Norm
Ehegesetz §§66 ffKopf
SZ 40/95
Spruch
Bei verschiedenem Personalstatut geschiedener Eheleute ist beim Unterhaltsanspruch der Frau an das Personalstatut des Mannes anzuknüpfen.
Entscheidung vom 29. Juni 1967, 1 Ob 125/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innnsbruck.
Text
Die Klägerin ist jugoslawische Staatsbürgerin. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Kragujevac, Jugoslawien, vom 3. Dezember 1948, wurde die zwischen den Streitteilen am 23. Oktober 1940 in der orthodoxen Kirche in B. geschlossene Ehe aus dem Verschulden des Beklagten geschieden. Dieses Urteil ist seit 31. März 1949 rechtskräftig. Mit der Behauptung, der Beklagte sei nach Scheidung seiner Ehe nach Österreich geflohen und habe hier ein monatliches Einkommen von 10.000 S, beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, ihr ab 25. April 1966 einen monatlichen Unterhalt von 1500 S zu bezahlen. Sie lebe seit etwa einem Jahr in Innsbruck und verdiene als Näherin monatlich nur rund 1400 S.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er behauptet, er sei Offizier der königlich-jugoslawischen Armee gewesen. Als solcher habe er vorerst gegen die Deutschen und die Kommunisten und dann gegen letztere allein, und zwar bis zum Jahre 1952, gekämpft. Um nicht in die Hände der Truppen Titos zu fallen, sei er genötigt gewesen, im Oktober 1952 nach Österreich zu flüchten. Die Klägerin sei auch heute noch jugoslawische Staatsbürgerin. Seine Staatsbürgerschaft sei nicht geklärt. Er habe von der Polizei einen Ausweis erhalten, woraus sich ergebe, daß nach der Konvention vom 28. Juli 1951 die Staatsbürgerschaft nicht geklärt sei. Er müsse noch als jugoslawischer Staatsbürger angesehen werden, sodaß für den Rechtsstreit jugoslawisches Recht anzuwenden sei. Nach diesem Recht sei der Beklagte, dem im Ehescheidungsurteil eine Unterhaltspflicht nicht auferlegt worden sei, von jeder Unterhaltsleistung frei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Nach § 7 (1) der 4. DVzEheG. sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach jugoslawischem Recht zu beurteilen. Nach dem in Jugoslawien geltenden Staatsgrundgesetz vom 3. April 1946 habe nur der unversorgte Ehegatte, der arbeitsunfähig oder arbeitslos sei, und der an der Scheidung keine Schuld trage, gegenüber der anderen Gatten Anspruch auf Unterhalt, insofern dieser dazu in der Lage sei. Da nun die Klägerin arbeitsfähig sei und ein Arbeitseinkommen beziehe, sei sie nicht anspruchsberechtigt.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei.
Es sei der Klägerin zuzustimmen, daß die Frage der Staatsbürgerschaft des Beklagten bisher nicht hinreichend überprüft worden sei. Ihre Feststellung sei aber für die Entscheidung nicht erforderlich. Der Beklagte sei nach dem beiderseitigen Vorbringen Flüchtling in Österreich im Sinne der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, Art. 1 A 2. Nach Art. 12 Z. 1 dieser Konvention sei die personenrechtliche Stellung des Beklagten, weil er seinen Wohnsitz in Österreich habe, nach österreichischem Recht zu beurteilen. Die Klägerin habe daher gegen den Beklagten den Anspruch auf den mangelnden anständigen Unterhalt, für dessen Feststellung aber die vorliegenden Beweisergebnisse nicht hinreichten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 7 (1) der 4. DVzEheG. werden die persönlichen Rechtsbeziehungen österreichischer Ehegatten zueinander nach den österreichischen Gesetzen beurteilt, auch wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Ausland haben. Abs. 2 regelt den hier nicht in Frage kommenden Sonderfall, daß der Mann die österreichische Staatsangehörigkeit verlor, während die Frau sie weiterhin besitzt. Der Fall, daß von ausländischen Ehegatten der Mann die österreichische Staatsangehörigkeit erwirbt oder, was in dem Zusammenhang gleichbedeutend ist, als Konventionsflüchtling das Personalstatut nach Art. 12 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom Recht des Wohnsitzes oder in dessen Ermangelung vom Aufenthaltsort bestimmt wird, ist im Gesetz nicht geregelt. Nach der Rechtssprechung (SZ. XXVII 217) und der überwiegenden Rechtslehre (Köhler, Internationales Privatrecht[3] S. 73, Raape, Internationnales Privatrecht[5] S. 402, Kegel, Internationales Privatrecht S. 253) ist bei verschiedenem Personalstatut der Eheleute an das Personalstatut des Mannes anzuknüpfen (so schon im Ergebnis 6 Ob 171, 172/60). Dies gilt auch nach Scheidung der Ehe (Köhler, a. a. O., S. 74).
Wenn Schwind in Klang[2] I/1 867, lehrt, daß sich der Unterhaltsanspruch nach dem Scheidungsstatut richte, das ja auch darüber zu entscheiden hat, ob das Urteil einen Schuldausspruch zu enthalten habe, so kann diese Auffassung - sie steht offensichtlich mit Schwinds Ansicht, die Unterhaltungspflicht nach einer Scheidung sei von der während des Bestandes der Ehe wesenhaft verschieden (vgl. Schwind a. a. O. S. 843), in Zusammenhang - nicht geteilt werden. Über den Verschiedenheiten des Unterhaltsanspruches der Ehefrau während der Ehe (§ 91 ABGB.) und nach deren Scheidung (§§ 66 ff. EheG.) darf doch nicht übersehen werden, daß die Grundlage beider Arten des gesetzlichen Unterhaltes in der Eingehung der Ehe liegt. Die Scheidung bringt nur eine Modifikation des durch Eingehung der Ehe erworbenen Unterhaltsanspruches mit sich.
So wichtig das anzuwendende Scheidungsrecht für die Begründung und nähere Ausgestaltung eines Unterhaltsanspruches auch ist, so ist dennoch überdies zu beachten, daß für seine Durchsetzbarkeit die jeweilige wirtschaftliche Situation des unterhaltspflichtigen Ehegatten maßgebend sein wird. Es ist daher bei einer Änderung der Staatsangehörigkeit, die ja regelmäßig mit einem Wohnsitzwechsel verbunden sein wird, auch zweckmäßiger, den Unterhaltsanspruch nach dem Ehewirkungsstatut des § 7 (1) EheG. zu beurteilen. Damit soll nicht verkannt werden, daß sich wegen der möglichen Verschiedenheit der Regelung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches der Frau nach der Scheidung der Ehe in den einzelnen Rechtsgebieten Schwierigkeiten für die Rechtsanwendung ergeben können. Dies gilt aber auch in gleichem Maße für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Frau während der Ehe und kann und muß daher in Kauf genommen werden.
Das Berufungsgericht geht von der Annahme aus, daß die personenrechtliche Stellung des Beklagten als Konventionsflüchtling gemäß Art. 12 Z. 1 vom Gesetz seines Wohnsitzlandes, also nach österreichischem Recht, bestimmt wird. Demnach wäre auch auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin im Sinne der obigen Darlegungen österreichisches Recht anzuwenden.
Nun steht zwar fest, daß sich der Beklagte unter Umständen in Österreich aufhält, die seine Rechtsstellung als Konventionsflüchtling begrunden könnten. Mit Recht weist jedoch der Beklagte darauf hin, daß er selbst schon im Verfahren vor dem Erstgericht sich gegen die Anwendung des österreichischen Rechtes ausgesprochen hat und als jugoslawischer Staatsbürger das Recht seines Heimatstaates angewendet wissen wollte. Nun wäre es gewiß nicht zulästig, daß ein Konventionsflüchtling in Beziehung auf gewisse Rechtsangelegenheiten die Konvention angewendet wissen will, in anderen wiederum nicht. Es ist aber in erster Instanz noch nicht erörtert worden, ob der Beklagte Konventionsflüchtling geworden ist und noch ist. Dies hängt, wie sich aus Art. 1 A Z. 2 und C Z. 1 leg. cit. ergibt, weitgehend vom Willen des Flüchtlings ab. Dieses subjektive Merkmal des Flüchtlingsbegriffes, ob nämlich der Beklagte nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen, bedarf noch einer Erörterung, ehe festgestellt werden kann, ob der Beklagte als Konventionsflüchtling zu behandeln ist. Die Tatsache, daß für ihn ein Reisedokument nach der Konvention von einer österreichischen Behörde ausgestellt worden ist, enthebt das Gericht nicht der Prüfungspflicht der Flüchtlingseigenschaft (1 Ob 234/61 = ZfRV. 1962 S. 39, 1 Ob 178/64 = EvBl. 1965, Nr. 232). Auch aus der im Rekurs herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XXI 96, die nicht einschlägig ist, ergeben sich keine anderen Gesichtspunkte.
Abschließend ist noch darauf einzugehen, ob die Anwendung des Heimatrechtes der Parteien gegen die Vorbehaltsklausel des § 18 der
4. DVzEhgG. verstoßen würde. Nach den vom Erstgericht wiedergegebenen Bestimmungen des jugoslawischen Rechtes, auf die verwiesen wird (vgl. Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jugoslawien, S. 28) kann unter gewissen Voraussetzungen dem schuldlos geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch gewährt werden. Die Anwendung dieser Bestimmungen des jugoslawischen Rechtes wird oft zu ähnlichen Ergebnissen führen wie die der §§ 66 ff. EheG. und verstößt nicht gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes. Ein Verstoß gegen die guten Sitten könnte aber selbst dann nicht angenommen werden, wenn im Einzelfall nach jugoslawischem Recht ein Unterhaltsanspruch der schuldlos geschiedenen Ehegattin zu verneinen wäre, zumal dies auch nach österreichischem Recht möglich ist. Das Erstgericht wird allerdings noch zu prüfen haben, ob das von ihm aus Bergmann a. a. O. ermittelte jugoslawische Recht dem derzeitigen Rechtszustand entspricht (§ 271 ZPO.), falls dieses Recht angewendet werden muß.
Der Rekurs des Beklagten ist also im Ergebnis unbegrundet.
Anmerkung
Z40095Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1967:0010OB00125.67.0629.000Dokumentnummer
JJT_19670629_OGH0002_0010OB00125_6700000_000