Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §23Kopf
SZ 40/34
Spruch
Ruhen des arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahrens ist möglich.
Entscheidung vom 14. März 1967, 4 Ob 19/67.
I. Instanz: Arbeitsgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger erhob gegen das sein Begehren abweisende Urteil des Arbeitsgerichtes Lienz Berufung. Zu der für den 31. Oktober 1966 anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung des Landesgerichtes Innsbruck erschien auf der Seite des Klägers niemand. Nach dem Vorbringen des Berichterstatters, den Ausführungen des Beklagtenvertreters und der Fassung des Beweisbeschlusses entfernte sich der Beklagtenvertreter ohne weiter zu verhandeln, damit, wie dem Protokoll zu entnehmen ist, Ruhen des Verfahrens eintrete. Hierauf sendete der Vorsitzende die Akten an das Erstgericht mit dem Vermerk "das Verfahren ruht" zurück. Am 18. November 1966 stellte der Kläger beim Berufungsgericht den Antrag auf gesetzmäßige Entscheidung über seine Berufung.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht diesen Antrag zurück. Im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren sei der Eintritt des Ruhens des Verfahrens möglich. Während der Zeit dieses Ruhens könne keine Prozeßhandlung vorgenommen und auch keine Entscheidung erlassen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rechtsmittel ist ungeachtet der Bestimmung des § 519 ZPO. zulässig, da es sich nicht gegen einen im eigentlichen Berufungsverfahren erlassenen Beschluß des Berufungsgerichtes wendet. Dem Rechtsmittel kommt jedoch Berechtigung nicht zu.
Im Rekurs wird die Auffassung vertreten, daß gemäß § 23 ArbGerG. auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren die Bestimmung des § 491 ZPO. Anwendung finde, wonach im Fall des Ausbleibens einer oder beider Parteien über die Berufung dennoch zu verhandeln sei. Nun gelten nach § 23 ArbGerG. wohl für die Rechtsmittel und das Rechtsmittelverfahren die Bestimmungen des 4. Teils der Zivilprozeßordnung, jedoch nur, soweit nicht im Arbeitsgerichtsgesetz etwas anderes bestimmt wird. Solche von den Normen der Zivilprozeßordnung über das Berufungsverfahren abweichende Bestimmungen trifft der § 25 ArbGerG. In seinem Abs. 1 Z. 3 wird angeordnet, daß die Streitsache vor dem Berufungsgericht in den durch die Anträge bestimmten Grenzen nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz von neuem verhandelt wird; die Säumnis einer Partei steht der Durchführung der Verhandlung nicht im Wege; die Bestimmungen der §§ 396 bis 400 ZPO. sind nicht anzuwenden.
Der Kläger will die im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren anzuwendenden Bestimmungen über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz auf die §§ 226 bis 430 ZPO. beschränken und daher die Ruhensbestimmungen der §§ 168 ff. ZPO. davon ausschließen. Dieser Rechtsauffassung kam schon deshalb nicht gefolgt werden, weil auch im Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1 bis 225 ZPO. Geltung haben. Im § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. findet sich die vom Kläger behauptete Einschränkung auf die §§ 226 bis 430 ZPO. nicht. Ist aber im Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz ein Ruhen des Verfahrens möglich, dann ist es zufolge der Bestimmung des § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 491 ZPO. ist daher im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nicht anzuwenden. Dagegen spricht nicht die im § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. enthaltene Bestimmung, daß die Säumnis einer Partei der Durchführung der Verhandlung nicht im Wege steht. Beim Ruhen des Verfahrens infolge Nichterscheinens beider Parteien handelt es sich zwar um eine Säumnisfolge. Denn nach dem zweiten Satz des § 170 ZPO. ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Ruhen des Verfahrens möglich; nach § 146 (1) ZPO. setzt aber die Wiedereinsetzung eine Versäumung und einen dadurch hervorgerufenen Rechtsnachteil voraus (vgl. Fasching II, S. 812 unten). Die Bestimmung, daß die Säumnis einer Partei der Durchführung der Verhandlung nicht im Wege steht, bezieht sich jedoch nicht auf Fälle der Säumnis beider Parteien, wie beim Ruhen des Verfahrens infolge Nichterscheinens, und hat, wie sich aus dem unmittelbar folgenden Ausschluß der §§ 396 bis 400 ZPO. ergibt, das einseitige Säumnisverfahren im Auge (so auch Petschek - Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, S. 461, Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 140, Schima, Das österreichische Arbeitsgerichtsgesetz, ÖJZ. 1946, S. 375 unten, Stagel, Die Rechtsmittel des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, ÖJZ. 1952, S. 544; vgl. aber Weinzierl, Arbeitsgerichtliche Streitfragen, RdA. 1964, S. 308).
Auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 1956, Arb. 6571, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. In dieser Entscheidung brachte der Oberste Gerichtshof lediglich zum Ausdruck, daß es keinen Nichtigkeitsgrund bilde, wenn eine Partei ohne Rechtsvertreter bei der Berufungsverhandlung erscheine, weil es in das Belieben der Parteien gestellt sei, am Berufungsverfahren teilzunehmen oder sich davon fernzuhalten. Daraus läßt sich aber nicht zwingend ableiten, daß das Fernbleiben beider Parteien von der Berufungsverhandlung nicht das Ruhen des Verfahrens bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 170 ZPO. zur Folge haben könnte.
Anmerkung
Z40034Schlagworte
Arbeitsgerichtliches Verfahren, Ruhen des Berufungsverfahrens, Berufungsverfahren, Ruhen des arbeitsgerichtlichen -, Ruhen des Verfahrens, arbeitsgerichtliches BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1967:0040OB00019.67.0314.000Dokumentnummer
JJT_19670314_OGH0002_0040OB00019_6700000_000