Norm
EO §9Kopf
SZ 42/8
Spruch
Die Vertretung einer Partei durch einen Armenanwalt erübrigt sich, wenn der vorläufige Beistand der Partei selbst Rechtsanwalt ist.
Entscheidung vom 21. Jänner 1969, 8 Ob 2/69.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Dem Kläger wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20. April 1964, 40 Nc .../64, ein Rechtsanwalt als Armenvertreter in der Person des Dr. Fritz H., später in der Person des Dr. Herwig E., bestellt.
In dem gegen den Kläger anhängigen Entmündigungsverfahren 3 L .../65 des Bezirksgerichtes Döbling wurde mit Beschluß vom 8. November 1965 der Rechtsanwalt Dr. Erich U. zum vorläufigen Beistand des Klägers bestellt, sein Wirkungskreis laut Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 18. März 1966, 2 Ob 76/66, auf die Führung von Zivilprozessen beschränkt.
Am 5. September 1968 stellte der Armenvertreter Dr. Herwig E. den Antrag, ihn zu entheben, da das Bezirksgericht Döbling mit Beschluß vom 10. Mai 1968 die Prozeßführung in der gegenständlichen Sache pflegschaftsbehördlich genehmigt und bekanntgegeben habe, daß der vorläufige Beistand den Prozeß für den Kläger fortsetzen werde.
Das Erstgericht hat sohin mit Beschluß vom 5. September 1968 den Armenvertreter seines Amtes enthoben.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs des vorläufigen Beistandes Dr. Erich U. Folge gegeben und den erstgerichtlichen Beschluß dahin abgeändert, daß der Antrag des Armenvertreters auf Enthebung abgewiesen werde. Zur Begründung hat das Rekursgericht ausgeführt, daß das Bezirksgericht Döbling mit seinem Ausspruch, der vorläufige Beistand werde für den Kläger den gegenständlichen Prozeß fortsetzen, offenbar nur auf die mangelnde Prozeßfähigkeit des Klägers und die gesetzliche Vertretungsbefugnis des vorläufigen Beistandes gemäß den §§ 9, 4 (3) EntmO., 243 ABGB. und 1, 2 ZPO. habe hinweisen wollen. Das Pflegschaftsgericht sei zur Enthebung des bisherigen Armenvertreters nicht zuständig gewesen. Bestellung und Enthebung des Armenvertreters falle in die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes. Das Pflegschaftsgericht habe auf die Person des zu bestellenden Armenvertreters im gegenständlichen Prozeß keinen Einfluß nehmen können. Eine diesbezügliche Anordnung wäre für den Prozeßrichter unbeachtlich gewesen. Die lediglich aus diesem Gründe vorgenommene Enthebung des Armenvertreters sei daher zu beseitigen und der Antrag des Armenvertreters abzuweisen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Armenvertreters Dr. Herwig E. Folge und änderte den zweitinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst war die Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu prüfen. Gemäß § 72 (2) ZPO. sind Beschlüsse, womit einer Partei das Armenrecht bewilligt wird, sowie die Entscheidung, daß für die arme Partei ein Rechtsanwalt zu bestellen ist, unanfechtbar. Das Armenrecht des Klägers wird weder durch den erstgerichtlichen Beschluß noch durch den des Rekursgerichtes berührt, es besteht weiter. Dieser Fall des Rechtsmittelausschusses liegt daher nicht vor. Es kann der Revisionsrekurs des Klägers aber auch nicht als ein solcher, der sich gegen eine Entscheidung über die Bestellung eines Rechtsanwaltes richtet, angesehen werden. Denn hier handelt es sich darum, ob ein Rechtsanwalt, der einer armen Partei in einem Anwaltsprozeß (§ 27 (1) ZPO.) beigegeben wurde, zu entheben ist, wenn der gesetzliche Vertreter (vorläufige Beistand) der armen Partei selbst Rechtsanwalt ist. Der Revisionsrekurs ist daher zulässig.
Er ist auch begrundet.
Es ist dem Rekursgericht zwar zuzustimmen, daß das Pflegschaftsgericht auf die Person des zu bestellenden Armenvertreters keinen Einfluß nehmen kann, da Bestellung und Enthebung eines solchen in die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes fällt. Es mag auch sein, daß das Pflegschaftsgericht durch seinen oben angeführten Beisatz zur Genehmigung der bisherigen Prozeßführung nur auf die mangelnde Prozeßfähigkeit des Klägers und die gesetzliche Vertretungsbefugnis des vorläufigen Beistandes hat hinweisen wollen. Die Enthebung des Armenvertreters ist aber ohnedies nicht durch das Pflegschaftsgericht, sondern durch das Prozeßgericht erfolgt. Wenn der Armenvertreter daher auch durch die Bezugnahme auf den Beschluß des Pflegschaftsgerichtes seinen Enthebungsantrag unrichtig begrundet und sich das Erstgericht dieser Begründung angeschlossen haben mag, so ist doch aus dem Beschluß des Erstgerichtes die Ansicht zu erkennen, daß sich die Vertretung des Klägers durch einen Armenanwalt erübrige, wenn der vorläufige Beistand selbst Rechtsanwalt ist.
Diese Ansicht ist zutreffend. Gemäß § 28 Abs. 1 ZPO. bedürfen Rechtsanwälte, wenn sie in einem Rechtsstreit als Partei einschreiten, weder in der ersten noch in einer höheren Instanz der Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Im vorliegenden Fall ist zwar nicht ein Rechtsanwalt Partei, aber ein Rechtsanwalt ist gesetzlicher Vertreter der armen Partei (des Klägers); auf einen gesetzlichen Vertreter sind jedoch die Bestimmungen über Parteien, soweit die Zivilprozeßordnung nicht unterscheidet, was in bezug auf die Bestimmungen über die Beistellung eines Armenvertreters nicht geschehen ist, anzuwenden (§ 5 ZPO.). Ein Rechtsanwalt, der als gesetzlicher Vertreter einer armen Partei einschreitet, kann daher für seinen Kuranden nicht die gesonderte Beigabe eines Armenanwaltes begehren (Fasching, Kommentar zu den ZP.-Gesetzen, 2. Band, zu § 64 ZPO., Anm. 4 S. 419). Der zum vorläufigen Beistand im vorliegenden Fall bestellte Rechtsanwalt kann dementsprechend auch nicht verlangen, daß der Armenanwalt, der der armen Partei vor der Bestellung des vorläufigen Beistandes beigegeben wurde, seine Tätigkeit weiter ausübe, der Armenanwalt also nunmehr den zum vorläufigen Beistand bestellten Rechtsanwalt vertrete. Daß trotz der Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. U. zum vorläufigen Beistand des Klägers mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 8. November 1965 der Armenvertreter seither im vorliegenden Prozeß den Kläger bereits durch geraume Zeit vertreten hat, kann nicht entscheidend sein.
Anmerkung
Z42008Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1969:0080OB00002.69.0121.000Dokumentnummer
JJT_19690121_OGH0002_0080OB00002_6900000_000