TE OGH 1967/4/18 4Ob24/67

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Veröffentlicht am 18.04.1967
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Norm

Angestelltengesetz §23 (2)

Kopf

SZ 40/51

Spruch

§ 23 (2) AngG. (Entfall der Verpflichtung des Dienstgebers, eine Abfertigung zu gewähren) hat nur die Auflösung des Unternehmens zur Voraussetzung, nicht aber die Vernichtung jeder wirtschaftlichen Existenz- und Wiederaufstiegmöglichkeit des Dienstgebers.

Entscheidung vom 18. April 1967, 4 Ob 24/67.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Kläger, die im beklagten Unternehmen als Angestellte beschäftigt und deren Dienstverhältnisse gekundigt worden sind, begehren den Zuspruch der ihnen nach § 23 (1) AngG. zustehenden Abfertigungsbeträge.

Die Beklagte beantragt, das Begehren abzuweisen, und behauptet, ihre Verpflichtung zur Gewährung der Abfertigung entfalle gemäß § 23 (2) AngG., weil der Betrieb aufgelöst worden sei. Die Kündigungen stunden mit dieser Auflösung im Zusammenhang. Die Auflösung sei schon im Zug des eingeleiteten Ausgleichsverfahrens begonnen worden. Die persönliche wirtschaftliche Lage des Inhabers des Unternehmens habe sich so verschlechtert, daß ihm die Bezahlung der Abfertigung billigerweise nicht zugemutet werden könne. Der Höhe nach wurde das Begehren nicht bestritten.

Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging gleich dem Erstgericht von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Der Beklagte habe das Unternehmen, eine Einzelfirma, im Jahre 1959 nach dem Tod seines Vaters übernommen. Er habe von Anfang an mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen gehabt, weil die Einrichtung des Betriebes veraltet und das Unternehmen daher nicht rentabel gewesen sei. In diesem Betrieb seien vor dem Dezember 1965 36 Arbeiter, 5 Angestellte und 3 Heimarbeiter beschäftigt gewesen. Als sich Orlando K. außerstand sah, den Betrieb weiterzuführen, habe er im Dezember 1965 beschlossen, das Unternehmen aufzulösen und gleichzeitig einen Ausgleichsantrag beim Kreisgericht Wiener Neustadt zu stellen. Er habe die gesamte Belegschaft einschließlich der Betriebsratsmitglieder gekundigt. Die sofortige Beendigung jeder Tätigkeit sei aber deshalb nicht möglich gewesen, weil noch verhältnismäßig viel Roh- und Halbfertigware vorhanden gewesen sei, die der Betriebsinhaber im Einvernehmen mit dem Ausgleichsverwalter aufarbeiten ließ; dies sei wirtschaftlicher erschienen als der Abverkauf im unverarbeiteten Zustand. Bis Ende Februar 1966 seien auf diese Weise noch die vorhandenen sechs modernen Webstühle verwendet worden. Anschließend seien nur mehr Adjustierungsarbeiten zu verrichten gewesen, sodaß die Maschinen abverkauft werden konnten. Im Zeitpunkt des Schlusses des Verfahrens erster Instanz seien dann nur unverkäufliche veraltete Maschinen vorhanden gewesen, die nur mehr als Schrott zu verwerten seien. Ein Restposten Rohware sei nicht mehr verarbeitet worden, die Fertigware sei bis auf einen Posten im Wert von 30.000 S verkauft worden. Die Möglichkeit, diesen Posten noch zu veräußern, sei jedoch im Hinblick auf die Lage am Textilsektor nur gering.

Bis zum 16. Jänner 1966 habe das beklagte Unternehmen noch zwölf Arbeiter beschäftigt, seither sei der Stand allmählich verringert worden. Im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz seien nur mehr drei Arbeiter beschäftigt gewesen, von denen einer den Bewachungsdienst versehen habe, während die anderen Reinigungs- und Demontagearbeiten verrichteten. Die letzte Angestellte sei endgültig mit 30. September 1966 aus dem Betrieb ausgeschieden. Der Betriebsinhaber habe die Gewerbeberechtigung bisher nicht zurückgelegt, weil er noch versuche, den Restposten an Fertigware abzuverkaufen. Der Ausgleichsantrag sei am 9. Dezember 1965 gestellt worden. Schon in diesem sei die Erklärung abgegeben worden, daß der Betrieb eingestellt und sämtliche Arbeiter und Angestellte gekundigt worden seien.

Der Status im Zeitpunkt der Stellung des Ausgleichsantrages habe eine Überschuldung von rund 1.9 Millionen Schilling gezeigt. Bei der Ausgleichstagsatzung am 7. März 1966 sei der Ausgleich angenommen worden, nachdem der Betriebsinhaber die Quote für die nicht bevorrechteten Gläubiger auf 50% verbessert und zugestimmt habe, daß eine Voraussetzung für die Bestätigung des Ausgleiches der Erlag dieser 50%igen Quote beim Ausgleichsverwalter sein solle, sofern einzelne Gläubiger darauf nicht verzichteten. Die Bestätigung des Ausgleichs sei nur dadurch erreicht worden, daß Schweizer Gläubiger, angebliche Verwandte des Betriebsinhabers, vorerst auf die Bezahlung ihre Quote verzichteten, sodaß mit dem Erlag von 600.000 S die Voraussetzung für die Bestätigung des Ausgleichs geschaffen werden konnte. Dieser letztgenannte Betrag sei der Erlös aus dem Abverkauf von Maschinen und Fertigware im Zuge der Liquidation des Betriebes gewesen. Der Beklagte besitze weder im Inland noch im Ausland ein Reinvermögen. Er sei zwar noch Eigentümer der Betriebsliegenschaft, doch sei in absehbarer Zeit mit einem von den Hypothekargläubigern einzuleitenden Zwangsversteigerungsverfahren zu rechnen. Er habe in den letzten Monaten 4000 S bis 5000 S für private Zwecke entnommen. Dies werde jedoch in Zukunft nicht mehr möglich sein.

In rechtlicher Beziehung führt das Berufungsgericht aus, eine Auflösung des Unternehmens im Sinn des § 23 (2) AngG. müsse auch dann angenommen werden, wenn diese im Rahmen eines Liquidationsausgleichs durchgeführt werde. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Verpflichtung zur Gewährung der Abfertigungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Die Kündigungen seien im Zusammenhang mit der durch die Liquidation angestrebten Auflösung des Unternehmens erfolgt, weil die Weiterbeschäftigung der Kläger wegen der gebotenen Auflösung nicht mehr möglich gewesen sei. Daß die Beendigung der Dienstverhältnisse mit der Auflösung des Unternehmens zeitlich nicht genau zusammenfalle, stehe der Befreiung von der Verpflichtung zur Gewährung der Abfertigungen nicht entgegen; entscheidend sei, daß die Kündigung der Angestellten mangels einer entsprechenden Beschäftigung sofort notwendig gewesen sei, während die gänzliche Auflösung des Unternehmens erst nach Abverkauf von Saisonprodukten, die oftmals erst viel später erfolgen könne, durchzuführen gewesen sei. Darauf, daß die Gewerbeberechtigung noch nicht zurückgelegt sei, komme es nicht an, weil das Unternehmen als wirtschaftlicher Faktor nicht mehr bestehe. Da dem Betriebsinhaber nach Erfüllung des Ausgleichs kein Vermögen verblieben sei, könne ihm die Bezahlung der Abfertigungsbeträge billigerweise nicht zugemutet werden. Von der noch in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft, deren Verwertung durch eine von den absonderungsberechtigten Gläubigern betriebene Zwangsversteigerung möglich sein werde, seien mit Rücksicht auf deren Belastungen keine Überschüsse zu erwarten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger teilweise Folge und sprach ihnen die Hälfte der Klagsforderungen zu.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter dem Revisionsgrund des Verfahrensmangels behaupten die Kläger, die Sachlage sei nicht genügend geklärt, weil das Erstgericht bei der Liegenschaft der Beklagten von einem Liquidationswert von 2 Millionen ausgehe, während dieser von der beklagten Partei selbst mit 2.200.000 S angegeben worden sei. Die Möglichkeit eines günstigen Verkaufs könne daher ebensowenig ausgeschlossen werden, wie jene der Fortsetzung des Betriebes, dies insbesondere mit Rücksicht darauf, daß der Firmeninhaber seine Gewerbeberechtigung noch nicht zurückgelegt habe und daß die Firma im Handelsregister noch nicht gelöscht sei.

Abgesehen davon, daß in der Revision nicht ausgeführt wird, welche Beweisanträge in der behaupteten Richtung vom Berufungsgericht unerledigt geblieben seien, können die Kläger aus diesen Revisionsausführungen für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Es trifft zu, daß der Beklagtenvertreter in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. Juni 1966 den Liquidationswert der Liegenschaften mit 2.200.000 S angegeben hat. Diese Zahl stimmt auch mit dem in den Akten erliegenden Schätzungsgutachten überein. Aber selbst wenn man von diesem letztgenannten Liquidationswert ausgeht, könnte von einem allfällig sich ergebenden Überschuß des Versteigerungserlöses nicht erwartet werden, daß sich hiedurch die wirtschaftliche Lage des Betriebsinhabers in einem solchen Ausmaß bessern könnte, daß ihm die Bezahlung der gesamten Abfertigungssumme zumutbar wäre. Nach den Feststellungen konnte der Betriebsinhaber die Liegenschaft bisher nicht verkaufen, weshalb auch nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß bei der künftigen Zwangsversteigerung, wenn überhaupt der Liquidationswert erreicht werden sollte, ein namhafter Überschuß erzielt werden könnte. Ferner muß, worauf schon das Erstgericht hingewiesen hat, berücksichtigt werden, daß der nunmehr vermögenslose Betriebsinhaber im Falle der Versteigerung der Liegenschaft seine Wohnung verliert, sodaß ihm mit Rücksicht auf seinen Familienstand ein sich etwa ergebender Überschuß für die Deckung der Beschaffungskosten einer neuen Wohnmöglichkeit zugebilligt werden muß. § 23 (2) AngG. hat nur die Auflösung des Unternehmens zur Voraussetzung, also den Untergang der Betriebsorganisation, nicht aber die Vernichtung jeder wirtschaftlichen Existenz- und Wiederaufstiegsmöglichkeit des Dienstgebers. Gerade diese will das Gesetz durch die genannte Bestimmung schützen. Die von den Klägern befürchtete Möglichkeit einer Fortsetzung des Betriebes kann angesichts der Feststellung, wonach der Erzeugungsbetrieb schon längst eingestellt ist, Warenvorräte bis auf einen bisher nicht anbringlichen Posten und auch brauchbare Maschinen nicht vorhanden sind und nur mehr drei Arbeiter mit der Bewachung, Reinigung und Demontagearbeit beschäftigt sind, nicht angenommen werden.

In ihrer Rechtsrüge vertreten die Kläger die Auffassung, eine Antragstellung nach der Ausgleichsordnung schließe die Inanspruchnahme der Bestimmung des § 23 (2) AngG. grundsätzlich aus, weil der Ausgleich nicht auf die Auflösung, sondern auf die Sanierung des Unternehmens abziele; sei aber der Ausgleich auf die Liquidation des Unternehmens abgestellt, so führe diese zu demselben Ergebnis wie der Konkurs, somit zur Beendigung der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmers. Auch im Fall des Liquidationsausgleichs dürfe daher der Dienstnehmer nicht schlechter gestellt werden, als wenn über das Vermögen des Dienstgebers der Konkurs eröffnet worden wäre.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung nicht zu. Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung (insbesondere SZ. X 110) die Bestimmung des § 23 (2) AngG. im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dienstgebers nicht zur Anwendung kommt. Der Zweck dieser Bestimmung besteht, wie der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausführt, darin, daß der Unternehmer, der sein Unternehmen auflöst oder auflösen muß, davor bewahrt werden soll, wegen der Abfertigungen, die er dann zu bezahlen hätte, statt ruhig zu liquidieren und noch schuldenlos herauszukommen, das Konkursverfahren über sich ergehen lassen zu müssen. Im Gegensatz zum Konkursverfahren bringt der Liquidationsausgleich maßgebende Vorteile für den Schuldner, er bringt ihn bei Erfüllung des Ausgleichs die endgültige Befreiung von seinen über die Ausgleichsquote hinausreichenden Schulden und daher zwar wie jede Betriebsauflösung die Vernichtung der Existenz des Betriebes, er hat aber nicht die für das künftige wirtschaftliche Fortkommen des Gemeinschuldners vernichtende Wirkung des Konkurses durch Aufrechterhaltung seiner nicht mehr abgedeckten Schulden zur Folge. Diese Wirkung hintanzuhalten, ist der Zweck der Schutzbestimmung des § 23 (2) AngG. für den Dienstgeber. Daß auch im Fall der Auflösung des Unternehmens im Zug eines Liquidationsausgleichs eine Befreiung von der Verpflichtung zur Gewährung der Abfertigungen erfolgen kann, hat der Oberste Gerichtshof auch in den Entscheidungen SZ. VIII 116 und Soz. I A/d S. 421 nicht verneint. Dieser Auffassung steht auch nicht, wie die Kläger vermeinen, die Novelle zur Ausgleichsordnung vom 18. November 1959, BGBl. Nr. 253/59, entgegen, wonach gemäß § 23 AO. der Betrag für bevorrechtete Forderungen bei Ansprüchen aus der Beendigung des Dienstverhältnisses auf 18.000 S erhöht wurde. Aus dieser Bestimmung läßt sich eine Derogierung des § 23 (2) AngG. nicht ableiten. Die Einordnung der Abfertigungsansprüche in die bevorrechteten Forderungen nach der Ausgleichsordnung kommt eben nur dann in Frage, wenn diese Ansprüche zu Recht bestehen. Nun bestehen sie aber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 (2) AngG. nicht, das Angestelltengesetz befreit den Dienstgeber in diesen Fällen von der Verpflichtung zur Gewährung der Abfertigungen, diese Ansprüche lassen sich daher auch in die Fälle des § 23 AO. nicht einreihen. Daß die Angestellten, worauf die Revision schließlich hinweist, im Fall des Liquidationsausgleichs mit ihren Abfertigungsansprüchen schlechter gestellt seien als im Fall eines Konkurses, mag zutreffen, doch handelt es sich hier um eine gesetzliche Schutzbestimmung für den Dienstgeber, die vom Angestellten im Fall des Niedergangs des Unternehmens hingenommen werden muß.

Wie die Kläger schon in ihrer Berufung vorgebracht haben, wäre zu prüfen gewesen, ob dem Betriebsinhaber im vorliegenden Fall die Erfüllung seiner Verpflichtung wenigstens zum Teil billigerweise zugemutet werden kann. Diese Frage muß bejaht werden. Wie festgestellt wurde, hat der Betriebsinhaber allen seinen nicht bevorrechteten Gläubigern die Bezahlung von 50% ihrer Forderungen angeboten. Konnte er unter diesen Umständen die Annahme des Ausgleichs erreichen, wodurch er die Befreiung von existenzbedrohenden Schulden erhielt, dann ist es nicht einzusehen, warum gerade die Angestellten, die jahrelang für den Betrieb Dienste erbracht haben, zur Gänze um ihre Ansprüche noch § 23 (1) AngG. kommen müßten (so auch SZ. VIII 116). Dem Betriebsinhaber konnte billigerweise zugemutet werden, seinen Angestellten jenen Prozentsatz ihrer Forderungen zu gewähren, den er seinen nicht bevorrechteten Gläubigern angeboten hat, nämlich 50%.

Anmerkung

Z40051

Schlagworte

Abfertigung, Auflösung des Unternehmens, Angestellter, Abfertigung bei Unternehmensauflösung, Dienstgeber, Abfertigung bei Unternehmensauflösung, Liquidationsausgleich, Abfertigung, Unternehmen, Abfertigung bei Auflösung des -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0040OB00024.67.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19670418_OGH0002_0040OB00024_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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