TE OGH 1967/5/9 8Ob100/67

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Veröffentlicht am 09.05.1967
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer, Dr. Rothe, Dr. Hager und Dr. Sperl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "W*****"-*****, vertreten durch Dr. F. G. Aufricht, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 5.962 sA (Streitwert S 36.000 sA) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 8. Februar 1967, GZ 1 R 37/67-19, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 30. Dezember 1966, GZ 11 Cg 500/66-16, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 830,43 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des Schillinggegenwertes von DM 5.962 sA zum Kurs der Wiener Börse am Zahlungstag; die Klägerin habe der Beklagten auf Grund deren Bestellung Waren um den eingeklagten Betrag ordnungsgemäß geliefert. In der ersten Tagsatzung meldete die Beklagte die Einrede der örtlichen und sachlichen Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit des Rechtsweges an. Diese Einreden wurden in der Klagebeantwortung damit begründet, dass die Streitteile im Vertrage vom 20. Februar 1964 für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ein Schiedsgericht in Zürich, das nach den Regeln der internationalen Handelskammer zu entscheiden habe, vereinbart hätten. Überdies wendete die beklagte Partei ein, dass die Klagsforderung durch Aufrechnung einer Gegenforderung getilgt sei; die Gegenforderung sei daraus entstanden, dass die klagende Partei den erwähnten Vertrag nicht eingehalten, vielmehr entgegen diesem Vertrag, der der beklagten Partei das alleinige Recht zugestanden habe, die Erzeugnisse der Klägerin in Österreich und einigen anderen europäischen Ländern zwecks Wiederverkaufes zu kaufen, ihre Erzeugnisse wiederholt an Kunden, insbesondere nach Österreich, geliefert habe.

Das Erstgericht hat die Klage zurückgewiesen, da die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit begründet sei. Die Klagsforderung und die eingewendete Gegenforderung beträfe eine Streitigkeit aus dem Vertrag vom 20. 2. 1964, über die das vereinbarte Schiedsgericht zu entscheiden habe.

Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss auf, und gab dem Erstgericht den Auftrag, über die Klagsforderung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrunde das gesetzliche Verfahren fortzusetzen. Ferner sprach das Rekursgericht aus, dass für die geltend gemachte Gegenforderung das im Vertrag vom 20. Februar 1964 vereinbarte Schiedsgericht zuständig sei. Entgegen dem Erstgericht vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass nach diesem Vertrag nicht jede Streitbarkeit aus den Rechtsbeziehungen der beiden Parteien der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sein sollte, sondern nur Streitigkeiten aus dem eigentlichen Vertragsverhältnis. Bei der unbestrittenen Klagsforderung handle es sich nicht um eine solche Streitigkeit. Das Geschäft, auf das sich der Klagsanspruch stütze, sei ein durchaus selbständiges, ohne Beziehung auf den Vertrag eingegangenes und zu beurteilendes Geschäft. Es bestehe daher keine Grundlage für die Annahme des Erstgerichtes, dass auch für dieses Geschäft das Schiedsgericht hätte gelten sollen. Ob die geltend gemachte Gegenforderung mit der Klagsforderung in einem rechtlichen Zusammenhang stehe, könne dahingestellt bleiben. Die Einwendung der Gegenforderung betreffe zweifellos eine Streitigkeit aus dem Vertrage vom 10. 2. 1964, und werde daher vom Erstgericht zurückzuweisen sein.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei bekämpft den Beschluss des Rekursgerichtes mit Rekurs, richtig Revisionsrekurs, der gerechtfertigt ist. Es trifft zwar zu, wie das Rekursgericht hervorhebt, dass die Vereinbarung zwischen den Streitteilen dahin gelautet habe, das Schiedsgericht habe Streitigkeiten aus dem Vertrage vom 10. 2. 1964 zu entscheiden. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes RSpr. 1936 Nr. 329, auf welche die klagende Partei in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss Bezug nimmt, sagt aber nur, dass ein Schiedsvertrag nicht auf Ergänzungsabkommen ausgedehnt werden könne. Sie ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Vereinbarung vom 20. 2. 1964 kann aber nach Treu und Glauben nicht so enge ausgelegt werden, dass darunter nur solche Streitigkeiten zu verstehen sind, die sich auf einzelne Vertragsbestimmungen beziehen. Die beklagte Partei macht mit Recht geltend, dass das Geschäft, aus dem nach den Behauptungen der Klägern die Klagsforderung abgeleitet wird, ein Geschäft auf Grund des Vertrages vom 20. 2. 1964 war, in dem die klagende Partei der beklagten Partei das alleinige Recht eingeräumt hat, bestimmte Erzeugnisse der Klägerin zum Wiederverkauf in bestimmten Gebieten zu kaufen. Als Grundlage auch des einzelnen Geschäftes ist daher der Rahmenvertrag der Parteien vom 20. 2. 1964 anzusehen. Entsteht aber aus einem solchen Geschäft, wie im vorliegenden Fall, ein Streit, dann ist zu dessen Entscheidung das vereinbarte Schiedsgericht zuständig, wenn, wie es hier geschehen ist, die beklagte Partei rechtzeitig die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes erhoben hat. Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben, ohne auf dessen weiteres Vorbringen, das sich auf die von der beklagten Partei geltend gemachte Gegenforderung bezieht, einzugehen war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E85434 8Ob100.67

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0080OB00100.67.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19670509_OGH0002_0080OB00100_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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