TE OGH 1969/2/6 1Ob7/69

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Veröffentlicht am 06.02.1969
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Norm

Amtshaftungsgesetz §1
Kraftfahrgesetz 1955 §83 (1)
Straßenverkehrsordnung §60

Kopf

SZ 42/23

Spruch

Ein zur Verkehrsüberwachung eingesetzter Gendarmeriebeamter, der einen mit unzulänglicher Beleuchtung fahrenden Kraftfahrzeuglenker verfolgt, um wegen Verletzung des § 83 (1) KFG. 1955 gegen ihn einzuschreiten, erfüllt eine straßenpolizeiliche und damit eine in den Kompetenzbereich der Länder fallende Aufgabe.

Entscheidung vom 6. Februar 1969, 1 Ob 7/69.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Als der im Dienst befindliche Gendarmeriebeamte Erich S. in den späteren Abendstunden des 29. Juni 1964 mit dem von ihm gelenkten Dienstkraftfahrzeug auf der T. Bundesstraße im Ortsgebiet von P. reversieren wollte, stieß er den mit einem Kraftrad herankommenden Kläger nieder; S. wurde deshalb mit der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung des Bezirksgerichtes K. vom 13. August 1964 der Übertretung nach dem § 335 StG. schuldig erkannt.

Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage begehrt der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes von der beklagten Partei (einem Bundesland) Zahlung eines Betrages von 62.628.90 S s. A., Leistung einer monatlichen Rente von 259.50 S ab 1. Juni 1967 sowie die Feststellung, daß ihm das beklagte Bundesland für alle aus dem Unfall resultierenden (gemeint offenbar: künftigen) Schäden hafte.

Nach einer Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches hat das Erstgericht ausgesprochen, daß das auf 62.628.90 S s. A. lautende Leistungsbegehren dem Gründe nach zu Recht bestehe, wobei es von folgenden, unbekämpft gebliebenen Feststellungen ausgegangen ist: S. sei am Unfallstag gemeinsam mit K. als Patrouillenkommandanten zur Verkehrsüberwachung eingesetzt gewesen. Diese habe sich vor allem auf die mit dem Kraftfahr- und dem Straßenverkehr (KFG. 1955 und StVO. 1960) zusammenhängenden Aufgabenstellungen erstreckt. Während der bei Nacht und Regen erfolgten Fahrt durch P. sei den Beamten ein aus der Gegenrichtung kommender, möglicherweise mit eingeschaltetem Stadtlicht fahrender Personenkraftwagen aufgefallen, dessen Beleuchtungsanlage, und zwar links vorne, defekt gewesen sei; dieser Umstand habe die Beamten veranlaßt, zu reversieren, um dem beschriebenen Fahrzeug nachzufahren und gegen dessen Lenker nach dem Kraftfahrgesetz einzuschreiten. Bei diesem Wendemanöver sei es zu dem geschilderten, zur Verletzung des Klägers und zur Erlassung einer rechtskräftig gewordenen Strafverfügung gegen S. führenden Unfallsgeschehen gekommen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß dem Lenker des Dienstfahrzeuges das alleinige Verschulden an dem Unfall anzulasten sei und die vom Verletzten gegen die beklagte Partei nach dem Amtshaftungsgesetz geltend gemachte Schadenersatzforderung von 62.628.90 S s. A. dem Gründe nach zu Recht bestehe.

Die beklagte Partei hat in ihrer gegen diese Entscheidung (allein) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung ausdrücklich eingeräumt, daß "der Anspruch des Klägers gegen den noch festzustellenden Rechtsträger dem Gründe nach zu Recht bestehe"; eine Fehlbeurteilung sei dem Erstgericht nur insoweit unterlaufen, als es die beklagte Partei und nicht die Republik Österreich als legitimierten Rechtsträger ansehe.

Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schicksal der Klage hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob das am Verkehrsunfall schuldtragende Organ bei der eingeleiteten Verkehrskontrolle eine Angelegenheit des Kraftfahrwesens oder eine solche der Straßenpolizei zu besorgen hatte. Im erstgenannten Fall würde es eine in den Kompetenzbereich des Bundes (Art. 10 (1) Z. 9 B-VG.), andernfalls eine in den Kompetenzbereich der Länder fallende Dienstverrichtung vorgenommen haben (Art. 11 (1) Z. 4 B-VG.).

Bei der Lösung dieser Frage ist zu beachten, daß der zur Unfallszeit in Geltung stehende § 83 (1) KFG. 1955 bestimmte, daß während der Dunkelheit oder bei starkem Nebel Kraftfahrzeuge und Anhänger mit entsprechenden, in den §§ 17 und 18 KFG. vorgesehenen Einrichtungen zu beleuchten sind, während die Abs. 1 und Abs. 3. erster Halbsatz, des § 60 StVO. 1960 anordnen, daß a) ein Fahrzeug auf Straßen nur verwendet werden darf, wenn es so gebaut und ausgerüstet ist, daß durch einen sachgemäßen Betrieb Personen nicht gefährdet ... werden und b) Fahrzeuge während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, auf der Fahrbahn zu beleuchten sind.

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sind vom Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" nur die nach der Eigenart der Kraftfahrzeuge notwendigen verkehrspolizeilichen Bestimmungen sowie jene über die Beschaffenheit der Fahrzeuge und ihren Betrieb erfaßt (VfGH. Slg. NF. 2977 u. a.); die Vorschriften über die Beleuchtung eines Fahrzeuges können nicht als eine nach der Eigenart der Kraftfahrzeuge notwendige verkehrspolizeiliche Bestimmung angesehen werden, weil - wie sich aus § 2 (1) Z. 19 StVO. 1960 ergibt - unter "Fahrzeugen" nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern Beförderungsmittel schlechthin zu verstehen sind.

Diesfalls beabsichtigten die zur Verkehrsüberwachung eingesetzten Beamten einen bei Nacht und Regen mit unzulänglicher Beleuchtung fahrenden Kraftfahrzeuglenker zu stellen und zu kontrollieren. Sie waren bemüht, der von der ordnungsgemäßen Beleuchtung handelnden Vorschrift des § 83 (1) KFG. 1955 Geltung zu verschaffen und nach dieser Gesetzesstelle gegen den Fahrzeuglenker einzuschreiten. Bei der zitierten Vorschrift handelt es sich um eine in das KFG. 1955 eingebaute verkehrspolizeiliche Bestimmung, die zudem inhaltlich durch die StVO. 1960 (§ 60, Zustand und Beleuchtung der Fahrzeuge) materiell ersetzt worden ist (vgl. Kammerhofer, Straßenverkehrsordnung[4], S. 296).

Es zeigt sich also, daß die Beamten bei der von ihnen eingeleiteten Verfolgung des Fahrzeuglenkers eine straßenpolizeiliche und damit eine in den Kompetenzbereich der Länder fallende Aufgabe erfüllten (ZVR. 1963 Nr. 265). Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen zu Recht die Passivlegitimation der beklagten Partei bejaht, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben muß.

Anmerkung

Z42023

Schlagworte

Amtshaftungsanspruch gegen Bundesland, Verkehrsunfall bei, straßenpolizeilichen Aufgaben der Gendarmerie, Bundesland, Kompetenzbereich des -, Verfolgung eines unzulänglich, beleuchteten Fahrzeuges durch Gendarmeriebeamten, Gendarmeriebeamter, Verfolgung eines unzulänglich beleuchteten, Fahrzeuges, Kompetenzbereich des Landes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0010OB00007.69.0206.000

Dokumentnummer

JJT_19690206_OGH0002_0010OB00007_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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