Norm
ZPO §§26 ffKopf
SZ 41/113
Spruch
Ist eine Partei durch mehrere Bevollmächtigte vertreten, so beginnt ein von der Zustellung anhängiger Fristenlauf mit der zeitlich frühesten Zustellung an einen von ihnen auch dann, wenn dieses Vollmachtsverhältnis nach Zustellung gelöst wird.
Entscheidung vom 20. September 1968, 2 Ob 217/68.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Gegenstand dieses Verfahrens sind die Ersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall, bei dem er am 19. Dezember 1965 aus dem alleinigen, auf Grund strafgerichtlichen Urteils bindend feststehenden Verschuldens des Beklagten schwer verletzt wurde.
Nach einer während des Verfahrens geleisteten Teilzahlung und nach Fällung eines Teilanerkenntnisurteils über einen Betrag von 30.000 S (für Schmerzengeld) sowie über das Feststellungsklagebegehren betreffend die Haftung des Beklagten für künftige unfallkausale Schäden des Klägers war bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz die Forderung des Klägers auf Zahlung von insgesamt 91.284 S unerledigt. Dieser Betrag setzte sich aus 11.100 S für weiteres Schmerzensgeld und 1700 S für Sachschäden sowie aus dem allein noch strittigen Betrag von 78.484 S zusammen den der Kläger für Verdienstentgang in der Zeit vom 1. Februar 1966 bis 31. Oktober 1967 begehrte.
Das Erstgericht sprach dem Kläger den gesamten restlichen Klagsbetrag samt Zinsen aus 40.000 S ab 13. Juli 1966 (letzteres im Sinn einer diesfälligen Einigung der Parteien) zu.
Der vom Beklagten nur hinsichtlich des Zuspruches von 78.484 S für Verdienstentgang erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht teilweise dahin Folge, daß es das im Zuspruch von 12.800 S nicht in Beschwerde gezogene Ersturteil im Zuspruch von 77.635.15 S bestätigte, im übrigen, nämlich im Zuspruch weiterer 848.85 S, jedoch abänderte und unter Abweisung des Mehrbegehrens in dieser Höhe den Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger 90.435.15 S samt Zinsen wie im Ersturteil zu bezahlen. Die Abänderung beruht auf der Annahme des Berufungsgerichtes, daß das Erstgericht dem Kläger in zwei Lohnperioden mehr zusprach als dieser begehrte.
Die Revision des Beklagten bekämpft das Berufungsurteil hinsichtlich des für Verdienstentgang zuerkannten Betrages von 77.635.15 S wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Klage insoweit abzuweisen.
Aus Anlaß der Revision hob der Oberste Gerichtshof das Urteil der zweiten Instanz, das im abweisenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, und insoweit das diesem vorangegangene Verfahren zweiter Instanz auf und wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der ersten Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Auf die sachliche Prüfung des Inhaltes der formell zulässigen und rechtzeitigen Revision war aus folgenden Erwägungen nicht einzugehen:
Im Verfahren erster Instanz hatte der Beklagte zwei Rechtsanwälten, nämlich Dr. A. G. und Dr. R. N., ausdrücklich nebeneinander Prozeßvollmacht gemäß § 31 ZPO. erteilt. Das Ersturteil wurde an Dr. G. am 22. Dezember 1967, an Dr. N. am 27. Dezember 1967 zugestellt. Dr. G. gab mit dem Schriftsatz ON. 58, der am 27. Dezember 1967 bei Gericht einlangte, bekannt, daß er das Vollmachtsverhältnis zum Beklagten gelöst habe. Die von Dr. N. erhobene Berufung wurde am 10. Jänner 1968 zur Post gegeben.
Gemäß § 90 (1) ZPO. ist bei Vorhandensein mehrerer zur Empfangnahme gerichtlicher Zustellungen ermächtigten Vertreter eines Beteiligten die Zustellung als vollzogen anzusehen, wenn einem dieser Vertreter ein Exemplar des zustellenden Schriftstückes übergeben wird. Ein von der Zustellung abhängiger Fristenlauf beginnt in diesem Fall mit der zeitlich frühesten Zustellung an einen von ihnen für alle gleichzeitig (vgl. ZBl. 1934 Nr. 159; ebenso Fasching, Komm. II, S. 248, Anm. 3 zu § 26 ZPO.). Auf den Lauf der Berufungsfrist (§ 464
(2) ZPO.) hatte daher im vorliegenden Fall die spätere Zustellung an Dr. N. keinen Einfluß. Auch die nach geschehener Zustellung an Dr. G. von diesem an das Gericht gerichtete Mitteilung betreffend die Lösung des Vollmachtsverhältnisses zum Beklagten berechtigte nicht hiezu, die Berufungsfrist vom Zeitpunkt dieser späteren Zustellung an zu berechnen. Die Berufung gegen das Ersturteil war somit im vorliegenden Fall verspätet und das Ersturteil zur Zeit ihrer Erhebung bereits rechtskräftig. Die mangels Vorliegens einer rechtzeitigen Berufung eingetretene Rechtskraft ist gemäß § 411 (2) ZPO. von Amts wegen wahrzunehmen. Wie der Oberste Gerichtshof schon in der in SZ. XXII 173 veröffentlichten Entscheidung unter Berufung auf Sperl (Lehrbuch S. 603, 661) ausführte, begrundet die sachliche Erledigung einer verspäteten Berufung durch das Rechtsmittelgericht wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtskraft Nichtigkeit (ebenso Fasching, a. a. O. III. S. 736 Anm. 53 zu § 411 ZPO.). Diese Nichtigkeit hatte der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Revision des Beklagten gegen das Berufungsurteil wahrzunehmen. Die verspätete Berufung war gemäß §§ 471 Z. 2, 473 (1), 474 (2) ZPO. zurückzuweisen.
Die hinsichtlich der Abweisung des Betrages von 848.85 S mangels Anfechtung durch den Kläger eingetretene Rechtskraft war zu berücksichtigen.
Anmerkung
Z41113Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1968:0020OB00217.68.0920.000Dokumentnummer
JJT_19680920_OGH0002_0020OB00217_6800000_000