TE OGH 1969/1/30 2Ob396/68

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Veröffentlicht am 30.01.1969
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Norm

ZPO §§6 ff
ZPO §38
ZPO §121

Kopf

SZ 42/20

Spruch

Eine vom Versicherer "für den Versicherten" erteilte Prozeßvollmacht ersetzt nicht die Bevollmächtigung durch diesen selbst.

Entscheidung vom 30. Jänner 1969, 2 Ob 396/68.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger nimmt mit der vorliegenden Klage den Beklagten als Lenker und Halter eines LKW. wegen Ersatz des Schadens in Anspruch, den er nach seinen Behauptungen durch einen vom Beklagten am 6. August 1966 verschuldeten Verkehrsunfall erlitten hat.

Mit Beschluß vom 19. Dezember 1966 verfügte das Erstgericht die Zustellung der Klage samt Ladung zur ersten Tagsatzung an den Beklagten (im Libanon) mittels internationalen Rückscheines. Eine Bestätigung über die erfolgte Zustellung langte nach der Aktenlage nicht ein. Bei der ersten Tagsatzung am 2. Februar 1967 wurde gemäß § 38 (1) ZPO. Rechtsanwalt Dr. R. gemäß seinem Antrag als Bevollmächtigter des Beklagten einstweilen zugelassen und ihm eine Frist von zwei Monaten zur nachträglichen Vorlage der Vollmacht und bis 2. März 1967 zur Erstattung der Klagebeantwortung erteilt. Die klagende Partei stellte den Antrag, bei Versäumung der zweimonatigen Frist ein Versäumungsurteil zu erlassen. Nachdem Dr. R. fristgerecht unter Hinweis auf seine Zulassung nach § 38 ZPO. die Klagebeantwortung erstattet hatte, legte er zu Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 3. April 1967 eine Prozeßvollmacht, ausgestellt zu Frankfurt/Main am 29. März 1967 und unterfertigt "für X.Y.Z.-Versicherungs-Aktiengesellschaft" mit unleserlicher Unterschrift vor. Hiezu brachte er vor: "Der Beklagte ist bis jetzt nicht auffindbar. So war es mir nicht möglich, von ihm eine Vollmacht zu bekommen. Der Beklagte ist mit dem Unfallwagen bei der Z.-Versicherungs-AG. haftpflichtversichert. Für dieses Versicherungsverhältnis gelten die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung gemäß § 10 (5) Darin heißt es in Absatz 5: Der Versicherer gilt als bevollmächtigt, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der versicherten Parteien abzugeben. Diese Versicherung deckt auch die Vollmachterteilung für den Beklagten. Beweis: Die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung". Anschließend wurde zur Sache verhandelt und es erging das Urteil erster Instanz. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung wurde außer Streit gestellt, "daß die Z.-Versicherungs-AG. Versicherer des LKW., der am Unfall beklagterseits beteiligt war, war". Beklagterseits wurden vorgelegt und als echt und richtig anerkannt die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge und führte am Ende seiner Entscheidungsgründe aus: "Dazu, daß der Beklagtenvertreter nicht vom Beklagten selbst, sondern vom Haftpflichtversicherer zur Prozeßführung bevollmächtigt wurde, genügt es, auf § 10 (3) der im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen anzuwendenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung zu verweisen. Darnach kann der Versicherer anstelle des Versicherten alle zur Befriedigung oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherten abgeben. Er kann in seinem Namen Prozeßvollmachten ausstellen (Stiefel - Wussow AKB.[6] S. 354 ff. insbes. S.357)."

Der Oberste Gerichtshof erteilte dem Kläger aus Anlaß der Revision des Beklagten den Auftrag, binnen 6 Wochen den Nachweis der Bestellung eines Kurators für die beklagte Partei und der Genehmigung der Prozeßführung durch diesen zu erbringen.

Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist müßte die Nichtigkeit des vom Vertretungsmangel betroffenen Verfahrens ausgesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrundeliegenden Auffassung, der Beklagte sei im bisherigen Verfahren ordnungsgemäß vertreten gewesen, nicht anzuschließen.

Das Berufungsgericht bezieht sich diesfalls auf die Lehrmeinung Stiefel - Wussow's (Kraftfahrversicherung[6] S. 357; ebenso S. 378 in der 7. Auflage des genannten Kommentars), wonach die Vollmacht aus § 10 (5) der (deutschen) Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung i. d. F. v. 1. Oktober 1965, Bundesanzeiger Nr. 172 vom 14. September 1965 (= § 10 (3) der hier anzuwendenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung, Bekanntmachung des Reichsaufsichtsamtes für die Privatversicherung vom 31. Juli 1940, Reichsanzeiger Nr. 1871 eine Vollmacht für die gesetzlichen Vertreter des Versicherers ist, die daraufhin auch Prozeßvollmachten für ihre Angestellten ausstellen können (vgl. hiezu auch die Ausführungen a. a. O. 6. Aufl. S. 258 bzw. 7. Aufl. S. 275, wonach der Versicherer im Außenverhältnis das Recht hat, auf Grund des § 10 (5) AKB. die Prozeßvollmacht zu erteilen). Diese Beurteilung ist zwar für den deutschen Rechtsbereich durch die analoge Anwendung des § 53 dZPO., betreffend die unterstellte Prozeßunfähigkeit, gedeckt (vgl. Stiefel - Wussow a. a. O.). Im österreichischen Recht fehlt es aber an einer entsprechenden Prozeßvorschrift. Die dem Versicherer eingeräumte Prozeßmuntschaft bedeutet nicht, daß er den Versicherten ohne Vollmacht im Prozeß vertreten könnte. Mangels einer Vollmacht - dieser Mangel wurde durch die (überdies verspätete) Vorlage der Vollmacht vom 3. April 1967 nicht saniert - konnte Rechtsanwalt Dr. R. im Verfahren nicht wirksam einschreiten. Bei dieser Sachlage hatte das Gericht gemäß § 38 (2) ZPO. ohne Rücksicht auf dieses Einschreiten vorzugehen.

Die Durchführung des Verfahrens mit einem nicht ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter begrundet die Nichtigkeit der vom Vertretungsmangel berührten Prozeßhandlungen. Diese Nichtigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Da der Nachweis der Zustellung der Klage samt Ladung an den Beklagten nicht erbracht war, konnte dem für den Fall der Fristversäumung vom Kläger gestellten Antrag, ein Versäumungsurteil zu erlassen, nicht entsprochen werden. Hingegen war gemäß § 121 ZPO. in Anwendung der §§ 6 ff. ZPO. dem Kläger der Auftrag zu erteilen, die Bestellung eines Prozeßkurators zu veranlassen (vgl. Fasching Komm, II. S. 635).

Anmerkung

Z42020

Schlagworte

Prozeßvollmacht des Versicherers, kein Ersatz der Bevollmächtigung, durch den Versicherten, Versicherer, Prozeßvollmacht des - kein Ersatz der Bevollmächtigung, durch den Versicherten, Vollmacht, vom Versicherer für den Versicherten erteilte, Prozeßvollmacht, kein Ersatz für Bevollmächtigung durch den Versicherten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0020OB00396.68.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19690130_OGH0002_0020OB00396_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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