TE OGH 1969/1/28 4Ob5/69

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Veröffentlicht am 28.01.1969
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Norm

EO §308

Kopf

SZ 42/14

Spruch

Zulässigkeit der Aufrechnung des dem Drittschuldner durch seinen Dienstnehmer den Verpflichteten deliktisch zugefügten Schadens, zu dessen Gutmachung sich dieser vor Gehaltspfändung verpflichtet hatte, gegenüber dem Überweisungsgläubiger.

Entscheidung vom 28. Jänner 1969, 4 Ob 5/69.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 203.694.65 S und der Kosten von 1097.78 S und 1097.78 S wurden der klagenden Partei gegen den bei der beklagten Partei als Vertreter beschäftigten Franz K. mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 18. März 1965, GZ. 3 E .../65, die gepfändeten Bezüge des Verpflichteten bis zur Höhe der vollstreckten Forderung gegenüber dem Dienstgeber zur Einziehung überwiesen. In der Drittschuldneräußerung hat die beklagte Partei die Forderung in wechselnder Höhe, je nach Maßgabe der ins Verdienen gebrachten Provision anerkannt, sich jedoch nicht bereit erklärt, Zahlung zu leisten, weil sich der Verpflichtete mit Vereinbarung vom 28. März 1963 zur Gutmachung eines dem Drittschuldner deliktisch zugefügten Schadens von 200.000 S im Kompensationswege gegen die jeweils ihm erwachsenden Ansprüche auf Provision, soweit sie über das ihm gesetzlich zustehende Existenzminimum hinausgehen, verpflichtet habe.

Mit der vorliegenden, am 12. Juni 1968 eingebrachten Drittschuldnerklage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei die Bezahlung eines Betrages von 45.000 S samt 4% Zinsen ab Klagstag.

Mit dem Ersturteil wurde dem Klagebegehren stattgegeben.

Das Erstgericht nahm in die Verpflichtungserklärung ./2 sowie in die Gedächtnisnotiz ./3 Einsicht und führte aus, daß das im Zuge einer Gehaltspfändung ergehende Drittverbot sich nicht nur auf die Zahlung im engeren Sinn beziehe, sondern auch auf jede auf Schuldtilgung abzielende Rechtshandlung, die der Zahlung wirtschaftlich gleichzuhalten sei. So sei etwa die zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer getroffene Vereinbarung, daß der dem letzteren gewährte Vorschuß in monatlichen Raten durch Abzug vom Lohn zurückbezahlt werden soll, im Falle der Pfändung der Dienstbezüge seitens eines Dritten ungültig; das gleiche gelte für Darlehensforderungen. Vom Zeitpunkt der Pfändung an dürfe der Drittschuldner dem Verpflichteten nicht dadurch Zahlung leisten, daß er gegen dessen Forderung seine Gegenforderung aufrechnet, und der Verpflichtete über seine Forderung nicht dadurch verfügen, daß er sie im Wege der Aufrechnung zur Tilgung der Gegenforderung des Drittschuldners benützt. Für die geleistete Arbeit gebühre dem Verpflichteten eine Lohnforderung. Eine Vereinbarung, daß diese seine Forderung mit seiner Schuldigkeit kompensiert werde, sei für die Zeit nach der Pfändung gemäß § 294 EO. und § 879 ABGB. ungültig. Da die beklagte Partei wegen der von ihr behaupteten Schuld des Verpflichteten nicht schon vor der klagenden Partei Gehaltspfändung gegen den Verpflichteten erwirkt habe, könne sie sohin ihre eigene Forderung gegen den Verpflichteten nicht von der klagenden Partei befriedigen. Die der Höhe nach unbestrittene Klageforderung sei daher begrundet.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es verhandelte die Sache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem, nahm in die Akten S ../57 des Landesgerichtes für ZRS. Wien und 3 E .../65 des Exekutionsgerichtes Wien sowie in die Beilagen ../2 und ../3 Einsicht und führte in rechtlicher Beziehung aus, es möge zutreffen, daß der Verpflichtete in deliktischer Weise der beklagten Partei einen Schaden von 200.000 S zufügte und sich zwecks Schadensgutmachung in dem an die beklagte Partei gerichteten Schreiben vom 28. März 1963, Beilage ./2, damit einverstanden erklärte, daß die beklagte Partei berechtigt sei, von seinen künftigen Bezügen im Kompensationsweg jeweils jene Beträge einzubehalten, die über das Existenzminimum hinaus von ihm monatlich ins Verdienen gebracht werden. Mit dem Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 18. März 1965 seien jedoch sämtliche Bezüge, auf welche der Verpflichtete aus dem bestehenden Dienstverhältnis gegenüber der beklagten Partei Anspruch hat, der klagenden Partei zur Einziehung überwiesen worden. Am 25. März 1965, dem Tag der Zustellung des Zahlungsverbotes, habe sich daher die beklagte Partei aus dem vom Verpflichteten über das Existenzminimum hinaus ins Verdienen gebrachten Einkommen nicht mehr befriedigen dürfen, weil die klagende Partei bereits an das Existenzminimum übersteigenden arbeitsrechtlichen Forderungen des Verpflichteten ein Pfandrecht erworben hatte. Durch dieses Pfandrecht sei die bis dahin bestandene vertragliche Aufrechnungsvereinbarung zwischen der beklagten Partei und ihrem Dienstnehmer außer Wirksamkeit gesetzt worden. Der gegenständliche Fall sei rechtlich nicht anders zu beurteilen, als die durchjudizierten Fälle, in welchen der Dienstgeber dem Dienstnehmer ein Darlehen gewährt und sodann durch die Pfändung und Überweisung der Dienstbezüge des Dienstnehmers rechtlich daran gehindert werde, die mit dem Verpflichteten vereinbarten Lohnbezüge zur Befriedigung der Darlehensforderung einzubehalten. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei könne Beilage ./2 nicht dahin ausgelegt werden, daß mit dem Verpflichteten nur das Existenzminimum als Lohn vereinbart wurde. Vielmehr habe nach Beilage ./2 der das Existenzminimum übersteigende Lohn zur Schadensgutmachung dienen sollen. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, daß sich die klagende Partei nicht aus den das Existenzminimum übersteigenden Lohnforderungen des Verpflichteten befriedigen könne (§§ 294, 299, 303, 308 EO.).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es muß davon ausgegangen werden, daß der Schuldner dann, wenn einem Dritten an der Forderung ein vertragsmäßiges, gesetzliches oder richterliches Pfandrecht zusteht, gegen diese Forderung solche Gegenforderungen, die ihm schon vor Begründung des Pfandrechtes aufrechenbar zugestanden waren, jedenfalls aufrechnen kann (Gschnitzer in Klang[2] VI 512 f. zu § 1440 ABGB.) EvBl. 1969 Nr. 165), wobei von der Erwägung auszugehen ist, daß dem Drittschuldner gegenüber dem Überweisungsgläubiger dieselben Einwendungsmöglichkeiten zustehen, die er gegenüber dem Verpflichteten besitzt (s. hiezu die in der GMA. der EO.[10] von Heller zu § 308 EO. unter B 1 a zitierte Entscheidung 7 Ob 135/56, ferner 6 Ob 381/66. EvBl. 1969 Nr. 165 u. a.), Im übrigen stellen auch die Entscheidungen SZ. XVIII 215, SZ. XIX 298 und SZ. XXVII 146 ausdrücklich darauf ab, daß für ein Aufrechnungsrecht gegenüber dem Überweisungsgläubiger maßgebend ist, daß die Gegenforderungen des Drittschuldners gegen den Verpflichteten im Zeitpunkt der Pfändung der eingeklagten Forderung aufrecht gegenüber standen. Auch die von den Untergerichten verwerteten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, ArbSlg. 6288 und 6680 stehen dem nicht etwa entgegen. Denn die Entscheidung ArbSlg. 6288 ist auf dem Rechtssatz aufgebaut, daß für sich allein, ohne Geltendmachung durch die sich gegenüberstehenden Personen, die Wirkung der Aufrechnung noch nicht eintrete, während im vorliegenden Fall nach dem Inhalt der Beilage ./2 die Kompensation schon in dieser Urkunde geltend gemacht und von Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbart worden war. Im übrigen handelt es sich in beiden Entscheidungen um Lohnvorschüsse. In jenen Fällen wurden die Gegenforderungen erst durch eine Vereinbarung geschaffen. Soweit dadurch die Befriedigung der Gläubiger vereitelt wurde, kann darin allenfalls ein Verstoß gegen § 879 ABGB. erblickt werden. Anders aber ist die Lage im konkreten Fall, wo die Gegenforderung nach den Behauptungen der beklagten Partei durch eine rechtswidrige Handlung entstanden war. Hier läßt sich jedenfalls nicht behaupten, daß die Vereinbarung, die durch die rechtswidrige Handlung des Dienstnehmers entstandene Forderung des Beklagten solle im Kompensationsweg getilgt werden, gegen § 879 ABGB. verstoße. Es ist nicht einzusehen, warum der Drittschuldner hier schlechter gestellt sein sollte als der debitor cessus im Falle einer vertraglichen Zession der Forderung (§ 1396 ABGB.).

Folgt man daher den Behauptungen des Beklagten und dem Inhalt der vorgelegten Verpflichtungserklärung./2, müßte im vorliegenden Fall ein Kompensationsrecht der beklagten Partei bejaht werden. Die klagende Partei hat jedoch ausdrücklich bestritten und unter Beweis gestellt, daß die in der Erklärung ./2 bezogene Schadenszufügung überhaupt erfolgt sei. Überdies ist nach der Aktenlage nicht hinreichend geklärt, mit welchen Beträgen im Zeitpunkt der Pfändung der Bezüge des Verpflichteten dessen deliktische Schuld bereits abgezahlt wurde bzw. welche Beträge für den vom Klagebegehren umfaßten Zeitraum noch als offene Schuld angesehen werden können. In diesen Zusammenhängen liegen daher Feststellungsmängel vor, die eine Aufhebung der Urteile beider Untergerichte erforderlich machen.

Anmerkung

Z42014

Schlagworte

Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Dienstgeber, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Dienstnehmer, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Drittschuldner, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Gegenforderung, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Gehaltsexekution, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Kompensation, gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Pfändung, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Schadenersatz, Aufrechnung von Forderungen auf - gegenüber, Überweisungsgläubiger, Überweisungsgläubiger, Anfechtung gegenüber dem -, Verpflichteter, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger, Zahlungsverbot, Aufrechnung gegenüber dem Überweisungsgläubiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0040OB00005.69.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19690128_OGH0002_0040OB00005_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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