TE OGH 1967/2/23 2Ob17/67

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.02.1967
beobachten
merken

Norm

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §3 Z2

Kopf

SZ 40/25

Spruch

Zur Frage des Entgelts für die Beförderung bei einer Pauschalvereinbarung.

Entscheidung vom 23. Februar 1967, 2 Ob 17/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der bei der Klägerin pflichtversicherte Ing. Edmund S. hat am 20. Juli 1962 auf der Bundesstraße 17 im Gemeindegebiete W. als Insasse des vom Beklagten gelenkten PKWs einen Unfall erlitten, an dessen Folgen er noch am selben Tage gestorben ist. Die Klägerin hat den Unfall des Genannten als Arbeitsunfall anerkannt und erbringt an die Witwe Frieda S. sowie an die Waise Eleonore S. die Pflichtleistungen aus der Sozial-Unfallversicherung. Das gegen den Beklagten im Zusammenhange mit dem Verkehrsunfalle vom 20. Juli 1962 wegen Vergehens nach den §§ 335, 337 a StG. eingeleitete Strafverfahren ist gemäß § 109 StPO. eingestellt worden. Nunmehr nimmt die Klägerin den Beklagten zufolge der Legalzession nach § 332 ASVG. auf Ersatz ihrer Aufwendungen im Rahmen der Halterhaftung nach dem EKHG. in Anspruch; sie verlangt die Zahlung von 29.004.06S s. A. und die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin alle Leistungen zu ersetzen, welche diese aus Anlaß des tödlichen Unfalls des Ing. Edmund S. vom 20. Juli 1962 auf Grund der jeweils in Geltung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu erbringen habe, jedoch nur insoweit, als sie in den Ersatzansprüchen der Hinterbliebenen, welche diese ohne den in § 332 (1) ASVG. vorgesehenen Rechtsübergang vom Schädiger selbst zu fordern berechtigt wären bzw. in den im § 15

(1) Z. 3 EKHG. festgesetzten Haftungshöchstbeträgen Deckung fänden. Die beklagte Partei hat ihre Ersatzpflicht bestritten.

Mit Urteil vom 28. Jänner 1965 (ONr. 15) hat das Erstgericht das oben bezeichnete Leistungs- und Feststellungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, daß die Ersatzpflicht des Beklagten gemäß § 9 EKHG. ausgeschlossen sei. Diese Beurteilung ist im Rechtsmittelverfahren abgelehnt worden.

In der Folge hat das Erstgericht das Verfahren ergänzt, um beurteilen zu können, ob das EKHG. (§ 3 Z. 2) anwendbar sei.

Im Urteile vom 28. Juni 1966 (ONr. 34) hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen, weil auf diesen Fall das EKHG. nicht anzuwenden sei.

Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben und zugleich ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei; sie ficht dieses Urteil seinem ganzen Inhalte nach an und beantragt aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die Urteile der Unterinstanzen auf und wies die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 8 (2) KraftfVerkG., also vor dem Inkrafttreten der auf diesen Fall (20. Juli 1962) anwendbaren Bestimmungen des EKHG., hat der Halter eines Kraftfahrzeuges bei Beförderung des Verletzten zur Zeit des Unfalls durch das Fahrzeug nach § 7 KraftfVerkG. nur dann gehaftet, wenn es sich um entgeltliche Beförderung durch ein dem öffentlichen Verkehr dienendes Fahrzeug gehandelt hat. Seit dem Inkrafttreten des EKHG. ist diese Haftung des Kraftfahrzeughalters erweitert (eine Haftung des Beklagten aus Verschulden steht diesfalls schon nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin nicht zur Erörterung); denn nach § 3 Z. 2 EKHG. ist dieses Gesetz im Falle der Tötung oder Verletzung eines durch das Kraftfahrzeug beförderten Menschen (diesfalls: Ing. Edmund S.) hinsichtlich des befördernden Kraftfahrzeuges insofern nicht anzuwenden, als der Verletzte zur Zeit des Unfalls (20. Juli 1962) durch das Kraftfahrzeug entweder ohne den Willen des Halters oder doch nur auf sein, des Verletzten, Ersuchen, in seinem ausschließlichen oder überwiegenden wirtschaftlichen Interesse und ohne ein dem Halter zufließendes, wenn auch unangemessenes Entgelt befördert worden ist. Bei dieser Gesetzeslage macht nun die Revisionswerberin theoretisch zutreffend geltend, daß beide Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen, um die Nichtanwendung des EKHG. und damit die Haftungsbefreiung des Beklagten herbeizuführen; fehle nur eine der beiden Voraussetzungen, dann sei das EKHG. anzuwenden und die Gefährdungshaftung auf Seite des Beklagten gegeben.

Nun steht fest, daß der Beklagte die Heimfahrt am 20. Juli 1962 auf Ersuchen des Ing. Edmund S., ihn nach Hause zu bringen, früher angetreten hat, als er zunächst beabsichtigt hatte (der Beklagte wollte zunächst zwecks Erledigung technischer Arbeiten länger bleiben und Überstunden machen); es ist ferner festgestellt, daß der Beklagte schon im Jahre 1959 mit seiner Dienstgeberin (NEWAG) wegen der Benützung seines eigenen Kraftwagens eine Kilometergeldvereinbarung geschlossen hatte, derzufolge er auf ein gleich hohes Kilometergeld Anspruch hatte, ob er nun allein fuhr oder zu zweit, unter Mitnahme eines Arbeitskameraden; nur im Falle der Beförderung von insgesamt drei Personen (einschließlich des Beklagten) hatte dieser auf ein um 15 g höheres Kilometergeld Anspruch; eine Verpflichtung, Arbeitskollegen im Kraftwagen mitzunehmen, bestand für den Beklagten gegenüber seiner Dienstgeberin nach der erwähnten Vereinbarung nicht; für die streitgegenständliche Fahrt vom 20. Juli 1962 erhielt der Beklagte von der Dienstgeberin wegen der Mitnahme des Ing. Edmund S. keine Sondervergütung.

Von diesen Feststellungen ist bei der rechtlichen Beurteilung der Sache auszugehen. Soweit die Ausführungen in der Revision von diesem Sachverhalt abweichen, sind sie nicht gesetzmäßig und daher unbeachtlich.

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei in der Revision ist die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß Ing. S. auf sein Ersuchen und in seinem ausschließlichen wirtschaftlichen Interesse vom Belagten befördert wurde, nicht als rechtsirrig anzusehen. Ein anderes Interesse an der Beförderung des Ing. S. ist in keiner Weise erkennbar. Nicht nur ein in Geld ausdrückbares Interesse stellt ein wirtschaftliches Interesse dar, auch die bloße schnellere und bequemere Beförderung mit dem Kraftwagen des Beklagten konnte ein wirtschaftliches Interesse des Ing. S. ergeben, wenn es sich auch nicht in einer rein finanziellen Begünstigung ausgewirkt hat.

Diesem Umstand kommt aber hier weniger Bedeutung zu als der Frage der Entgeltlichkeit der Beförderung. Das Berufungsgericht war gleich dem Erstgericht der Meinung, daß Ing. S. damals nicht entgeltlich befördert wurde, weil der Beklagte nach der Vereinbarung mit seinem Dienstgeber gleichviel Kilometergeld erhielt, ob er nun allein fuhr oder noch eine Person, in diesem Fall Ing. S., mitbeförderte. Das Kilometergeld erhöhte sich erst bei der Beförderung von zwei Personen durch den Beklagten.

Mit Recht wendet sich die klagende Partei gegen diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes. Die mit dem Beklagten getroffene Kilometergeldvereinbarung kann nur dahin aufgefaßt werden, daß grundsätzlich eine Entgeltvereinbarung bestanden hat und daß auch die Mitbeförderung nur einer Person mit dem Kilometergeld abgegolten werden sollte, das der Beklagte erhielt, wenn er auch nur allein fuhr. Es stellt dies eine Pauschalierung der entgeltlichen Beförderung nur einer Person durch den Beklagten dar. Daß keine der beförderten Personen von der Entgeltlichkeit ausgenommen sein sollte, zeigt ja der Umstand, daß sich das Kilometergeld bei Beförderung von zwei Personen erhöhte. Es ist kein einleuchtender Grund für die Annahme ersichtlich, daß gerade nur der Beklagte selbst und eine dritte von ihm beförderte Person entgeltlich befördert werden sollten, während die Mitnahme nur einer Person unentgeltlich erfolgen sollte.

Es ist daher davon auszugehen, daß nach der Kilometergeldvereinbarung Ing. S. entgeltlich befördert wurde. Damit ist aber ein Haftungsausschluß beim Beklagten nach § 3 Z. 2 EKHG. nicht anzunehmen. Er haftet daher grundsätzlich nach den Bestimmungen des genannten Gesetzes für die Unfallsfolgen.

Da Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruches bisher nicht getroffen wurden, ist es notwendig, die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dieses wird das Verfahren bezüglich der Höhe der Ansprüche der klagenden Partei zu ergänzen und sodann neuerlich unter Zugrundelegung der obigen Rechtsauffassung zu entscheiden haben.

Anmerkung

Z40025

Schlagworte

Beförderung in einem Kraftfahrzeug Entgelt bei Pauschalvereinbarung, Entgelt für Beförderung in einem Kraftfahrzeug, Pauschalvereinbarung„ Haftungsausschluß nach § 3 Z. 2 EKHG., Haftungsausschluß nach § 3 Z. 2 EKHG., Entgelt für Beförderung, Kraftfahrzeug, Entgelt für Beförderung in -, Haftungsausschluß nach § 3, Z. 2 EKHG., Pauschalvereinbarung, Entgelt für Beförderung in Kraftfahrzeug„ Haftungsausschuß nach § 3 Z. 2 EKHG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0020OB00017.67.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19670223_OGH0002_0020OB00017_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten