TE OGH 1969/3/19 7Ob30/69

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Veröffentlicht am 19.03.1969
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Norm

Versicherungsvertragsgesetz §69
Versicherungsvertragsgesetz §70
Versicherungsvertragsgesetz §71

Kopf

SZ 42/44

Spruch

Der Veräußerer ist schon mit dem Eigentumsübergang auf den Erwerber als vertragsfremder Dritter anzusehen und nicht erst ab Kenntnis des Versicherers. Die Unterlassung der Veräußerungsanzeige hat nur die im § 71 VersVG. geregelten Sanktionen zur Folge.

Entscheidung vom 19. März 1969, 7 Ob 30/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Betrages von 2293 S s. A., den er als Prämie für die Zeit vom 24. Mai 1967 bis 24. Mai 1968 auf Grund eines Versicherungsvertrages schulde.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung, weil er die versicherte Sache im Oktober 1966 veräußert, dies einem Repräsentanten der Klägerin zwar nicht sofort, aber im Frühjahr 1967 mitgeteilt habe und infolge dieser Mitteilung sowie wegen des Risikoentfalles die erhobene Prämienforderung nicht berechtigt sei.

Die Klägerin erwiderte, daß sie von der Veräußerung nicht benachrichtigt worden sei, die Erwerberin der versicherten Sache den Versicherungsvertrag erst am 20. Oktober 1967 aufgekundigt habe und daher der Beklagte zur Zahlung der Prämie für das Versicherungsjahr 1967/68 verpflichtet sei.

Nachdem das Erstgericht das Klagebegehren im ersten Rechtsgang abgewiesen, das Berufungsgericht dieses Urteil jedoch ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben hatte, wies das Erstgericht im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren neuerlich ab, wobei es von folgenden für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ausging:

Der Beklagte schloß am 24. Mai 1966 mit der Klägerin einen Vertrag über die Fahrzeugvollversicherung (Kaskoversicherung) des damals im Eigentum des Beklagten stehenden PKW der Marke VW. Er bezahlte dabei sofort die Jahresprämie für das Versicherungsjahr 1966/67 in Höhe von 2293 S. Im Oktober 1966 verkaufte und übergab der Beklagte das versicherte Kraftfahrzeug an Martha A., wobei er der Käuferin sowohl das Bestehen der Kaskoversicherung zur Kenntnis brachte, als auch den Versicherer, nämlich den Volkswagenversicherungsdienst, bekanntgab.

In der Zeit zwischen 15. und 20. April 1967 teilte der Beklagte dem Versicherungsinspektor der Klägerin für den Bezirk V. namens Raimund P. mündlich mit, daß er seinen PKW verkauft habe. Raimund P. nahm diese Mitteilung zur Kenntnis und sicherte dem Beklagten zu, daß er den Verkauf nach Wien berichten werde. Er erstattete auch tatsächlich im Verlauf der darauffolgenden Woche eine schriftliche Meldung "nach Wien". Trotzdem wurde der Beklagte am 20. Juli, 4. August und 18. September 1967 von der Klägerin (Volkswagenversicherungsdienst) wegen Bezahlung der gegenständlichen, am 24. Mai 1967 für die Zeit vom 24. Mai 1967 bis 24. Mai 1968 fälligen Versicherungsprämie gemahnt. Mit einem am 2. Oktober 1967 beim Volkswagenversicherungsdienst eingelangten Schreiben teilte der Beklagte mit, daß er den versicherten PKW an Martha A. in E. verkauft habe. Mit Postkarte vom 20. Oktober 1967 erklärte die Erwerberin der Klägerin (Volkswagenversicherungsdienst), daß sie als neue Eigentümerin den gegenständlichen Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung kundige.

Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht unter Hinweis auf die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht aus, die Aufkündigung des Versicherungsvertrages durch die Erwerberin vom 20. Oktober 1967 könne nicht auf die Bestimmung des § 70 VersVG. gestützt werden, weil der Erwerberin anläßlich des Eigentumsüberganges im Oktober 1966 sowohl der Bestand der Versicherung als auch der Versicherer (= Volkswagenversicherungsdienst) bekanntgegeben worden und daher die Kündigung nicht innerhalb eines Monates ab Erwerb bzw. ab Kenntnis von den vorangeführten Umständen erfolgt sei.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht auf Grund der Berufung der Klägerin dem Klagebegehren statt. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Berufungsgrunde der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen Tatsachenfeststellung, erachtete jedoch die Rechtsrüge der Berufung für gerechtfertigt, wobei es im wesentlichen folgendes ausführte:

Falls der Erwerber der versicherten Sache trotz Kenntnis vom bestehenden Versicherungsverhältnis und des Versicherers nicht binnen Monatsfrist kundige, so trete er an die Stelle des Veräußerers in das Versicherungsverhältnis ein, und zwar mit der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Bezahlung der Versicherungsprämie für die dem Erwerb folgende Versicherungsperiode, sofern nicht der Versicherer seinerseits von der ihm gemäß § 70 VersVG. eingeräumten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch mache. Auch für den Versicherer laufe die Monatsfrist für die ihm mögliche Kündigung von der Kenntnis der Veräußerung, die mündliche Mitteilung des Beklagten an Raimund P. habe den vereinbarten Formerfordernissen nicht entsprochen, weshalb erst die am 2. Oktober 1967 eingelangte schriftliche Veräußerungsanzeige für die Klägerin rechtlich erheblich sei; bis dahin sei der Beklagte für die Klägerin weiterhin Vertragsgegner geblieben und daher zur Bezahlung der gegenständlichen Versicherungsprämie verpflichtet.

Der Oberste Gerichtshof stellte infolge Revision der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die gegenständliche Kündigung der Erwerberin vom 20. Oktober 1967 wurde von den Vorinstanzen zutreffend dahin beurteilt, daß sie wegen Nichteinhaltung der im § 70 (2) VersVG. angeführten Kündigungsfrist keine Verpflichtung des Beklagten zur Prämienzahlung im Sinn des § 70 (3) VersVG. auslösen konnte. Der in der Revisionsbeantwortung vorgetragenen Meinung der Klägerin, daß diese Kündigung den Vorschriften des § 70 VersVG. entsprochen habe, kann angesichts der von ihr als Berufungswerberin unbekämpften Feststellung, daß der Erwerberin bei Abschluß des Kaufvertrages im Oktober 1966 das Bestehen des gegenständlichen Versicherungsverhältnisses und der Versicherer bekanntgegeben wurde, nicht beigetreten werden.

Eine Kündigung des Versicherers gemäß § 70 (1) VersVG. wurde von keiner Seite behauptet, die wiedergegebenen Ausführungen des Berufungsgerichtes über den Beginn des Laufes der Kündigungsfrist für den Versicherer wären daher entbehrlich gewesen, falls man nicht die Ansicht vertreten will, daß eine innerhalb der Frist des § 70

(1) VersVG. eingelangte, aber nicht den Vorschriften des § 70 (2) VersVG. entsprechende (verspätete) Kündigung des Erwerbers die dem Versicherer mögliche, aber tatsächlich unterlassene Kündigung ersetze. Diese in der Revisionsbeantwortung vertretene Konstruktion ist aber schon wegen des Rechtscharakters jeder Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung - die Kündigung müßte dem Empfänger zugegangen sein - als nicht dem Gesetz entsprechend abzulehnen. Aus § 70 (3) VersVG. kann daher hier eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der gegenständlichen Versicherungsprämie nicht abgeleitet werden, weil keine den Bestimmungen des § 70 (1) oder (2) VersVG. entsprechende Kündigung erfolgte. Diese Verpflichtung kann auch nicht auf § 69 (2) VersVG. gestützt werden, weil der in § 69 (1) VersVG. normierte Eintritt des Erwerbers hier im Oktober 1966, also während der Versicherungsperiode 1966/67 erfolgt ist.

Das Berufungsgericht entschied daher nur deshalb im Sinne des Klagebegehrens, weil es die Auffassung vertrat, daß der Beklagte als Versicherungsnehmer bis zur Kenntnisnahme der ordnungsgemäßen Veräußerungsanzeige der Vertragsgegner der Klägerin geblieben sei. Das Berufungsgericht vermeinte, sich dabei auf die Ausführungen Ehrenzweigs, Deutsches-Österreichisches Versicherungsvertragsrecht, S. 233, stützen zu können. Die Formulierung Ehrenzweigs, der Veräußerer "bleibe" für den Versicherer (bis zu dessen Kenntnis von der erfolgten Veräußerung) "Vertragsgegner", die für sich allein betrachtet und aus ihrem Zusammenhang gerissen mißverstanden werden könnte, bezieht sich jedoch nach ihrem Zusammenhang lediglich auf die Bestimmung des § 69 (3) VersVG. Zum Übergang gemäß § 69 (1) VersVG. führt Ehrenzweig selbst aus, daß der Erwerber mit dem Eigentumsübergang ex lege in die sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintrete und von diesem Zeitpunkt an der Veräußerer als "vertragsfremder Dritter" anzusehen sei (a. a. O. S. 232, ebenso Prölß VersVG.[17] § 69 Anm. 3 und 4, Kisch, Privatversicherungsrecht III S. 295 ff. u. a.). Abgesehen davon läßt die ausdrücklich auf den Vorgang selbst und nicht auf dessen Kenntnis abgestellte Formulierung des § 69 (1) VersVG. nur die Auslegung zu, daß der Veräußerer ab dem Übergangszeitpunkt, abgesehen von den besonders geregelten Verpflichtungen gemäß §§ 69 (2), 70 (3) und 71 (1) VersVG., dem Versicherer gegenüber keine Pflichten mehr zu erfüllen hat (ebenso Prölß a. a. O., Kisch a. a. O. S. 301 u. a.). Wäre der Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis auf den Erwerber erst ab Kenntnis des Versicherers wirksam, so bedürfte es nicht der Vorschrift des § 69 (3) VersVG., die zu dem Zweck geschaffen wurde, um den von der Veräußerung nicht in Kenntnis gesetzten Versicherer vor der Gefahr einer Doppelzahlung zu schützen (Kisch a. a. O. S. 305, Bruck, Privatversicherungsrecht, S.580).

Schließlich sind die Folgen der Unterlassung einer ordnungsgemäßen (unverzüglichen) Veräußerungsanzeige im Gesetz geregelt (§ 71 VersVG., der durch die AKB. nicht erweitert wurde). Die Unterlassung der Veräußerungsanzeige kann daher keine zusätzlichen Sanktionen zur Folge haben (Kisch a. a. O. S. 330). Auch von diesem Gesichtspunkt aus ist die Auffassung des Berufungsgerichtes abzulehnen, da nach dieser der Veräußerer praktisch bis zum Einlangen einer ordnungsgemäßen Veräußerungsanzeige beim Versicherer ohne zeitliche Begrenzung zur weiteren Prämienzahlung verpflichtet wäre.

Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, daß hier der Beklagte zur Bezahlung der eingeklagten Versicherungsprämie nicht verpflichtet ist. Demzufolge war das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Anmerkung

Z42044

Schlagworte

Eigentum, Erwerb einer versicherten Sache, Eigentumsübergang, Erwerb einer versicherten Sache, Kaskoversicherung, Erwerb der versicherten Sache, Kaufvertrag, Erwerb einer versicherten Sache, Kraftfahrzeug, Erwerb eines versicherten -, Personenkraftwagen, Erwerb eines versicherten -, Unterlassung der Veräußerungsanzeige an den Versicherer, Veräußerungsanzeige, Unterlassung der - an den Versicherer, Versicherer, Erwerb einer versicherten Sache, Versicherer, Unterlassung der Versicherungsanzeige, Versicherungsnehmer, Erwerb einer versicherten Sache, Versicherungsnehmer, Unterlassung der Veräußerungsanzeige, Versicherungsvertrag, Erwerb einer versicherten Sache, Versicherungsvertrag, Unterlassung der Veräußerungsanzeige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0070OB00030.69.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19690319_OGH0002_0070OB00030_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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