versicherungsnehmer war, wegen Vorliegens gewichtiger dagegen sprechender Umstände doch nicht Halter des Mopeds war. Allein entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes liegen im Gegenstandsfall keine gewichtigen, gegen die Haltereigenschaft des Beklagten sprechenden Umstände vor. Insbesondere kann die Tatsache allein, daß der Beklagte, als er sich einen PKW kaufte, das Moped beim Autohaus W. beließ, das ihm dafür einen fixen Betrag in Rechnung stellte, nicht als ein die Haltereigenschaft des Beklagten aufhebender Umstand gewertet werden. Der Beklagte hat damit dem Autohaus W., das es unternommen hatte, den Verkauf des Mopeds zu vermitteln, und das ihm bereits einen fixen Betrag für das Moped in Rechnung gestellt hatte, im wesentlichen nur die Möglichkeit eingeräumt, es von Interessenten besichtigen und ausprobieren zu lassen, um so das Moped leichter verkaufen zu können. Er machte damit von den ihm als Eigentümer und Halter des Mopeds zustehenden Befugnissen den nach der Sachlage in Betracht kommenden Gebrauch. Es bestand auch für das Autohaus W. kein Interesse an einem weitergehenden Gebrauch. Es kann daher nicht gesagt werden, der Gebrauch des Mopeds und die diesen Gebrauch bedingende Verfügungsgewalt sei zur Gänze vom Beklagten auf das Autohaus W. übergegangen. Aus dieser Belassung des Mopeds beim Autohaus W. zu dem angeführten Zweck können daher nicht die gleichen Folgerungen gezogen werden, wie sie etwa am Platze sind, wenn ein Kraftfahrzeug einer Reparaturwerkstätte zur Instandsetzung übergeben wird. Es muß vielmehr, ähnlich wie bei der Vermietung eines Kraftfahrzeuges durch eine Autoverleihfirma, das Weiterbestehen der Halterhaftung des Auftraggebers angenommen werden.

Daran würde auch nichts geändert, wenn tatsächlich, wie das Berufungsgericht - allerdings ohne entsprechende Grundlage in den Feststellungen des Erstrichters - angenommen hat, das Autohaus W. nur formell Verkaufsvermittler, in Wahrheit aber Käufer des Mopeds sein sollte. Die Feststellungen des Erstrichters, der Beklagte sei im Unfallszeitpunkt noch Eigentümer des Mopeds gewesen, es sei auch keine Änderung an der Anmeldung zum Verkehr und an der Versicherung vorgenommen worden, werden auch vom Berufungsgericht nicht angezweifelt. Der bloße Abschluß eines Kaufvertrages ohne entsprechende Änderung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, auf die es im Sinne der obigen Ausführungen bei der Beurteilung der Frage, wer Kraftfahrzeughalter ist, in erster Linie ankommt, hätte aber an der Haltereigenschaft des Beklagten nichts zu ändern vermocht. Es erübrigte sich daher eine nähere Klärung der Frage, ob tatsächlich, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die Vertragsform der Verkaufsvermittlung nur deshalb gewählt wurde, um Steuern zu ersparen. Ob etwa neben dem Beklagten das Autohaus W. Mithalter des Mopeds geworden ist, ist nicht Gegenstand dieses Prozesses.

Der Erstrichter hat sich allerdings, ohne daß dies vom Beklagten aufgegriffen worden wäre, nicht mit der Frage befaßt, ob die Halterhaftung des Beklagten ungeachtet der Bestimmung des § 6 (1) EKHG. bestehen blieb. Nach dieser Gesetzesstelle tritt nämlich an die Stelle der Haftung des Halters die Haftung desjenigen, der das Kraftfahrzeug ohne den Willen des Halters benützte. Es handelt sich hiebei um eine Rechtsfrage, die auf Grund des festgestellten Sachverhaltes gelöst werden kann. Die Haftung des Halters bleibt nach dieser Gesetzesstelle bestehen, wenn die Benützung des Kraftfahrzeuges durch ein Verschulden des Halters oder der Personen ermöglicht worden ist, die mit Willen des Halters beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen sind. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Es entsprach dem Willen des Beklagten, daß die Leute des Autohauses W. Interessenten die Benützung des Mopeds zur Ausführung einer Probefahrt ermöglichen. Damit gehörten die Leute des Autohauses zu den Personen, die mit Willen des Beklagten beim Betrieb des Mopeds tätig werden konnten. Daß Karl Z. das Moped unbefugt benützen konnte, muß nun dem Arnold N., einem Angestellten des Autohauses W., als Verschulden angelastet werden, weil er es unversperrt auf der Straße stehenließ.

Die Halterhaftung des Beklagten wird daher auch durch die Bestimmung des § 6 (1) EKHG. nicht ausgeschlossen.

Es war demnach der Revision Folge zu geben und das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.

Anmerkung

Z39207

Schlagworte

Haftung des Kraftfahrzeughalters nach Übergabe des Kraftfahrzeuges zum, Verkauf an einen Autohändler, Kraftfahrzeughalter, Weiterbestehen der Haltereigenschaft bei Übergabe, eines Kraftfahrzeuges zum Verkauf an einen Autohändler

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1966:0020OB00310.66.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19661202_OGH0002_0020OB00310_6600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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