Norm
ABGB §912Kopf
SZ 41/78
Spruch
Prozeßkosten sind Nebengebühren im Sinne des § 912 ABGB. und teilen als Teil des Hauptanspruches dessen Schicksal. Die zur Durchsetzung des Schmerzengeldanspruches des Geschädigten aufgewendeten Prozeßkosten haben daher im Sinne des § 336 ASVG. gleichen Rang wie der Anspruch selbst.
Entscheidung vom 25. Juni 1968, 2 Ob 105/68.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Horst R. fuhr am 25. August 1962 auf der Bundesstraße 198 in durch Alkoholgenuß beeinträchtigtem Zustand infolge überhöhter Geschwindigkeit an einen Baum. Dabei wurde u. a. er selbst tödlich, der Kläger schwer verletzt. Die X. Versicherungsgesellschaft, Zweigniederlassung D., als Haftpflichtversicherer Horst R.'s erlegte nach einer Teilzahlung von 6000 S für Schmerzengeld an den Kläger die restliche Versicherungssumme von 194.000 S am 16. Juli 1963 zu 13 Nc .../63 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zugunsten 1. der Verlassenschaft nach Horst R., 2. des Klägers, 3. und 4. der beiden beklagten Parteien (Sozialversicherungsträger), 5. des Amtes der Vorarlberger Landesregierung. Am 17. Juli 1963 brachte der Kläger gegen die Verlassenschaft nach Horst R. eine Klage auf Zahlung eines weiteren Schmerzengeldes von 94.000 S ein. Dabei stellte er ein Eigenverschulden von 1/3 in Rechnung. Er obsiegte im vollen Umfang des um ein Feststellungsbegehren erweiterten Klagebegehrens. Neben der Hauptsache samt Zinsen wurden ihm Kosten von 33.148.42 S zugesprochen.
Im gegenwärtigen Verfahren begehrte der Kläger von den beiden Beklagten die Duldung der Ausfolgung des ersiegten Betrages samt Zinsen und Kosten. Hinsichtlich der Hauptsache samt Zinsen stimmte nach Klagseinbringung die Zweitbeklagte außergerichtlich der Ausfolgung zu, während gegen die Erstbeklagte in diesem Umfang ein Teilanerkenntnisurteil erging. Das restliche Begehren, die Beklagten seien schuldig, aus dem zu 13 Nc .../63 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien erlegten Betrag von 194.000 S die Ausfolgung von 33.148.42 S zu dulden, wies das Erstgericht ab. Es stellte u. a. fest, daß die Erlagssumme zur Deckung aller aus dem Schadensereignis erwachsenden Ansprüche nicht ausreiche. Unter Hinweis auf die u. a. in SZ. XXIX 28 veröffentlichte Entscheidung, wonach die in Schadenersatzprozessen aufgelaufenen Prozeßkosten den Kapitalbetrag nach § 12 (1) Z. 1 KfzVerkG. nicht vermindern können und daher nicht von diesem abgezogen werden dürfen, vertrat es den Standpunkt, daß die Kosten des Haftpflichtprozesses nicht gleichen Rang mit dem Schmerzengeldanspruch des Geschädigten genössen.
Der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht teilweise dahin Folge, daß es die Beklagten unter Abweisung des weitergehenden Begehrens schuldig erkannte, die Ausfolgung von 29.942.70 S aus dem mehrfach genannten Erlag zu dulden. Das Gesetz stelle in § 336 ASVG.
- so führte das Berufungsgericht aus - lediglich hinsichtlich der Befriedigung der Hauptsache aller erwähnten Ansprüche eine Rangordnung auf. Auch den Gesetzesmaterialien sei über das Schicksal der Nebengebühren nichts zu entnehmen. Ein gerichtlich festgestellter Schmerzengeldanspruch bestehe außer der Schmerzengeldforderung naturgemäß auch aus den durch die Notwendigkeit der gerichtlichen Geltendmachung hinzugekommenen Nebengebühren, also Zinsen und Kosten. Der für die Haftungsbegrenzung gemäß § 12 (1) Z. 1 KfzVerkG. maßgebliche Gesichtspunkt, die Gefährdungshaftung auf einen Höchstbetrag zu beschränken, sei für die in § 336 ASVG. getroffene Regelung der Konkurrenz mehrerer Regreßansprüche und des Vorranges des Schmerzengeldanspruches des Geschädigten bedeutungslos. Die Nebengebühren der Schmerzengeldforderung des Klägers seien mit dieser untrennbar verbunden und gingen im Rang gleichfalls den Ansprüchen der beklagten Versicherungsträger vor, dies um so mehr, als gemäß § 150 VersVG. die Haftpflichtversicherung auch die aufgelaufenen Prozeßkosten umfasse.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Erstbeklagte begegnet der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß auch im Fall des § 336 ASVG. die Nebenkosten das Schicksal der Hauptsache teilen, mit dem Einwand, dies käme gegebenenfalls einer Schmälerung der Ersatzansprüche der Versicherungsträger und des Geschädigten gleich, dies angesichts der Tatsache, daß diese Nebenkosten eines Rechtsstreites zur Durchsetzung des Schmerzengeldanspruches aus einem eigenen Fonds der Haftpflichtversicherung und nicht aus der hinterlegten Versicherungssumme zu bestreiten seien. Theoretisch könnte unter diesen Umständen die ganze Deckungssumme durch Prozeßkosten aufgezehrt werden, ohne daß auch nur ein Versicherungsträger befriedigt würde.
Die Zweitbeklagte verweist gleichfalls auf den von der Erstbeklagten erwähnten Fonds und im weiteren auf den Wortlaut des Gesetzes im § 336 ASVG., wonach nur die reine Schmerzengeldforderung bevorrangt sei. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte die Deckungssumme nicht für Prozeßkosten verwendet werden. Die Ansicht, daß die im Gesetz normierte Rangordnung nur die Forderungen in der Hauptsache betreffe, werde auch durch die Bestimmung des § 10 (6) AKB. gestützt, wonach der Versicherer Prozeßkosten nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche zu tragen habe, wenn die Haftpflichtansprüche die Versicherungssummen übersteigen. Zwar könne sich der Versicherer durch Hinterlegung der Versicherungssumme und des Kostenanteiles von weiteren Leistungen befreien, dies jedoch nur, wenn die Vorschriften des § 156 VersVG. betreffend die Hinterlegung eingehalten worden seien, was vorliegend nicht geschehen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig.
§ 10 (6) AKB. - diese Bestimmung ist nicht geeignet, das ASVG. abzuändern - enthält lediglich eine betragsmäßige Beschränkung der Ersatzpflicht des Versicherers, soweit es sich um Prozeßkosten handelt, für die Auslegung der Bestimmung des § 336 ASVG. in dem von der Zweitbeklagten gewünschten Sinn läßt sich jedoch hieraus nichts Entscheidendes gewinnen. Ob die Hinterlegung der Versicherungssumme im vorliegenden Fall überhaupt gerechtfertigt war, kann hier unerörtert bleiben. Am Verfahren über den Gerichtserlag waren beide Revisionswerber beteiligt. Der Gerichtsbeschluß betreffend die Annahme des Erlages ist rechtskräftig. Das Vorbringen beider Revisionswerber, betreffend das Bestehen eines eigenen Fonds für Prozeßkosten, verstößt gegen das Neuerungsverbot, der Umstand als solcher ist nur für die interne Gestion der Versicherungsgesellschaften bedeutsam.
Der Oberste Gerichtshof billigt die vom Berufungsgericht mit dem Hinweis auf Lehre (Gschnitzer bei Klang[2] IV, S. 397 ff.) und Rechtsprechung zusätzlich begrundete Rechtsansicht. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt den Standpunkt vertreten, daß Prozeßkosten Nebengebühren im Sinn des § 912 ABGB. darstellen und als Teil des Hauptanspruches dessen Schicksal teilen (SZ. XI 175, ZBl. 1928 Nr. 265). Die letztgenannte Entscheidung verweist u. a. darauf, daß auch im Insolvenzrecht die Kosten als Nebengebühren der Hauptsache behandelt werden. Diesem Umstand kommt besondere Bedeutung auch für den vorliegenden Fall zu, weil § 336 ASVG. Anordnungen für eine kridamäßige Verteilung einer unzureichenden Versicherungssumme unter den aus ihr zu befriedigenden Gläubigern trifft. Da der Vorrang der Hauptforderung des Klägers vor den Regreßansprüchen der Beklagten im vorliegenden Fall nicht mehr bestritten ist, mußte den Revisionen der Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z41078Schlagworte
Prozeßkosten zur Durchsetzung des Schmerzengeldanspruches, Rang im, Sinne des § 336 ASVG., Rang im Sinn des § 336 ASVG., Prozeßkosten zur Durchsetzung des, Schmerzengeldanspruches, Schmerzengeldanspruch, Prozeßkosten zur Durchsetzung des -, Rang im, Sinn des § 336 ASVG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1968:0020OB00105.68.0625.000Dokumentnummer
JJT_19680625_OGH0002_0020OB00105_6800000_000