Norm
Urheberrechtsgesetz §1Kopf
SZ 40/162
Spruch
Im Plagiatstreit (§ 81 UrhG.) unterscheidet allein die Übereinstimmung zwischen dem Original und dem Verletzungsgegenstand im schöpferischen, also in jenem Teil des Originals, das diesem das Gepräge der Einmaligkeit gibt.
Schutz der sogenannten "inneren Form" eines Werkes.
Entscheidung vom 12. Dezember 1967, 4 Ob 351/67.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger hat im Jahre 1949 einen mit "Das Neue Lied" oder "Die vertippte Arie" betitelten Sketch geschrieben. Die Grundidee desselben besteht darin, daß eine Person einer anderen ein Blatt mit einer Komposition zum Vorsingen überreicht. Auf Grund gewollter Tippfehler ergeben sich dann beim Vorsingen komische Effekte.
In seiner am 8. April 1967 eingebrachten Klage wirft der Kläger dem Erstbeklagten vor, dieser habe in die dem Kläger als Autor des oben genannten Sketches zustehenden Urheberrechte dadurch eingegriffen, daß er in einer in sich geschlossenen Szene seines Lustspiels "Polterabend" dieselben Ausgangsstellungen, Entwicklungen und Handlungsabläufe mit nur unwesentlichen Veränderungen verwendet habe. Es liege somit seitens des Erstbeklagten ein Plagiat vor. Für diesen Eingriff in die Urheberrechte hafte auch die Zweitbeklagte als Inhaberin des Unternehmens, in welchem dieses Stück aufgeführt worden sei. Er begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, 1. einen Betrag von 20.000 S s. A. als angemessenes Entgelt im Sinn des § 86 UrhG., 2. einen Betrag von 16.000 S s. A. als angemessene Entschädigung im Sinne des § 87 UrhG. zu bezahlen und 3. jede weitere Handlung, die das Urheberrecht bzw. die dem Kläger zustehenden Werknutzungsrechte verletze, zu unterlassen.
Die Beklagten beantragen, das Begehren abzuweisen. Sie geben zu, daß sich die vom Kläger behauptete Grundsituation auch in einem Teil ihrer Szene des zweiaktigen Musicals "Polterabend" finde, bestreiten aber, daß darin "Das neue Lied" des Klägers nach Ausgangsstellung, Entwicklung und Handlungsablauf mit nur unwesentlichen Veränderungen verwendet worden sei. Schon der Liedtext im "Polterabend" und demnach auch die Tippfehler seien völlig verschieden vom Liedtext und den Tippfehlern im "Neuen Lied" des Klägers. Der beiden Schöpfungen gemeinsame komische Grundgedanke aber, Wirkungen durch Verdrehung von Worten zu erzielen, sei eine uralte Methode.
Dem Verfahren trat die Firma Felix B. Erben als Nebenintervenientin auf Seite des Erstbeklagten bei. Ihr seien die alleinigen und ausschließlichen Bühnenverlags- und Vertriebsrechte an dem Musical "Polterabend" vom Erstbeklagten übertragen worden.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es stellte fest, daß "Das neue Lied" des Klägers und die beanstandete Szene in dem vom Beklagten verfaßten Musical "Polterabend" textlich und inhaltlich verschieden seien. Gemeinsam sei beiden Schöpfungen, daß eine Person einer anderen ein Blatt Papier zum Vorsingen überreiche und daß sich auf Grund von gewollten Tippfehlern komische Effekte ergäben. Diese Grundidee sei aber nicht neu. Als Beispiel hiefür verwies des Erstgericht auf die "Meistersinger von Nürnberg" und Shakespeares "Sommernachtstraum". Die Methode, diese Effekte durch Dialoge zu erzielen, bei denen ein Teil kundig und der andere unkundig sei, sei schon seit geraumer Zeit angewendet worden (Wondra und Zwickl, Farkas, Waldbrunn usw.). Somit könne dem "Neuen Lied" des Klägers kein Urheberrechtsschutz beigemessen werden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Vorauszuschicken ist, daß dem Klagebegehren in seinem Punkt 3 kein Erfolg zuerkannt werden könnte, selbst wenn eine Verletzung der Urheberrechte des Klägers vorläge. Ein allgemeines Verbot, jede weitere Handlung, die das Urheberrecht bzw. Werknutzungsrecht des Klägers verletze, kann nicht begehrt werden. Die zu unterlassende Handlung muß vielmehr schon im Begehren selbst konkretisiert werden (SZ. XXV 18 u. v. a.).
Auch hinsichtlich der unter 1. und 2. der Klage erhobenen Begehren kann der Revision nicht Erfolg zuerkannt werden.
Nur dann ist ein Werk des Urheberrechtsschutzes fähig, wenn es sich um eine eigentümliche Schöpfung handelt, wenn seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit seines Schöpfers herrührt (SZ. XXVI 263, SSt. XXXIII 16, SZ. XXXVII 27 u. v. a.). Nur unter diesen Voraussetzungen genießt ein Werk den Schutz vor unbefugter Nachahmung, dem sogenannten Plagiat. Demnach entscheidet im Plagiatstreit allein die Übereinstimmung zwischen dem Original und dem Verletzungsgegenstand im schöpferischen, also in jenem Teil des Originals, das diesem das Gepräge der Einmaligkeit gibt (Schramm, Die schöpferische Leistung, S. 225 Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, S. 84, Mitteis Grundriß des österreichischen Urheberrechtes, S. 29 f., Ulmer, Deutsches Urheber- und Verlagsrecht, S. 222 ff.). Bei der Beurteilung der hier zur Lösung stehenden Frage, ob und inwiefern durch den Erstbeklagten in die Urheberrechte des Klägers an seinem "Neuen Lied" eingegriffen wurde, ist daher zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß zwischen den beiden Werken eine Übereinstimmung besteht und ob der dem Werk des Klägers entnommene Teil dessen individuelle Züge trägt.
Daß die Grundidee, nämlich die Erzielung komischer Effekte durch Ablesen oder Absingen eines fehlerhaften Konzepts, nicht geschützt ist, gibt der Kläger bereits in der Berufung zu und bringt dies auch in der Revision zum Ausdruck. Auf die Übernahme dieser Grundidee wird das Begehren also nicht gestützt. Allenfalls könnten dem vom Kläger stammenden Text einschließlich des verballhornten Teiles des Gedichtes, durch den erst die komische Wirkung erzielt wird, individuelle Züge und daher Urheberrechtsschutz zuerkannt werden, ob dies der Fall ist, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil gerade dieser Text vom Erstbeklagten nicht übernommen wurde. Darauf kann der Kläger sein Begehren also ebenfalls nicht stützen. Hinsichtlich einer gleichen Musikbegleitung oder der Rhythmik fehlt es an einer entsprechenden Behauptung im erstinstanzlichen Verfahren. Der Kläger behauptet vielmehr, die Ausgangsstellung, die Entwicklungen und Handlungsabläufe seien vom Erstbeklagten verwendet worden. Auch dieser Vorwurf trifft hier nicht zu, abgesehen davon, daß der Kläger nicht näher ausführt, worin die Gleichartigkeit der Ausgangsstellung, der Entwicklung und des Handlungsablaufes bestehen soll. Die Ausgangsstellung im Sketch "Das Neue Lied" besteht darin, daß der erste Vortragende dem Publikum den Vortrag eines neuen Liedes ankundigt, der dann von dem wie zufällig auf die Bühne zurückkommenden zweiten Vortragenden übernommen wird. Im Musical "Polterabend" ist die betreffende Szene aber in den Handlungsablauf insofern eingebaut, als die das Notenblatt übergebende Frau den angesprochenen Mann dadurch, daß sie ihn ersucht, das Lied zu singen, in sie verliebt machen will. Ihr selbst sind die Tippfehler unterlaufen, während diese im Sketch des Klägers von einem 13jährigen Mädchen stammen. Auch mangelt dem Gedanken, durch einen Vortragenden einen anderen zum Absingen eines Notenblattes zu bringen, die schöpferische Eigentümlichkeit. Dasselbe gilt von den vom Kläger ins Treffen geführten Entwicklungen und Handlungsabläufen. Wohl genießen die einem Werk eigentümlichen inneren Baugesetze, die sogenannte innere Form, den Urheberrechtsschutz, die der Verwirklichung der Idee dient und die in der Art und Weise der Stoffgestaltung besteht, die der Urheber unter unzähligen Möglichkeiten gewählt hat, z. B. die Szenenfolge, Aktienteilung, Einführung der handelnden Personen, die Schürzung und Lösung des Knotens usw. Die Entwicklung des Geschehens in dem vom Kläger verfaßten Sketch, die in nichts anderem als im Vortrag des vertippten Textes durch die zweite Person besteht, ergibt sich zwangsläufig aus dem Stoff selbst. Was sich aber aus dem Stoff zwangsläufig ergibt, beruht nicht auf einer individuell schaffenden Geistestätigkeit.
Dem Kläger ist somit der Nachweis einer unzulässigen Nachahmung seines Werkes durch den Erstbeklagten nicht gelungen. Die in das Musical "Polterabend" aufgenommene und vom Kläger beanstandete Szene mag in mehrfacher Beziehung Ähnlichkeiten mit dem vom Kläger stammenden Sketch aufweisen. Die übereinstimmenden Teile beider Werke aber betreffen nicht jenen Teil des Werkes des Klägers, der als Ergebnis seiner eigenen schöpferischen Gestaltung angesehen werden könnte. Geht man von diesen Erwägungen aus, erweist sich auch die Mängelrüge der Revision als nicht berechtigt. Ob dritte Personen bei der Aufführung des Musicals den Eindruck eines Plagiats hatten, ist für die Beantwortung der vom Gericht allein zu lösenden Rechtsfrage nach dem Vorliegen einer Verletzung des Urheberrechtes belanglos.
Anmerkung
Z40162Schlagworte
Form, innere eines Werkes, urheberrechtlicher Schutz, Plagiat, Schutz der inneren Form eines Werkes, Urheberschutz, innere Form des Werkes, PlagiatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1967:0040OB00351.67.1212.000Dokumentnummer
JJT_19671212_OGH0002_0040OB00351_6700000_000