Norm
ABGB §1438Kopf
SZ 40/145
Spruch
Wird die Frage der Gegenforderung erst im Berufungsverfahren aktuell, muß das Berufungsgericht zur Gegenforderung Stellung nehmen, insbesondere bei konnexen Forderungen.
Entscheidung vom 10. November 1967, 2 Ob 310/67.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Nach dem festgestellten Sachverhalt ist es am 25. Oktober 1963 um
21.30 Uhr in Mitterdorf, Bezirk Weiz, Steiermark, auf der Landesstraße Nr. 1 zu einem Verkehrsunfall gekommen. Der Kläger ist mit dem ihm gehörigen PKW auf der Landesstraße Nr. 1 in Richtung Graz gefahren und mit dem von rechts aus einer Gemeindestraße mit einem PKW einfahrenden Beklagten zusammengestoßen. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Die beiden Parteien sind vom Strafgericht rechtskräftig freigesprochen worden.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Schadenersatzansprüche in der Höhe seines Sachschadens von 13.500 S geltend gemacht, das sind 13.000 S an Sachschaden und 500 S an Kreditbeschaffungskosten. Er hat behauptet, daß der Beklagte den Unfall allein verschuldet habe, weil er seinen Kraftwagen vor dem Einfahren in die Landesstraße angehalten und dadurch deutlich einen Vorrangverzicht abgegeben habe. Dann aber habe der Beklagte seine Fahrt ohne Rücksicht auf den Kläger fortgesetzt.
Der Beklagte hat Klagsabweisung begehrt und eingewendet, daß der Kläger den Unfall verschuldet habe, weil er seinen Vorrang nicht beachtet habe. Er habe seinen Kraftwagen nur ganz kurz angehalten. Dies habe der Kläger nicht wahrnehmen können. Sein Kraftwagen sei schon fast parallel zur Landesstraße gewesen, als sich die Fahrzeuge streiften. Der Kläger sei zu schnell gefahren und habe zu spät den Bremsentschluß gefaßt.
Der Beklagte hat seinen eigenen Schaden wegen der Beschädigung seines Kraftwagens in der Höhe von 8581 S compensando eingewendet.
Die Parteien haben die Kreditbeschaffungskosten von 500 S, den Erlös für das Wrack von 2000 S und die 8 1/2% Zinsen außer Streit gestellt.
Das Erstgericht hat das alleinige Verschulden des Beklagten angenommen und dem Klagebegehren stattgegeben. In der Begründung des Urteiles hat es zum Ausdruck gebracht, daß die Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht hat nach Beweiswiederholung der Berufung des Beklagten teilweise Folge gegeben. Es hat das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß es bei einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger 6570 S, das ist die Hälfte der eingeklagten 13.500 S, zu bezahlen. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß den Kläger insoweit ein Verschulden treffe, als er trotz der sich ihm bietenden unklaren Verkehrssituation nicht rechtzeitig geeignete Vorkehrungen getroffen habe, zumal er sich im Nachrang befunden habe. Dem Beklagten sei deshalb ein Verschulden anzulasten, weil er bei der für ihn erkennbaren schwierigen Verkehrssituation weder die Verkehrslage mit der erforderlichen besonderen Sorgfalt beobachtet, noch mit der erforderlichen Beschleunigung in die Landesstraße eingefahren sei. Zu denselben Ergebnissen komme man auch bei Beurteilung des Sachverhaltes nach den Grundsätzen der Erfolgshaftung. Beide Parteien haben nicht die erforderliche Sorgfalt beobachtet.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Sie machen den Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. geltend. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das alleinige Verschulden des Beklagten angenommen und seinem ganzen Klagebegehren stattgegeben werde. Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen, oder dem Kläger unter Berücksichtigung der eingewendeten Gegenforderung lediglich 2459.50 S zugesprochen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge; er gab jedoch der Revision der beklagten Partei teilweise Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Stellt man das Verhalten der beiden Parteien gegenüber, dann ist die Annahme des Berufungsgerichtes gerechtfertigt, daß ein besonderes Überwiegen des schuldhaften Verhaltens der einen oder anderen Partei nicht gegeben und daher das gleichteilige Verschulden der beiden Parteien anzunehmen ist.
Dem Obersten Gerichtshof ist es aber nicht möglich, in der Sache selbst zu entscheiden, weil das Berufungsgericht unterlassen hat, zur Gegenforderung des Beklagten Stellung zu nehmen. Mit Recht wendet sich der Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß seine Gegenforderung nicht zu behandeln gewesen sei, weil er hiezu nichts vorgebracht und keine besonderen Anträge gestellt habe. Der Beklagte weist richtig darauf hin, daß es im vorliegenden Fall eines besonderen Vorbringens und eines besonderen Antrages bezüglich der Gegenforderung im Berufungsverfahren nicht bedurft habe. Der Beklagte hat eine Gegenforderung in erster Instanz eingewendet. Das Erstgericht hat zwar nicht im Urteilsspruch, aber in den Gründen seines Urteiles ausgesprochen, daß die Gegenforderung, und zwar nur deshalb nicht zu Recht bestehe, weil den Beklagten das alleinige Verschulden an dem Verkehrsunfall treffe. Im Berufungsverfahren hat nun der Beklagte den Antrag gestellt, das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Er hat hiezu ausgeführt, daß ihn an dem Verkehrsunfall kein Verschulden treffe und er dafür nicht hafte. Da nun das Berufungsgericht zu einer Verschuldensteilung gelangt ist, die sich nach den obigen Ausführungen als richtig erweist, ist die Gegenforderung erst aktuell geworden. Die lediglich in den Gründen zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Erstgerichtes, daß die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, hatte ihren Grund einzig und allein in der Verschuldensfrage. In der Anfechtung der Rechtsansicht des Erstgerichtes zur Verschuldensfrage und im Antrag des Beklagten auf Klagsabweisung war jedenfalls auch seine geltend gemachte Gegenforderung mitinbegriffen, zumal er diese bis dahin auch nicht ausdrücklich aufgegeben hatte. Schließlich handelt es sich aber bei den beiden Forderungen um konnexe Forderungen, weshalb das Berufungsgericht auch aus diesem Gründe die Gegenforderung hätte berücksichtigen müssen (siehe auch Fasching, Kommentar zu den ZP.- Gesetzen, III, S. 585 zu § 391 ZPO.).
Das Berufungsgericht wird nunmehr, ausgehend von der Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1, über die Gegenforderung des Beklagten zu befinden und sodann neuerlich über den Klagsanspruch unter Berücksichtigung der Gegenforderung zu entscheiden haben.
Anmerkung
Z40145Schlagworte
Berufungsverfahren, Behandlung der Gegenforderung im -, Gegenforderung, Behandlung im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1967:0020OB00310.67.1110.000Dokumentnummer
JJT_19671110_OGH0002_0020OB00310_6700000_000