Norm
ABGB §778Kopf
SZ 41/22
Spruch
Die ausdrückliche Erwähnung des nachgeborenen Noterben genügt zur Hintanhaltung der Entkräftung letztwilliger Anordnungen gemäß § 778
ABGB.
Entscheidung vom 20. Februar 1968, 8 Ob 36/68.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die Erstklägerin ist die Witwe des am 18. Juli 1964 verstorbenen Stefan P. Die Zweitklägerin ist dessen am 25. September 1964 geborene eheliche Tochter. Stefan P. hinterließ eine am 7. April 1964 errichtete letztwillige Anordnung, mit der er seinen geschlossenen Bauernhof seinem außerehelichen Sohn, dem Erstbeklagten, zuwendete. Die beiden anderen Beklagten sind Schwestern des Erblassers, die in der letztwilligen Anordnung mit Legaten bedacht wurden. Die Erstklägerin ist in der letztwilligen, Anordnung nicht erwähnt. Hinsichtlich der Zweitklägerin heißt es dort: "... muß für mein angeblich im August 1964 geboren werdendes Kind bis zu seinem eigenen Fortkommen gesorgt werden, wenn die Fähigkeiten da sind, etwas lernen zu lassen, außerdem muß es bis zu seiner Volljährigkeit einen Bauplatz von 1000 m2 und 50 fm Bauholz erhalten. Vorkaufsrecht kann vorbehalten werden."
Die beiden Klägerinnen machen die Ungültigkeit der letztwilligen Anordnung wegen vorliegender Willensmängel im Sinn des § 565 ABGB. und wegen Irrtums in Beweggrund nach § 572 ABGB. geltend. Hilfsweise wird geltend gemacht, daß hinsichtlich der Zweitklägerin in der letztwilligen Anordnung keine Vorsehung im Sinn des § 778 ABGB. getroffen worden sei. Schließlich wird hilfsweise die Feststellung begehrt, daß die letztwillige Anordnung mangels Erbeinsetzung kein Testament darstelle.
Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch die beiden Eventualbegehren ab. Es stellte fest: Der damals etwa 43 Jahre alte Erblasser lernte die damals etwa 25 Jahre alte Erstklägerin im Winter 1962/1963 kennen und schloß mit ihr am 18. Mai 1963 die Ehe. Die Ehe war nicht glücklich. Die Erstklägerin erfuhr seitens der Angehörigen des Erblassers eine gewisse Ablehnung. Ab Oktober 1963 ging die Erstklägerin, die keine Bäuerin war und nur ungern bäuerliche Arbeiten verrichtete, wieder ihrem früheren Beruf als Kellnerin nach. Im Jänner 1964 teilte die Erstklägerin ihrem Gatten mit, daß sie schwanger sei. Letzterer hat nicht Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert. Er war wohl eifersüchtig, bezichtigte aber nie die Erstklägerin der Verletzung der ehelichen Treue. Stichhältige Beweise dafür, daß sich Stefan P., der etwa zehn Jahre vorher nach einem Hufschlag eine Hodenschwellung erlitten hatte, für zeugungsunfähig gehalten habe oder daß er sich hinsichtlich der Ehelichkeit der Zweitklägerin in einem Irrtum befunden habe, liegen nicht vor. Im Winter 1963/1964 wurde Stefan P., der bereits im Jahre 1960 wegen eines Geschwüres mit krebsartiger Entartung operiert worden war, neuerlich krank. Er begab sich am 7. April 1964 wegen eines Krebsrezidivs in das Krankenhaus. Er war damals vollkommen ruhig, psychisch ausgeglichen und normal. Er war weder willensschwach noch resigniert, seine Gehirntätigkeit war normal. Er erhielt damals auch keine schmerzstillende oder die Gehirntätigkeit dämpfende Medikamente. Solche Medikamente wurden ihm erst ab dem 13. April 1964, dem Tag der Ausführung der Operation, verabreicht. Beweise dafür, daß es Stefan P. bei Errichtung der letztwilligen Anordnung am 7. April 1964 an Ernst, Überlegung, Willensstärke und klarem Sinn gefehlt habe, liegen nicht vor. Der nunmehr etwa 22 Jahre alte Erstbeklagte hat schon während seiner Kindheit die Ferien teilweise bei seinem Vater verbracht und in der Landwirtschaft mitgeholfen. Stefan P. trug sich mit der Absicht, ihm einmal seinen Hof zu übergeben. Er ließ ihn auch im April 1964 für seine Landwirtschaft vom Militär freistellen. Das Erstgericht war der Ansicht, daß Willensmängel im Sinn des § 565 ABGB. oder ein Irrtum im Beweggrund im Sinn des § 572 ABGB. nicht vorlägen. Auch die beiden Eventualbegehren seien nicht begrundet. Die Zweitklägerin sei in der letztwilligen Anordnung nicht etwa übergangen worden. Die letztwillige Anordnung stelle ein Testament dar. Der Erblasser habe den Erstbeklagten zum Universalerben einsetzen und gleichzeitig mit verschiedenen Legaten belasten wollen. Er habe über sein ganzes Vermögen verfügt. Anhaltspunkte für die Annahme, daß die auf der Hofliegenschaft befindliche Fremdenpension ausgenommen sein sollte, lägen nicht vor. Die B.-alpe sei wohl ein eigener Grundbuchskörper. Aus der Textierung der letztwilligen Anordnung gehe aber eindeutig hervor, daß sich diese auch auf die B.-alpe erstrecken sollte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beiden Klägerinnen nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wird von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgegangen, dann ist den Vorinstanzen auch darin beizupflichten, daß die für die Ungültigkeit einer letztwilligen Anordnung im § 572 ABGB. geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Den Klägerinnen kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die letztwillige Anordnung wegen Fehlens einer Vorsehung zugunsten der Zweitklägerin im Sinn des § 778 ABGB. entkräftet sei. Die Klägerinnen meinen, eine Vorsehung im Sinn dieser Gesetzesstelle erfordere eine so ausreichende Vorsorge für das nachgeborene Kind, daß die ansonsten gebotene Ausmessung des gesetzlichen Pflichtteils überflüssig sei. Den Vorinstanzen ist aber darin beizupflichten, daß diese Ansicht der Klägerinnen im § 778 ABGB. keine Deckung findet, daß es vielmehr genügt, wenn der Erblasser den nachgeborenen Noterben in der letztwilligen Anordnung ausdrücklich erwähnt und so zu erkennen gibt, daß nicht eine unbeabsichtigte Übergehung des Abkömmlings vorliegt (vgl. Klang[2] III 883 f. bei Anm. 18. Steinwenter in JBl. 1955 S. 161 bei Anm. 52). Die von den Klägerinnen herangezogenen Entscheidungen GlU. 207 und GlUNF. 7390, denen ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde lag, sprechen nicht gegen diese Auslegung des § 778 ABGB.
Die Ausführungen der Klägerinnen, ein wissentliches Übergehen der Zweitklägerin komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Zweitklägerin im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Anordnung noch gar nicht am Leben gewesen sei, sind nicht recht verständlich. Hat doch der Erblasser von der Schwangerschaft der Erstklägerin gewußt und in der letztwilligen Anordnung ausdrücklich auf das damals noch nicht geborene Kind Bezug genommen. Wenn daher das, was der Erblasser der Zweitklägerin zugedacht hat, deren Pflichtteil nicht deckt, dann hat dies nicht eine Entkräftung der letztwilligen Anordnung zur Folge, die Zweitklägerin ist nur berechtigt, die Ergänzung des Pflichtteils zu begehren.
Anmerkung
Z41022Schlagworte
Nachgeborener Noterbe, Erwähnung im Testament, Noterbe, Erwähnung im Testament, Testament, Erwähnung des nachgeborenen Noterben, Übergehung des nachgeborenen NoterbenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1968:0080OB00036.68.0220.000Dokumentnummer
JJT_19680220_OGH0002_0080OB00036_6800000_000