Norm
ABGB §613Kopf
SZ 41/151
Spruch
Der durch die Eintragung der Beschränkung des Eigentumsrechtes des Vorerben im Grundbuch gesicherte Nacherbe kann im Fall seiner zu Unrecht erfolgten Verdrängung aus dem Grundbuch wie sonst ein dinglich Berechtigter mit Löschungsklage vorgehen.
Entscheidung vom 14. November 1968, 1 Ob 210/68.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der am 21. April 1916 verstorbene Josef B. hinterließ drei Kinder,
u. zw. Josef und Franz B. und Maria, verehelichte W. Alle drei sind bereits verstorben. Josef (jun.) hatte mehrere Kinder, auf die es hier jedoch nicht ankommt; Maria W. hinterließ einen Sohn namens Josef W., Franz B. hinterließ gleichfalls einen Sohn, DDr. Josef B.
In den Nachlaß des am 21. April 1916 verstorbenen Josef B. gehörte auch eine Hälfte der Liegenschaft EZ. 194 Katastralgemeinde D., die laut Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes F. vom 28. Dezember 1920 je zur Hälfte, sohin in Ansehung von Viertelanteilen an der Gesamtliegenschaft, an Marie W. und an Franz B. fielen. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Franz B. ob einem Viertelanteil erfolgte am 13. März 1923 unter BOZ. 4 mit der Beschränkung durch die von Josef B. angeordnete fideikommissarische Substitution, auf deren Einzelheiten noch zurückzukommen sein wird. Franz B. war damals auf Grund des Übergabsvertrages vom Jahr 1917 bereits Eigentümer eines weiteren Viertelanteiles der Liegenschaft gewesen.
Franz B. ist im Jahr 1961 gestorben. Der in seinem freien Eigentum gestandene Viertelanteil BOZ. 3 ging auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes B. vom 19. November 1963 an seinen Sohn DDr. Josef B. über, BOZ. 9, wobei nunmehr auf diesem Anteil eine Substitutionsbindung eingetragen wurde. Sie ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.
Der durch die Substitutionsanordnung des Josef B. gebunden gewesene Viertelanteil des Franz B. BOZ. 4, ging laut Eintragung vom 30. Juli 1964, BOZ. 10, auf Grund Beschlusses des Bezirksgerichtes F. vom 24. Februar 1964 gleichfalls auf DDr. Josef B. über, wobei jedoch die Beschränkung des Eigentumsrechtes durch die Substitution zunächst gelöscht wurde.
Eigentümer der zweiten Liegenschaftshälfte ist seit dem Jahr 1924 Josef W., der Sohn der Maria W. Dieser beantragte, gestützt auf die Behauptung, er gehöre zum Kreis der durch die Substitutionsanordnung des Josef B. begünstigten Personen, am 30. Oktober 1964 beim Bezirksgericht F., ihm den Beschluß vom 24. Februar 1964, mit dem die Löschung des Substitutionsbandes angeordnet worden war, zuzustellen. Als dies geschehen war, erhob er in offener Frist Rekurs. Das Rechtsmittel wurde am 19. November 1964 im Grundbuch mittels Bleistiftmarke ersichtlich gemacht. Josef W. machte in seinem Rekurs geltend, er habe nach der von seinem Großvater getroffenen Anordnung auch dann Anspruch auf das Liegenschaftsviertel, wenn DDr. Josef B. vor Erlangung erbberechtigter Nachkommen sterben sollte, worunter nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügungen nur leibliche Nachkommen zu verstehen seien. DDr. Josef B. wurde am 20. November 1964 vor dem Bezirksgericht F. vernommen, erteilte Auskunft über die Nachkommenschaft seines Großvaters und äußerte abschließend die Meinung, der Rekurs des Josef W. sei nicht berechtigt; er, DDr. Josef B., habe im Jahr 1963 die im Jahr 1944 geborene Birgit K., nunmehr B., adoptiert; nach der Neuregelung des Adoptionsrechtes seien Adoptivkinder aber den ehelichen Kindern gleichgestellt. Anläßlich der Vorlage des Rekurses an die zweite Instanz verfügte das Bezirksgericht F. noch am 14. Dezember 1964 die Löschung der erwähnten Bleistiftmarke.
Das Landesgericht gab dem Rekurs des Josef W. mit Beschluß vom 22. Dezember 1964 dahin statt, daß es dem Bezirksgericht F. auftrug, im strittigen Punkt nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Es ging davon aus, daß die maßgebenden letztwilligen Verfügungen des Josef B. folgenden Wortlaut hatten:
"In Ansehung des meinem Sohn Franz B. hinterlassenen Vermögens ordne ich die fideikommissarische Substitution zugunsten seines Sohnes Josef B. und im Falle dessen früheren Ablebens zugunsten meiner Kinder Marie W. und Josef B. bzw. deren Nachkommenschaft an.
Sollte mein Enkel Josef B. nach Eintritt des Substitutionsfalles, jedoch vor Erlangung eigener erbberechtigter Nachkommenschaft versterben, so soll das Vermögen auch in solchem Falle der Marie W. und dem Josef B. bzw. deren Nachkommenschaft zufallen" und vertrat die Ansicht, es komme darauf an, was der Erblasser unter "eigener erbberechtigter Nachkommenschaft" verstanden wissen wollte; eine Verhandlung im Sinne des § 2 Z. 7 AußStrG. sei hier unerläßlich. Ein Revisionsrekurs des DDr. Josef B. blieb erfolglos. Der Oberste Gerichtshof führte in seinem Beschluß vom 22. April 1965, 7 Ob 88/65, aus, daß Zeitgenossen bei Zählung der Grade nach § 612 ABGB. nicht mitzurechnen seien, wenn sie sukzessiv mit Nichtzeitgenossen substituiert würden; es komme daher tatsächlich darauf an, ob nach dem Willen des Erblassers unter "eigener erbberechtigter Nachkommenschaft" auch ein Adoptivkind zu verstehen sei.
Mit Beschluß vom 4. August 1965 verfügte das Bezirksgericht F. nach Verfahrensergänzung wiederum die "Einverleibung" der strittigen fideikommissarischen Substitution ob dem Liegenschaftsviertel BOZ. 10 und erwies DDr. Josef B. mit seinem Anspruch auf Löschung des Substitutionsbandes auf den Rechtsweg. Diese Eintragung wurde im Grundbuch am 5. August 1965 vorgenommen (BOZ. 14). Das Landesgericht brachte zwar die Entscheidung des Bezirksgerichtes F. in die Form einer "Anmerkung", bestätigte sie aber der Sache nach (Beschluß vom 26. Oktober 1965); ein Revisionsrekurs DDris. Josef B. wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (7 Ob 376/65).
Am 19. August 1964 hatte DDr. Josef B. gegen Josef W. eine Klage auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft in Ansehung der Liegenschaft EZ. 194 Katastralgemeinde D. eingebracht. In der bei der Tagsatzung vom 12. Oktober 1964 vorgetragenen Klagebeantwortung verwies Josef W. auf den damals seiner Meinung nach unrichtigen Grundbuchstand und darauf, daß er gegen den Beschluß, auf dem die "anscheinend infolge eines Versehens" erfolgte Löschung des Substitutionsbandes beruhte, ein Rechtsmittel einbringen werde. Bei der Tagsatzung vom 30. November 1964 wurde DDr. Josef B. als Partei vernommen. Anschließend brachte Josef W. vor, daß er diesen Rekurs tatsächlich eingebracht habe, die Entscheidung darüber stehe noch aus. Nachdem sich DDr. Josef B. gegen einen darauf gestützten Unterbrechungsantrag des Josef W. aus gesprochen hatte, kam es zunächst zum Ruhen des Verfahrens. Dieses wurde dann nach der schon erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, 7 Ob 88/65, fortgesetzt. Die Teilungsklage DDris. Josef B. blieb erfolglos, was vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 19. September 1967, 8 Ob 241/67, bestätigt wurde. Maßgebend war die Feststellung, daß Josef B., der Großvater DDris. Josef B., mit der von ihm getroffenen Substitutionsanordnung die Absicht verfolgte, nicht blutsverwandte Personen von der Erbfolge bezüglich des in Rede stehenden Liegenschaftsanteiles auszuschließen, woraus sich der Fortbestand der Substitution als Teilungshindernis ergebe.
Am 9. Dezember 1964, sohin während jener Zeit, während der das Substitutionsband ob dem Viertelanteil BOZ. 10 DDris. Josef B. gelöscht, der Rekurs des Josef W. aber mittels Bleistiftmarke im Grundbuch ersichtlich gemacht war, langte ein Antrag DDris. Josef B. ein, ob diesem Viertelanteil das Pfandrecht für eine Forderung der Anstalt "F." in Vaduz in Höhe von 75.000 S s. A. auf Grund des Schuldscheines vom 2. März (und 4. Dezember) 1964 einzuverleiben.
Nachdem am 14. Dezember 1964 - wie bereits erwähnt - die auf den Rekurs des Josef W. gegen die Löschung des Substitutionsbandes bezügliche Bleistiftmarke gelöscht worden war, wurde die Einverleibung des Pfandrechtes mit Beschluß vom 15. Dezember 1964 (im Rang vom 9. Dezember 1964) bewilligt (COZ. 38).
Im vorliegenden Prozeß belangte nun Josef W. die Anstalt "F." in Vaduz auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung dieses Pfandrechtes, wobei er geltend machte, es sei zu Unrecht eingetragen worden; DDr. Josef B., der bei der Begründung der Hypothek als Vertreter der beklagten Partei gehandelt habe, sei zudem schlechtgläubig gewesen, was diese gegen sich gelten lassen müsse;
der Verkehrswert der ganzen Liegenschaft betrage etwa 100.000 S;
wenn die beklagte Partei zur Sicherstellung eines Darlehens von 75.000 S einen Viertelanteil dieser Liegenschaft zum Pfand genommen habe, stehe dies in krassem Widerspruch zu einer vernünftigen kaufmännischen Gebarung.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er führte im wesentlichen aus, daß sich das Pfandrecht auf ein Darlehen beziehe, das die beklagte Partei der nunmehrigen Gattin DDris. Josef B. im Jahr 1956 unter deren damaligem Namen Margarete K. gewährt und für das DDr. B. später eine Solidarbürgschaft übernommen habe; der Verkehrswert der ganzen Liegenschaft betrage 100.000 S, sie sei noch mit zirka 50.000 S belastet; DDr. B. habe die ganze Liegenschaft im Teilungsprozeß mit 25.000 S bewertet; von der Verbücherung der Hypothek sei der Kläger, der zum Kreis der durch die versehentlich gelöschte fideikommissarische Substitution Begünstigten gehöre, nicht ordnungsgemäß verständigt worden; DDr. B., den die beklagte Partei mit der Verbücherung des Pfandrechtes beauftragt gehabt habe, habe gewußt, daß das Substitutionsband bezüglich des frei gewordenen Viertelanteils zu Unrecht im Grundbuch gelöscht worden sei; er habe im Teilungsprozeß auch erfahren, daß sich der Kläger gegen die zu Unrecht erfolgte Löschung zur Wehr gesetzt habe; die beklagte Partei, die ihr Pfandrecht im Vertrauen auf einen noch nicht rechtskräftigen Beschluß einverleiben habe lassen, müsse den schlechten Glauben DDris. B., der als ihr Bevollmächtigter gehandelt habe, bzw. dessen Kenntnis der wahren Sachlage vertreten; sie könne sich nicht auf den Grundbuchstand berufen, da ihr dieser objektiv als unrichtig habe bekannt sein müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen: Da der Vorerbe dem mit dem Substitutionsband belasteten Nachlaß als einer fremden Sache gegenüberstehe, könne er Nachlaßgrundstücke nicht mit Hypotheken belasten; der Pfandgläubiger könne allerdings durch guten Glauben geschützt sein; das Vertrauen auf das Grundbuch sei aber dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren Sachverhalt hätte kennen müssen; wer den Widerspruch zwischen dem Grundbuchstand und dem wahren Sachverhalt feststellen hätte können, dies aber nicht tue, handle fahrlässig und genieße keinen Schutz; dabei sei nach der Judikatur jenes Ausmaß von Sorgfalt zu verlangen, das die besonderen Umstände des Falles verlangen; der gute Glaube müsse auch sowohl im Zeitpunkt des Erwerbsgeschäftes als auch im Zeitpunkt des Ansuchens um
Einverleibung vorliegen: DDr. Josef B., der am 9. Dezember 1964 die Einverleibung der Hypothek für die beklagte Partei durchgeführt habe, hätte nur bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt zumindest ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verfügten Löschung der Substitution hegen müssen; von der Tatsache der fideikommissarischen Substitution und dem Rekurs des Klägers gegen den die Löschung des Substitutionsbandes verfügenden Beschluß des Bezirksgerichtes F. habe er unzweifelhaft gewußt; da sein Großvater die Substitution davon abhängig gemacht habe, daß er, DDr. B. vor Erlangung eigener erbberechtigter Nachkommenschaft versterben sollte, hätten bei ihm objektiv begrundete Zweifel entstehen müssen ob darunter nach dem Willen des Testators auch Adoptivkinder zu verstehen seien zumal im Zeitpunkt dessen Willensäußerung die Neufassung des § 182 ABGB. ja noch nicht existierte; diese objektiv begrundeten Zweifel hätten DDr. Josef B., der von Beruf Wirtschaftsberater und Rechtsanwalt - nach der Aktenlage: Schweizer Rechtsanwalt - sei, bei Anwendung gehöriger Sorgfalt bestimmen müssen, mit der Einverleibung der Hypothek solange zuzuwarten, bis über den Rekurs des Klägers gegen den die Löschung des Substitutionsbandes verfügenden Beschluß entschieden war; da er das nicht getan habe, habe er fahrlässig gehandelt und könne sich nicht mit Erfolg auf das Vertrauen auf den Grundbuchstand berufen; dem Erstrichter sei darin zu folgen, daß die beklagte Partei als Machtgeberin dies habe wissen müssen und daß sie die Fahrlässigkeit DDris. B. zu vertreten habe; nach § 1017 ABGB. stelle der Gewalthaber nach dem Inhalt der Vollmacht den Gewaltgeber dar; notwendiges Wissen oder Wissenmüssen des Machthabers wirke nach der Judikatur auf den Machtgeber zurück; daß der Antrag auf Einverleibung der Hypothek von DDr. B. als Eigentümer des belasteten Liegenschaftsanteiles gestellt wurde, ändere nichts daran, daß das Pfandrecht nach dem Inhalt seines Antrages für die beklagte Partei erworben worden sei; wesentlich sei, daß DDr. B. hiebei auf Grund einer ihm erteilten Vollmacht und eines Auftrages der beklagten Partei gehandelt habe, in welchem Belang auf die Aussage des für sie vernommenen Dr. V. zu verweisen sei; ob er den Verbücherungsantrag selbst oder als Machthaber der beklagten Partei gestellt habe, betreffe nur die Art der Durchführung dieses Auftrages; soweit die beklagte Partei geltend mache, der Kläger sei zur Löschungsklage nicht legitimiert, weil er im Zeitpunkt der Einverleibung der Hypothek nicht als dinglich Berechtigter im Grundbuch eingetragen gewesen sei, sei ihm entgegenzuhalten, daß dies nichts ausmache, weil er später Rechte erworben habe, die ihn zur Klage berechtigten; im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in I. Instanz sei die Beschränkung des Eigentumsrechtes (DDris. Josef B.) zufolge der fideikommissarischen Substitution schon längst wieder im Grundbuch hergestellt gewesen; unter diesen Umständen könne die Frage auf sich beruhen, ob auch die Bleistiftmarke in Ansehung des Rekurses des Klägers gegen den die Löschung des Substitutionsbandes verfügenden Beschluß DDr. B. veranlassen hätte müssen, von der Einverleibung der Hypothek Abstand zu nehmen; ebenso könne unerörtert bleiben, ob sich aus dem Verkehrswert der Liegenschaft und deren anderweitiger Belastung nach kaufmännischen und wirtschaftlichen Erwägungen ableiten ließe, daß die beklagte Partei mit der Hypothek in Wahrheit keine Sicherung ihrer Forderung gegen DDr. B. erreichen wollte, sondern aus anderen Gründen im Zusammenspiel mit ihm die Belastung der Liegenschaft veranlaßte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes mit der Maßgabe, daß die Entscheidung in der Hauptsache zu lauten hat:
"Die unter COZ. 38 für die "Anstalt F." in Vaduz ob dem Viertelanteil des DDr. Josef B. an der Liegenschaft EZ. 194 KatGem. D. BOZ. 10 erwirkte Einverleibung des Pfandrechtes für eine Forderung von 75.000 S s. A. ist unwirksam und zu löschen."
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der beklagten Partei ist darin beizupflichten, daß ihre Einwendung, dem Kläger fehle die Legitimation für das von ihm gestellte Begehren, nicht nur unter dem vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellten Gesichtspunkt zu prüfen war, daß er zwar nicht im Zeitpunkt der Einverleibung der bekämpften Hypothek bücherliche Rechte hatte, sie aber später (wieder) erwarb und jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in I. Instanz besaß. Die Einwendung der beklagten Partei hatte auch den Sinn, daß sich der Kläger höchstens auf eine Anmerkung im Grundbuch stützen könne, eine Anmerkung kein dingliches Recht begrunde, ein solches aber Voraussetzung jeder Löschungsklage sei. Es muß deshalb näher auf die Frage eingegangen werden, welche Rechtsstellung Vorerbe und Nacherbe bei einer fideikommissarischen Substitution haben, insbesondere unter Bedachtnahme auf die Eintragung des Substitutionsbandes im Grundbuch. Diese Frage wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (vgl. dazu etwa Weiß in Klang[2] III 404 ff. zu § 613 ABGB. unter I, 1 sowie die Glosse Steinwenters zu 2 Ob 215/57 in JBl. 1957, S. 619). Der vom Berufungsgericht unter Heranziehung der Lehre Weiß (a. a. O. unter I, 2, b und c) vertretenen Ansicht, der Vorerbe stehe den mit dem Substitutionsband belasteten Nachlaßgegenständen als fremden Sachen gegenüber, kann schon im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes, das von seinem "eingeschränkten Eigentumsrecht" spricht, nicht ohne weiters gefolgt werden. Abgesehen davon müßte, wenn die Nachlaßgegenstände für den Vorerben tatsächlich fremde Sachen wären, dann wohl der Nacherbe Eigentümer sein, eine Konstruktion, die offenbar nicht vertretbar ist, solange der Substitutionsfall nicht eingetreten ist. Der Vorerbe erwirbt mit der Einantwortung nicht bloß ein "jus in re aliena" (vgl. dazu 5 Ob 174/61 = RiZ. 1961 S. 182). Richtig mag sein, daß er den Nachlaßgegenständen zufolge der Beschränkung seines Eigentumsrechtes in gewissen Belangen wie fremden Sachen gegenübersteht, wesentlich ist aber, daß Vor- und Nacherbe zusammen die Rechtsstellung des Vollerben und Volleigentum haben, ihre Berechtigungen einander ergänzen (vgl. Weiß a. a. O. unter I, 1), zwischen ihnen also eine Eigentumsrechtsteilung eigener Art besteht (vgl. dazu Gschnitzer, Erbrecht, S. 74 f.). Dies wirkt sich zunächst in einer den Vorerben persönlich treffenden Beschränkung seiner Fähigkeit zu Verfügungen über das Substitutionsgut aus (§ 94 (1) Z. 2 GBG.), woraus sich die besondere Art der Verbücherung entwickelt hat, daß der Vorerbe zwar als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, hiebei aber die Beschränkung seiner Rechtsstellung durch die fideikommissarische Substitution angemerkt wird. (So auch der oben erwähnte Beschluß des Landesgerichtes vom 26. Oktober 1965). Diese Anmerkung geht aber über die bloße Ersichtlichmachung der den Vorerben treffenden Verfügungsbeschränkungen (§ 20 lit. a GBG.) insofern hinaus, als der Nacherbe, falls dies möglich ist, dabei bestimmt zu bezeichnen ist (§ 174 (2) Z. 3 AußStrG.), und sonst wenigstens der zur Nacherbschaft berufene Personenkreis angeführt wird, allenfalls in der im § 5 GBG. vorgesehenen Form (vgl. hiezu GlUNF. 7349 = Jud. 214, SZ. XXI 22, SZ. XXV 85, §§ 10 AllgGAG., 158 (1) AußStrG.). Die neueste Praxis verwendet übrigens die Bezeichnung "Anmerkung" nicht mehr, sondern geht mit der Einverleibung des Eigentumsrechts des Vorerben mit der Beschränkung durch die Substitution zu Gunsten des Nacherben vor (vgl. Goldschmidt - Dittrich - Peters S. 87, Feil S. 210). Während Anmerkungen im allgemeinen nicht rechtsbegrundend wirken (vgl. Bartsch S. 467 und 469), bewirkt diese Art der Eintragung doch bereits eine grundbuchsmäßige, nach allen Seiten wirksame Sicherung der Rechtsstellung des Nacherben (oder des zur Nacherbschaft berufenen Personenkreises) in bezug auf das Substitutionsgut. Der grundbuchsmäßig gesicherte Nacherbe ist deshalb nach dem Zweck der Bestimmungen der §§ 158 (1) und 174 (2) Z. 3 AußStrG. einem dringlich Berechtigten im eigentlichen Sinn dieses Begriffes gleichzustellen. Er kann daher im Fall seiner Verdrängung aus dem Grundbuch wie sonst ein dinglich Berechtigter mit der Löschungsklage vorgehen (Klang im Klang[2], II 384, Zusatz zu §§ 441 und 442 ABGB. unter I. 1; Bartsch S. 522 f., Feil S. 283). Gegen diese Gleichstellung bestehen umso weniger Bedenken, als § 61 GBG. von der Verletzung eines dinglichen Rechtes expressis verbis gar nicht spricht, sondern auf die Verletzung eines bücherlichen Rechtes schlechthin abstellt. Da der Kläger unbestrittenermaßen zum Kreis der im vorliegenden Fall Substitutionsberechtigten gehört und, wie dargestellt wurde, (zeitweilig) aus dem Grundbuch verdrängt wurde, bestehen gegen seine Legitimation zur Löschungsklage keine Bedenken.
Der Löschungsanspruch des aus dem Grundbuch Verdrängten bezieht sich primär freilich auf jene Einverleibung, durch die er aus dem Grundbuch verdrängt wurde und deren Beseitigung zu Wiederherstellung des richtigen Grundbuchsstandes erforderlich ist (vgl. auch dazu Bartsch a. a. O.; JBl. 1932 S. 496 = RiZ. 1933, S. 117). Dies war im vorliegenden Fall die mit der Löschung des Substitutionsbandes verbundene Einverleibung des Eigentumsrechts für DDr. Josef B. am 30. Juli 1964 unter BOZ. 10. Die Beseitigung seiner Eigentumsbeschränkung im Grundbuch ist, wie gleichfalls bereits dargelegt wurde, zu Unrecht erfolgt; sie war materiellrechtlich von Anfang an ungültig, da die Voraussetzungen der Eigentumsbeschränkung stets fortbestanden hatten. Die beklagte Partei ist nun in Ansehung der Grundbucheintragung BOZ. 10 ein Dritter, der durch eine weitere Einverleibung - eben durch die Bestellung der strittigen Hypothek - ein bücherliches Recht auf der Grundlage der materiellrechtlich von Anfang an ungültigen Eintragung BOZ. 10 erworben hat. Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 63 ff. GBG. ergibt, kann der aus dem Grundbuch zu Unrecht Verdrängte sekundär aber auch gegen den Dritten mit Löschungsklage vorgehen; die Ungültigkeit der Eintragung, durch die er aus dem Grundbuch verdrängt worden war, hat Ungültigkeit jener weiteren Eintragung zur Folge, die sich auf das bücherliche Recht des Dritten bezieht (vgl. auch dazu Feil S. 283).
Da der Kläger, wie sich aus dem Akt des Bezirksgerichtes F. ergibt, von dem Beschluß vom 30. Juli 1964, mit dem der fehlerhafte Beschluß vom 24. Februar 1964 verbüchert wurde, überhaupt nicht verständigt wurde, während ihm letzterer erst viel später zugestellt wurde, ist bei den weiteren Erwägungen von den Bestimmungen des § 64 GBG. auszugehen. Danach schützt guter Glaube den Dritten, der im Vertrauen auf die Verfügungsberechtigung jener Person gehandelt hat, die den Löschungskläger seinerzeit aus dem Grundbuch verdrängt hat, nicht, wenn dieser die Ungültigkeit der ihn verdrängenden Einverleibung binnen 3 Jahren von jenem Zeitpunkt an geltend macht, in dem um sie beim Grundbuchsgericht angesucht wurde. Erst bei Versäumung dieser Frist wird guter Glaube des Dritten bedeutsam (vgl. dazu auch SZ. XXXIII 13; Ehrenzweig I/2, S. 246 f. unter § 225, II, 2. lit. c). Dazu ergibt sich, daß DDr. Josef B. am 30. Juli 1964 um Verbücherung seines Eigentumsrechtes unter Löschung des Substitutionsbandes angesucht hat. Die vorliegende Klage ist - nach der als Zurückweisung zu wertenden "Überweisung" durch das zunächst angerufene unzuständige Kreisgericht W. (vgl. dazu den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 24. April 1967) - am 6. Februar 1967 beim Landesgericht eingelangt, das sich dann seinerseits zu Unrecht als unzuständig erklärte und vom Oberlandesgericht Wien durch den erwähnten Beschluß zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden mußte, worauf es am 31. Mai 1967 das Verfahren fortsetzte. Die im § 64 GBG. normierte Frist von drei Jahren, die am 30. Juli 1964 zu laufen begonnen hatte, erscheint daher gewahrt. Daß der Kläger gegen DDr. B. zufolge Wiedereintragung des Substitutionsbandes im Grundbuch nicht mehr mit Löschungsklage vorgehen braucht, sondern nur mehr die von der beklagten Partei erworbene Hypothek zu bekämpfen hat, ändert an der Rechtslage nichts (vgl. dazu auch die Regelung des § 63 GBG. für den Fall einer ordnungsgemäßen Verständigung von der materiell ungültigen Eintragung).
Unter diesen Umständen können alle Erörterungen darüber unterbleiben, ob die Unterinstanzen der beklagten Partei mit Recht Gutgläubigkeit abgesprochen haben, bzw. ob es richtig ist, daß die beklagte Partei die allenfalls anzunehmende Schlechtgläubigkeit DDris. B. gegen sich gelten lassen muß, obgleich nicht sie, sondern er um die Einverleibung des strittigen Pfandrechtes eingeschritten ist. Der Kläger muß mit seinem Löschungsanspruch auch bei Gutgläubigkeit der beklagten Partei durchdringen, außer DDr. B. hätte als Vorerbe ohneweiters das Substitutionsgut gültig verpfänden können, ohne hiezu irgendwelcher Zustimmungen oder Genehmigungen zu bedürfen. Die beklagte Partei behauptet dies in der Revision selbst zwar nicht, doch muß die Frage im Rahmen der rechtlichen Beurteilung jedenfalls geprüft werden.
Es soll zu Gunsten der beklagten Partei nicht übersehen werden, daß auch diese Frage in der Lehre - je nach der Auffassung, die sie über die Rechtsstellung von Vor- und Nacherben vertritt - nicht einheitlich beantwortet, überwiegend freilich verneint wird (vgl. dazu Weiß a. a. O.). Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß der Vorerbe allein zufolge der Beschränkung seiner Rechtsstellung das Substitutionsgut weder veräußern, noch seine Substanz (vgl. dazu auch § 85 (3) GBG.) belasten kann; von ihm allein getroffene dingliche Verfügungen sind absolut, d. h. auch mit Wirkung gegen Dritte, unwirksam, soweit sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen (vgl. dazu 3 Ob 512/58 = JBl. 1959 S. 317, 6 Ob 75/65 = SZ. XXXVIII 58 und die dort zitierte weitere Judikatur). Davon abzugehen, besteht kein Anlaß. Auch diese letzte Voraussetzung eines Prozeßerfolges des Klägers ist also gegeben.
Der beklagten Partei ist darin beizupflichten, daß das Begehren der Löschungsklage auf Unwirksamerklärung der bekämpften bücherlichen Eintragung und deren Löschung, nicht auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung zu richten ist (vgl. dazu Klang a. a. O. unter I, 3; Bartsch S. 526). Da aber kein Zweifel daran besteht, daß der Kläger in Wahrheit dies anstrebt ("Beseitigung" des von der beklagten Partei zu Unrecht erlangten Pfandrechtes), ist der Revision mit der Maßgabe einer dementsprechenden Neufassung des Urteilsspruches ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z41151Schlagworte
Fideikommissarische Substitution, Löschungsklage des Nacherben, Löschungsklage des Nacherben, Nacherbe, LöschungsklageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1968:0010OB00210.68.1114.000Dokumentnummer
JJT_19681114_OGH0002_0010OB00210_6800000_000