TE OGH 1969/1/9 2Ob385/68

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Veröffentlicht am 09.01.1969
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Norm

ABGB §91
ABGB §1327

Kopf

SZ 42/3

Spruch

Ersatzanspruch der Witwe, deren Mann am Bau eines Hauses für Zwecke der ehelichen Wohnung gearbeitet hatte, soweit diesen Arbeitsleistungen Unterhaltscharakter zugekommen war.

Entscheidung vom 9. Jänner 1969, 2 Ob 385/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Den Beklagten trifft das alleinige Verschulden an einem Verkehrsunfall, bei dem der Gatte der Klägerin, Franz R., am 1. Dezember 1966 tödliche Verletzungen erlitt.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer monatlichen Rente von 1000 S ab 1. April 1968. Hiezu brachte sie vor, bei Abschluß eines Vergleiches mit dem Haftpflichtversicherer des Beklagten sei ausdrücklich festgehalten worden, daß ihre Unterhaltsansprüche noch nicht abgegolten seien. Die Klägerin sei Eigentümerin einer Liegenschaft in P., auf der das noch nicht fertiggestellte Haus P. 250 stehe. Dieses Haus habe Franz R. dank seiner handwerklichen Fähigkeit und beruflichen Vorbildung als Zimmerer im wesentlichen bis zu seinem Tod allein fertiggestellt und alle notwendigen Arbeiten verrichtet. Das Haus müsse nun von einer Baufirma fertiggestellt werden, was einen Aufwand von 212.915 S erfordere. Der Schaden der Klägerin von mindestens 1000 S monatlich ergebe sich daraus, daß Franz R. auf Grund seiner Beistandspflicht als Ehegatte das Haus faktisch kostenlos fertiggestellt hätte. Den aus dem Entfall der Arbeitskraft ihres Ehemannes entstandenen Schaden könne die Klägerin aus der Rente (offenbar gemeint: des Sozialversicherungsträgers) nicht decken. Nach Fertigstellung des Hauses, die sicher noch einige Jahre in Anspruch genommen hätte, wären aber die Bezüge Franz R.s, der im Unfallszeitpunkt als pragmatisierter Gemeindebediensteter einen Monatslohn zuzüglich Wohnungspauschale von 2192 S bezogen habe, bereits so hoch gewesen, daß er der Klägerin einen höheren Unterhaltsbetrag hätte zukommen lassen.

Der Beklagte wendete ein, daß sich die Beistandspflicht des Ehemannes lediglich auf die Lebenshaltung, nicht aber auf Aufwendungen zum Erwerb eines Vermögens erstrecke. Die Klägerin beziehe vom Sozialversicherungsträger eine ausreichende Rente. Davon abgesehen, habe sie auf ihren Unterhaltsanspruch gegenüber Franz R. schlüssig verzichtet, weil sie ihr eigenes Einkommen aus ihrer Liegenschaft gemeinsam mit dem Einkommen ihres Ehemannes verwendet habe. Sie sei für ihren Unterhalt selbst aufgekommen und könne daher Ersatz nicht beanspruchen.

Das Erstgericht wies die Klage ab, ohne Beweise aufzunehmen. Es war der Ansicht, daß die Leistungen zum Bau des Hauses dazu dienten, daß die Klägerin Vermögen erwerbe, und daß diese Leistungen weder unter den Begriff des Unterhaltes noch unter den der Beistandspflicht fielen. Hinsichtlich des Anspruches für die Zeit nach Abzahlung der Leistung zur Fertigstellung des Hauses liege kein schlüssiges Klagsvorbringen vor.

Die zweite Instanz hob infolge Berufung der Klägerin das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Sie billigte den Standpunkt des Erstgerichtes, daß es für vom Hausbau unabhängige Ersatzleistungen an schlüssigem Vorbringen mangle, desgleichen die Ansicht, daß ein allfälliger Vermögenserwerb zu Gunsten der Ehefrau durch die Unterhalts- und Beistandspflicht nicht mehr gedeckt sei. Auch könnten nach der herrschenden Rechtsprechung die nach § 1327 ABGB Anspruchsberechtigten nicht jeden, sondern nur einen solchen Entgang ersetzt verlangen, der im weiteren Sinn noch als Unterhaltsanspruch qualifizierbar sei. Der Unterhaltsanspruch der Frau umfasse aber auch den Anspruch auf Beistellung einer entsprechenden Familienwohnung. Unter Zugrundelegung der Klagsangaben könne nicht von vornherein gesagt werden, daß Franz R. nicht zumindest zum Teil seine Unterhaltspflicht durch die behauptete Bauführung abgestattet habe, wobei die Form, in der die Pflicht zur Beistellung einer Ehewohnung erfüllt werde - Bestandnahme einer Wohnung oder Hausbau - , unerheblich sei. In welchem Umfang dies zutreffen könnte, könne ohne Erhebung und Prüfung des Sachverhaltes nicht festgestellt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin wendet sich allerdings mit Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß mangels schlüssigen Vorbringens nicht zu prüfen sei, ob ein Ersatzanspruch ihrerseits für die Zeit nach der fiktiven Fertigstellung des Hauses durch ihren Gatten bestunde. Diesfalls hat die Klägerin konkrete Tatsachen vorgebracht und unter Beweis gestellt. Daß diesen Umständen erst später Bedeutung zukommen könnte, rechtfertigt nicht, sie unerörtert zu lassen. Das Erstgericht wird daher auch auf das Vorbringen der Klage, betreffend das fiktive Ansteigen der Bezüge ihres Gatten, einzugehen haben.

Nicht im Recht ist die Klägerin jedoch, wenn sie meint, das Berufungsgericht habe den Unterhaltsbegriff zu eng ausgelegt. Die Klägerin übersieht, daß der Sinn des § 1327 ABGB. nicht der Ersatz jeglichen, sondern jenes Schadens ist, der noch dem Begriff des Unterhalts unterstellt werden kann. Ein Anlaß, die in der Rechtsprechung grundsätzlich gehandhabte engere Auslegung des § 1327 ABGB. in dem von der Klägerin angestrebten Ausmaß zu erweitern, besteht nicht.

Der Beklagte macht geltend, daß nach dem Inhalt der Klage die Klägerin die Leistungen ihres Mannes einerseits als Unterhaltsleistung, andererseits als Leistung auf Grund der Beistandspflicht ansehe, die Fertigstellung eines Hauses aber nicht diesen Begriffen unterstellt werden könne. Die Klägerin fordere nicht Entschädigung für den Verlust der Wohnung, sondern für den Verlust der Arbeitsleistungen, die Franz R. zur Fertigstellung des Hauses erbracht hätte. Sie habe nicht behauptet, keine Wohnung besessen zu haben, weshalb angenommen werden müsse, daß Franz R. diesem Teil seiner Unterhaltspflicht schon vor seinem Tod nachgekommen sei.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen, vielmehr ist dem Ergänzungsauftrag der zweiten Instanz aus deren Gründen beizupflichten.

Der Beklagte bestreitet nicht, daß Franz R. Arbeitsleistungen der behaupteten Art erbracht habe. Wären diese Leistungen ohne den tödlichen Unfall weiter erbracht worden, so wären sie jedenfalls auch der Klägerin zugute gekommen. Inwieweit diesen Leistungen aber Unterhaltscharakter zugekommen wäre, wird eben zu prüfen sein. Jedenfalls ist es nicht entscheidend, ob auf diese Weise eine Verbesserung der Wohnmöglichkeit der Klägerin gegenüber den bisherigen Verhältnissen eingetreten wäre, weil auch eine solche Verbesserung, soweit sie im Rahmen der Verpflichtung des Ehemannes, seiner Ehefrau den anständigen Unterhalt zu verschaffen, liegt, in Erfüllung der Unterhaltspflicht nach § 91 ABGB. gewährt würde, sodaß ihr Wegfall einen Entgang nach § 1327 ABGB. darstellen würde.

Anmerkung

Z42003

Schlagworte

Hausbau für eheliche Wohnung, Arbeitsleistung des getöteten Ehegatten, bei -, Schadenersatzanspruch der Witwe, Schadenersatzanspruch der Witwe, Arbeitsleistungen des getöteten Gatten, bei Hausbau für eheliche Wohnung, Unterhaltsleistung des Ehegatten durch Arbeit am Hausbau für, Ehewohnung, Schadenersatzanspruch der Witwe, Witwe, Schadenersatzanspruch bei Arbeitsleistungen des getöteten Gatten, bei Hausbau für eheliche Wohnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0020OB00385.68.0109.000

Dokumentnummer

JJT_19690109_OGH0002_0020OB00385_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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