Norm
ZPO §224 (2)Kopf
SZ 39/221
Spruch
Die Erklärung einer Rechtssache zur Ferialsache durch den Rechtshilferichter ist ohne Wirkung für das weitere Verfahren
Entscheidung vom 22. Dezember 1966, 5 Ob 352/66
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Der Kläger verlangte vom Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens von 780 S s. A. Der Beklagte bestritt die Fälligkeit.
Das Erstgericht schloß am 2. Juni 1966 die Streitverhandlung gemäß § 193 (3) ZPO. und übermittelte den Akt dem Bezirksgericht X. mit dem Ersuchen, den Kläger als Partei zu vernehmen. Das Rechtshilfegericht faßte am 5. Juli 1966 den Beschluß:
"Das gegenständliche Verfahren wird zur Ferialsache erklärt" und ordnete die Beweistagsatzung für den 1. August 1966 an. Auf den Ladungen zur Beweistagsatzung wurde dem Klagevertreter und dem Beklagten der erwähnte Beschluß mitgeteilt. Die Erklärung der Sache zur Ferialsache wurde nicht wieder aufgehoben. Der Kläger wurde am 1. August 1966 als Partei vernommen. Das Erstgericht wies mit Urteil vom 8. August 1966 die Klage ab. Dieses Urteil wurde dem Klagevertreter am 10. August 1966 zugestellt.
Die vom Kläger am 31. August 1966 zur Post gegebene Berufung wurde vom Berufungsgericht wegen Verspätung zurückgewiesen, weil die Berufungsfrist für den Kläger schon am 11. August 1966 zu laufen begonnen habe. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die Verspätung der Berufung sei offensichtlich, wenn man den ersuchten Richter für befugt halte, eine Sache zur Ferialsache zu erklären; aber auch wenn man diese Befugnis verneine, sei doch der Beschluß eines unzuständigen Richters wirksam. Die Gerichtsferien hätten also keinen Einfluß auf den Beginn der Berufungsfrist für den Kläger gehabt.
Der Kläger erhob Rekurs und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Oberste Gerichtshof gab diesem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem Gericht auf, das Verfahren über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist gemäß § 519 Z. 1 ZPO. zulässig; er ist auch begrundet.
Soweit er sich gegen eine unzulängliche Ausfertigung des die Sache zur Ferialsache erklärenden Beschlusses wendet, ist er im Unrecht, denn dieser Beschluß kann den Parteien auch in Form eines in die Ladung aufgenommenen Beisatzes rechtswirksam zugestellt werden (JBl. 1956 S. 319). Da der Rekurswerber im Rekurs selbst zugibt, die Ladung mit dem entsprechenden Beisatz erhalten zu haben, konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß der richterliche Beschluß ordnungsgemäß ausgefertigt wurde.
Dem Rekurs kommt aber insofern Berechtigung zu, als er sich gegen die Wirksamkeit der Erklärung der Sache zur Ferialsache durch einen ersuchten Richter wendet. Gemäß § 224 (2) ZPO. kann der Vorsteher des Gerichtes sowie der Vorsitzende des Senates oder der Einzelrichter, dem eine Rechtssache zugewiesen ist, Sachen, die einer schleunigen Erledigung bedürfen, von Fall zu Fall als Ferialsache erklären. Die Entscheidung, ob eine Rechtssache einer schleunigen Erledigung bedarf, kann aber nur von dem Gericht getroffen werden, das zur Entscheidung der Sache berufen ist, daher jedenfalls nicht von einem Gericht, das nur um die Vornahme einzelner Prozeßhandlungen ersucht wurde. Dem Rechtshilferichter kann nicht die Befugnis eingeräumt werden, über die Dringlichkeit der Erledigung eines Prozesses des ersuchenden Gerichtes - und noch dazu unanfechtbar (§ 224 (2) letzter Satz ZPO.) - zu entscheiden. Die Erklärung einer Sache zur Ferialsache bloß für einen bestimmten Verfahrensteil ist im Gesetz nicht vorgesehen. Wenn der ersuchte Richter wie diesfalls doch einen solchen Beschluß gefaßt hat, der bloß das von ihm als ersuchten Richter durchzuführende Verfahren erfassen konnte, so war sein Beschluß jedenfalls für das weitere Verfahren vor dem erkennenden Gericht - auf das dem ersuchten Richter kein rechtswirksamer Einfluß zustand - ohne rechtliche Wirkung. Das bedeutet zwar nicht, daß die während der Gerichtsferien durchgeführten Prozeßhandlungen nichtig sind (SZ. XXIII 376), doch ist der betreffende Beschluß des ersuchten Richters ohne Bedeutung für den Lauf der Berufungsfrist. Da das einzig dazu berufene Prozeßgericht die Rechtssache nicht zur Ferialsache erklärt hatte, begann die Berufungsfrist für den Kläger erst am 26. August 1966 zu laufen.
Seine Berufung wurde daher rechtzeitig erhoben.
Der angefochtene Beschluß war sonach aufzuheben und dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
Anmerkung
Z39221Schlagworte
Ferialsache, Erklärung zur - durch Rechtshilferichter, Rechtshilferichter, Erklärung einer Rechtssache zur FerialsacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1966:0050OB00352.66.1222.000Dokumentnummer
JJT_19661222_OGH0002_0050OB00352_6600000_000