Norm
ABGB §1022Kopf
SZ 41/75
Spruch
Die Hausverwaltungsvollmacht wird im Zweifel durch den Tod des Gewaltgebers nicht aufgehoben.
Entscheidung vom 19. Juni 1968, 5 Ob 171/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Vater des Beklagten, Friedrich U. sen., war bis zu seinem Ableben am 17. Juli 1961 Eigentümer des Hauses I., K.gasse 15. Friedrich U. sen. hinterließ seine Ehefrau Josefa U., eine volljährige Tochter aus erster Ehe und einen mj. Sohn aus zweiter Ehe, den Beklagten. In einem Testament vom 26. April 1961 hatte der Erblasser den am 14. Juni 1948 geborenen Beklagten zum Alleinerben eingesetzt.
Das Bezirksgericht I. bestellte mit Beschluß vom 22. August 1961 für den Beklagten seine Mutter Josefa U. zum Vormund, die auch mit Beschluß des gleichen Gerichtes vom 24. August 1961, zum Verlassenschaftskurator bestellt wurde.
Mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes I. vom 27. September 1961 wurde der Nachlaß nach Friedrich U. sen. dem Beklagten eingeantwortet.
Dem Kläger war vom Erblasser eine Hausverwaltervollmacht erteilt worden. Nach dem ableben des Vaters des Beklagten führte der Kläger die Hausverwaltungsgeschäfte weiter. Er kümmerte sich zunächst nicht um die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft nach dem ableben seines Machtgebers. Die Mutter des Beklagten sprach nach dem Ableben des Friedrich U. sen. wiederholt in der Kanzlei des Klägers vor und erörterte dort die das Haus I., K.gasse 15 betreffenden Angelegenheiten. Sie behob auch beim Kläger Geldbeträge und leistete an seine Kanzlei Zahlungen. In der Buchhaltung des Klägers und in seinem Schriftverkehr wurde die Verwaltung für "Friedrich U.'s Erben" geführt. Der Kläger verhandelte nach dem Ableben seines Machtgebers nur mit dessen Witwe Josefa U. Am 31. Juli 1963 widerrief Josefa U. die Hausverwaltervollmacht.
Der Kläger begehrte zunächst von der Mutter des Beklagten die Kosten für seine Mühewaltung. Eine gegen Josefa U. auf Zahlung des Betrages von 9350.30 S s. A. gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes vom 9. November 1964 abgewiesen, weil der Kläger nur als Erbenvertreter, nicht aber auf Grund eines im eigenen Namen erteilten Auftrages oder einer im eigenen Namen erteilten Vollmacht der Mutter des Beklagten die Hausverwaltungsgeschäfte geführt hätte. Alleinerbe aber sei der Beklagte.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von 12.337.80 S zu bezahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß dem Kläger auf Grund seiner für den Beklagten als Erben nach Friedrich U. sen. ausgeübten Verwaltungstätigkeit eine Forderung von 9350.30 S zustehe. Im Verfahren, das gegen die Mutter des Beklagten eingeleitet worden sei, sei die Forderung mit diesem Betrag durch den Sachverständigenbeweis dargetan worden. Im angeführten Verfahren hätte der Kläger einen Betrag von 2987.50 S als Honorar für den Sachverständigen entrichten müssen. Den Ersatz dieses Betrages mache er gleichfalls geltend.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 6. Juli 1965 schuldig, dem Kläger den Betrag von 9350.30 S samt 4% Zinsen seit 31. Juli 1963 zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 2987.50 S wurde abgewiesen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes, das im Ausspruch über die Abweisung eines Betrages von 2987.50S (Sachverständigenhonorar im Vorprozeß) als unangefochten unberührt blieb, im Ausspruch über die Zuerkennung eines Betrages von 9350.50 S an den Beklagten auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück.
Das Erstgericht wies nach Ergänzung seines Verfahrens im zweiten Rechtsgang das auf Zahlung des Betrages von 9350.30 S s. A. gerichtete Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Kläger zum Teil Ansprüche aus der Zeit des aufrechten Bestandes seines Mandates mit dem Vater des Beklagten geltend mache. Da der Vater des Beklagten am 17. Juli 1961 gestorben und damit das Auftragsverhältnis erloschen sei, seien die Ansprüche des Klägers aus dieser Zeit im Zeitpunkt der Klagseinbringung (2. April 1965) verjährt gewesen. Jene Ansprüche, die nach dem Ableben des Vaters des Beklagten bis zum endgültigen Widerruf der Hausverwaltungsvollmacht am 31. Juli 1963 entstanden seien, könne der Kläger nicht geltend machen, weil ein Vollmachtsverhältnis mit den Erben des Erblassers, auf das er sich in der Klage berufen hätte, nicht bestanden habe. Da die Klage auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag aber nicht gestützt worden sei, sei der Zuspruch des Klagsbetrages nicht statthaft.
Das Berufungsgericht hob das im zweiten Rechtsgang ergangene Urteil des Prozeßgerichtes unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die vom Erblasser Friedrich U. sen. dem Kläger erteilte Hausverwaltungsvollmacht nach § 1022 ABGB. mit dem Ableben des Vaters des Beklagten erloschen sei. Dadurch aber, daß die Mutter des Beklagten, die Verlassenschaftskuratorin und Vormund gewesen sei, die Weiterführung der Hausverwaltung durch den Kläger gebilligt habe, sei durch schlüssige Handlungen der Auftrag fortgesetzt worden. Die Fortsetzung des bestehenden Zustandes bezüglich der Verwaltung der Liegenschaft habe weder einer abhandlungsbehördlichen noch einer vormundschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Es liege vielmehr ein Geschäft vor, das zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehöre und daher nach § 233 ABGB. nicht genehmigungspflichtig sei. Habe aber der Kläger die Hausverwaltung im Auftrag des durch die Vormunderin vertretenen Beklagten fortgeführt, dann bestehe die Forderung des Klägers in der Höhe, die sich aus dem Sachverständigengutachten im Verfahren 15 C 1253/64 des Bezirksgerichtes I. ergebe, zu Recht. Da die Tätigkeit des Klägers nach dem Ableben des Vaters des Beklagten ohne Unterbrechung fortgesetzt worden sei, sei auch hinsichtlich der Ansprüche, die vor dem Ableben des Friedrich U. sen. entstanden seien, keine Verjährung eingetreten. Trotzdem sei die Sache noch nicht spruchreif, weil Feststellungen über das Zurechtbestehen der aufrechnungsweise geltend gemachten Gegenforderungen fehlten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 1022 ABGB. wird "in der Regel" die Vollmacht durch den Tod des Gewaltgebers aufgehoben. Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachteil des Erben nicht unterbrechen oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers, so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden. Schon auf Grund der angeführten Gesetzesstelle ergibt sich, daß zwar in der Regel, aber nicht unter allen Umständen, eine Vollmacht durch den Tod des Machthabers aufgelöst wird. Das Fortbestehen der Vollmacht und des Auftrages nach dem Tod des Machtgebers kann sich aus der Natur des Geschäftes, aus der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs ergeben. Aus der Natur des Geschäftes folgt der Fortbestand des Auftrages oder der Vollmacht bei einem berufsmäßigen Hausverwalter, da es sich bei ihm um die Ausführung seines Auftrages mit den Mitteln und im Rahmen des Unternehmens (der verwalteten Liegenschaft) handelt (Stanzl in Klang Komm.[2] zu § 1022 ABGB. S. 872 zweiter Absatz und letzter Absatz).
Aber selbst für den Fall als man nicht die Auffassung teilen würde, daß die Vollmacht des Klägers nach dem Ableben des Vaters des Beklagten nicht schon nach der Natur des Geschäftes fortbestand, führt das zu keinem für den Beklagten günstigeren Ergebnis. Die Vorschrift des § 1025 ABGB. ordnet an, daß, falls die Vollmacht durch den Tod des Gewaltgebers aufgehoben wird, die Geschäfte, welche keinen Aufschub leiden, so lange fortgesetzt werden "müssen", bis vom Machtgeber oder dessen Erben eine andere Verfügung getroffen worden ist oder füglich getroffen werden konnte. Zu den Geschäften, welche keinen Aufschub leiden, ist auch die Verwaltung von Liegenschaften zu zählen.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach dem Ableben seines Machtgebers die Hausverwaltungsgeschäfte fortgesetzt. Er bezeichnet in seinen Geschäftsunterlagen Friedrich U.'s Erben als seine Machtgeber. Josefa U. wurde mit Beschluß vom 24. August 1961 zum Verlassenschaftskurator bestellt. Sie widerrief am 31. Juli 1963 die Hausverwaltungsvollmacht, wogegen die Einantwortung des Nachlasses erst am 27. September 1963 erfolgte. Da somit seitens der Verlassenschaftskuratorin keine gegenteilige Verfügung getroffen wurde, hat der Kläger auf Grund der ihm vom Vater des Beklagten erteilten Vollmacht befugt seine Tätigkeit, sei es gemäß § 1022 ABGB., sei es gemäß § 1025 ABGB., fortgesetzt. Ohne Belang ist es dabei, ob Josefa U. die Absicht hatte, durch schlüssige Handlungen den Auftrag oder die Vollmacht fortzusetzen. Entscheidend ist es aber, daß sie den Auftrag und die Vollmacht nicht widerrufen und der Tätigkeit des Klägers nicht widersprochen hat.
Daß der Auftrag und die Vollmacht gegen Entgelt erteilt wurden, ergibt sich aus dem ursprünglichen Rechtsgeschäft, das fortgesetzt wurde. Nach dem Beruf des Klägers wäre überdies eine Entgeltlichkeit im Sinne des § 1004 ABGB. anzunehmen (Stanzl in Klang Komm.[2] zu § 1004 ABGB. S. 802 P. 2, Zingher, Miteigentum und Verwaltung, ImmZ. 1954 S. 101 letzter Absatz).
Dem Kläger ist es zwar freigestanden, im Abhandlungsverfahren seine offenen Forderungen als Passiva geltend zu machen. Im Hauptinventar findet sich auch unter den Passiven eine Kurrentschuld an das Hausverwaltungsbüro des Klägers im Betrag von 6004.58 S. Ungeachtet dessen, ist der Kläger mangels Zahlung der Verbindlichkeit in der Lage, seinen Anspruch gegenüber dem eingeantworteten Alleinerben geltend zu machen.
Der Beklagte hat sich zwar unter Berufung auf die Rechtswohltat des Inventars zum Erben erklärt, doch obliegt ihm der Beweis der Unzulänglichkeit des Nachlasses (GMA. ABGB. 28. Aufl. S. 492, die unter Nr. 2 zu § 692 ABGB. angeführte Rechtsprechung und S. 542, die unter Nr. 6 zu § 802 ABGB. zitierte Judikatur), bei dessen Abhandlung das gegenständliche Wohnhaus gemäß § 102 (2) letzter Satz AußStrG. mit dem Einheitswert berücksichtigt wurde.
Da das Erstgericht, ausgehend von der von ihm vertretenen Rechtsauffassung, sich weder mit der Höhe des Anspruches auseinandergesetzt hat noch Feststellungen zur aufrechnungsweise geltend gemachten Gegenforderung und damit auch zur Frage, wer zur Geltendmachung der Gegenforderung berechtigt ist, traf, ist die Sache noch nicht spruchreif.
Dem Rekurs war somit aus den aufgezeigten Gründen der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z41075Schlagworte
Hausverwaltervollmacht, Tod des Gewaltgebers, Tod des Gewaltgebers, Hausverwaltervollmacht, Vollmacht des Hausverwalters, Tod des GewaltgebersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1968:0050OB00171.68.0619.000Dokumentnummer
JJT_19680619_OGH0002_0050OB00171_6800000_000