TE OGH 1969/4/30 5Ob38/69

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Veröffentlicht am 30.04.1969
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Norm

Grundbuchsgesetz §9
Grundbuchsgesetz §19
Grundbuchsgesetz §37

Kopf

SZ 42/66

Spruch

Ein Innominatvertrag mit bestandrechtlichen Elementen ist nicht verbücherungsfähig. Zum Begriff der unregelmäßigen Dienstbarkeit.

Entscheidung vom 30. April 1969, 5 Ob 38/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit dem als Bestandvertrag bezeichneten schriftlichen Vertrag vom 13. Mai 1960 übergab Karl H. als Bestandgeber der Berta W. als Bestandnehmerin auf die Dauer von 20 Jahren die in einem dem Vertrag beigefügten Lageplan bezeichnete, zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle nebst allem Zubehör erforderliche Fläche seiner Liegenschaft EZ. 1722 der Katastralgemeinde F. in Bestand. Die Bestandnehmerin verpflichtete sich, nach Inhalt dieses Vertrages die von ihr errichtete Tankstelle ausschließlich durch die Firma G. beliefern zu lassen und einen Bestandzins von 120 S jährlich ab Betriebseröffnung, spätestens ab 1. Juni 1959 zu bezahlen. Der Bestandgeber räumte der Bestandnehmerin das Recht der Unterbestandgabe ein und gestattete ihr, alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag an einen Dritten zu übertragen. Er verpflichtete sich weiter, andere Kraftstoffe und Schmiermittel als solche der Firma G. auf dem Bestandgrundstück weder anzupreisen noch zu lagern oder zu vertreiben bzw. solches durch Dritte zu gestatten. Ferner räumte der Bestandgeber der Bestandnehmerin an dem "vertragsgegenständlichen" Grundstück ein Vorkaufsrecht ein, das unter bestimmten Voraussetzungen auf die Firma G. oder die deutsche

G. Ges. m. b. H. Wien übergehen sollte. Der Bestandvertrag sollte erstmals zum 31. Dezember 1979 gekundigt werden können und sich bei nicht rechtzeitiger Aufkündigung jeweils um fünf Jahre verlängern. Der Bestandgeber verpflichtete sich bei Bezahlung einer Konventionalstrafe, nach Beendigung des Bestandverhältnisses den Bestandgegenstand keinem Dritten mit Ausnahme der Firma G. zur Errichtung oder zum Betrieb einer Tankstelle in Bestand zu geben. Die von der Bestandnehmerin auf dem Bestandobjekt zu errichtenden Baulichkeiten, Zapfsäulen, Kessel usw. sollten ihr Eigentum bleiben, in der Zeit zwischen dem 6. und dem 20. Betriebsjahr sollte jedoch der Bestandgeber sämtliche Einrichtungen der Bestandnehmerin zu bestimmten fallenden, aber jederzeit feststellbaren Preisen käuflich erwerben können. Nach Punkt XIII des Vertrages verpflichtete sich die Bestandnehmerin, unter bestimmten Voraussetzungen Teile ihres Bestandobjektes dem Bestandgeber sofort geräumt zu übergeben. Außerdem räumte sie dem Bestandgeber das Recht ein, im Falle der Nichterfüllung dieser Verpflichtung, die Fahrnisse der Bestandnehmerin auf ihre Kosten und Gefahr zu entfernen oder entfernen zu lassen. Schließlich verpflichtete sich die Bestandnehmerin hinsichtlich ihres einzuverleibenden Bestandrechtes zu einem Rangtausch, wenn auf dem Bestandgrundstück aus den Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds ein Wohnbau errichtet werden sollte. Im Vertrag ist die ausdrückliche Zustimmungserklärung des Karl H. enthalten 1. zur Einverleibung a) des Bestandrechtes, b) des Vorkaufsrechtes der Bestandnehmerin nach Inhalt dieses Vertrages und

c) der "Dienstbarkeit: Frau Berta W. ist für sich und ihre Rechtsnachfolger berechtigt - und der Bestandgeber ist verpflichtet, es zu dulden - auf der bestandgegenständlichen Liegenschaft eine vollständige Tankstelle mit Nebenanlagen aufzuführen, zu betreiben und die hiefür erforderliche Zu- und Abfahrt auf ihre Kosten auszubauen", 2. zur Anmerkung des Eigentumsrechtes der Berta W. an den Maschinenteilen ihrer Tankstelle gemäß § 4 des Vertrages.

Die Antragsteller beantragten als eingeantwortete Erben der Berta W. ob der dem Karl H. gehörigen Liegenschaft EZ. 1723 Katastralgemeinde F. die Einverleibung ihres Bestandrechtes für die Zeit bis 31. Dezember 1979 und des in der Aufsandungserklärung des Bestandgebers oben unter Z. 1 lit. c näher bezeichneten Rechtes.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Eintragung.

Zufolge Rekurses des Karl H. änderte das Rekursgericht diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag zur Gänze abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht trat der Meinung des Rekurswerbers bei, daß zwischen diesem und der Berta W. kein Bestandvertrag zustande gekommen sei, weil der im Vertrag vom 13. Mai 1960 als Bestandzins vorgesehene Betrag von 120 S jährlich für die Benützung eines 650 m2 großen Grundstückes nicht als ein ins Gewicht fallendes Entgelt angesehen werden könne, ein Bestandvertrag aber die Bezahlung eines solchen Entgeltes voraussetze. Darüber hinaus war das Rekursgericht jedoch der Meinung, daß entgegen der Auffassung des Rekurswerbers der Umstand nicht schade, daß in dem Bestandvertrag vom 13. Mai 1960 nicht klargestellt sei, ob ein Miet- oder Pachtverhältnis begrundet werden sollte. Ebenso erblickte das Rekursgericht keinen Widerspruch darin, daß im Bestandvertrag von einer der Berta W. eingeräumten Dienstbarkeit gesprochen werde, während nach dem erstgerichtlichen Beschluß nur das beantragte, aber nicht qualifizierte Recht nach Z. 1 lit. c der Aufsandungserklärung einverleibt worden sei. Jedoch hielt das Rekursgericht weitere Abweisungsgrunde deshalb gegeben, weil es sich bei dem in Z. 1 lit. c der Aufsandungserklärung bezeichneten Recht um keine einverleibungsfähige unregelmäßige Dienstbarkeit handle, weil aus dem Vertragsinhalt weder der Umfang der dienenden Liegenschaft - hier werde auf den Lageplan nicht Bezug genommen - noch die Person des Dienstbarkeitsberechtigten eindeutig bestimmt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsteller nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat mit Recht das Vorliegen eines verbücherungsfähigen Bestandvertrages verneint. Der rechtliche Charakter einer Vereinbarung wird ausschließlich durch ihren Inhalt und Zweck bestimmt. Die Beurteilung dieses Charakters obliegt allein dem Gericht, d. h. es kommt nicht darauf an, wie die Parteien ihre Vereinbarung bezeichneten (SZ. XXI 119 u. v. a.). Da der Bestandvertrag nach § 1090 ABGB. ein entgeltlicher Vertrag ist, muß die Gegenleistung des Bestandnehmers für die Überlassung des Gebrauches des Bestandgegenstandes bestimmt oder bestimmbar sein. Es ist dagegen nicht notwendig, daß der Bestandzins in Geld besteht (Klang Komm.[2] V 14). Wie sich aus den eingangs wiedergegebenen Vertragsbestimmungen ergibt, räumten die Vertragsteile im Vertrag vom 13. Mai 1960 einander Rechte ein, die für den Bestandvertrag durchaus atypisch sind, z. B. das Recht des "Bestandgebers", innerhalb einer gewissen Zeit das Inventar des "Bestandnehmers" zu einem schon jetzt bestimmten Preis käuflich zu erwerben; ob in diesem Fall ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer das Vertragsverhältnis vorzeitig enden sollte oder ob und unter welchen Bedingungen das Inventar nach seiner Übernahme durch den "Bestandgeber" für den Rest der Vertragsdauer dem anderen Vertragsteil in Bestand gegeben werden sollte, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Ebenso ungewöhnlich für einen Bestandvertrag sind die von beiden Vertragsteilen gegenseitig übernommenen Verpflichtungen in bezug auf die Waren einer bestimmten Firma und die auffällige Konstruktion des auch einem Dritten eingeräumten Vorkaufsrechtes. Unter diesen Umständen kommt der Vereinbarung des in Geld zu entrichtenden "Bestandzinses" keine erhebliche Bedeutung zu, zumal als solcher nur ein nicht ins Gewicht fallender Betrag (120 S jährlich) vereinbart wurde. Es handelt sich hier um einen Innominatkontrakt mit bestandrechtlichen Elementen (vgl. GlUNF. 486), dessen Verbücherung aber ausgeschlossen ist, weil eine Verbücherung nach dem Gesetz (§ 1095 ABGB., §§ 9, 19 und 37 GBG.) nur für typische Bestandverträge vorgesehen ist.

Eine Ausdehnung der Eintragungsvorschriften für Bestandrechte und ihre analoge Anwendung auf Verträge würde den Grundsätzen des Grundbuchsrechtes widersprechen. Das Rekursgericht hat daher mit Recht den Antrag auf Verbücherung des Vertrages vom 13. Mai 1960 abgewiesen.

Obwohl im Vertrag vom 13. Mai 1960 nur in der Aufsandungserklärung ausdrücklich von einer der Bestandnehmerin eingeräumten Dienstbarkeit die Rede ist, enthält der Vertrag keine Bestimmungen, aus denen auf die Absicht der Parteien geschlossen werden könnte, tatsächlich eine Dienstbarkeit im Sinne der Vorschriften der §§ 472 ff. ABGB. zu begrunden. Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, könnte es sich, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben wären, hiebei nur um eine unregelmäßige Dienstbarkeit handeln, weil sich zwar Karl H. verpflichtete, in Rücksicht seiner Liegenschaft etwas zu dulden, das Recht des Begünstigten aber nicht mit dem Besitz eines Grundstückes zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft wurde. Gegen den Hinweis der beantragten Eintragung auf Punkt XI lit. c der vorgelegten Urkunde bestehen im Hinblick auf die Vorschrift des § 5 zweiter Satz GBG. keine Bedenken. In der angeführten Stelle der Vertragsurkunde werden Berta W. und ihre Rechtsnachfolger ausdrücklich als Berechtigte genannt. Es ist daher nicht richtig, daß die durch die Vereinbarung begünstigte Person nicht bestimmt sei. Auch der Umfang der "belasteten Sache" wäre eindeutig, weil als solche die "bestandgegenständliche" Liegenschaft bezeichnet wird, hinsichtlich welcher im Hinblick auf den vorgelegten Lageplan kein Zweifel bestehen kann. Trotzdem kann aus dem in Z. 1 lit. c der Aufsandungserklärung gebrauchten Wortlaut bei Auslegung der Vereinbarung nach ihrem Zweck und nach den Regeln des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB.), insbesondere im Hinblick darauf, daß im übrigen Vertrag hievon keine Rede ist, durchaus nicht die Bestellung einer Dienstbarkeit erblickt werden, sondern handelt es sich bei diesen Erklärungen bloß um eine Wiederholung der bereits vertraglich der "Bestandnehmerin" eingeräumten Rechte ("Errichtung und Betrieb einer vollständigen Tankstelle mit Nebenanlagen") und um die Einräumung zusätzlicher, nur im Rahmen des "Bestandvertrages" zu verstehender Rechte der Bestandnehmerin ("Ausbau der hiefür erforderlichen Zu- und Abfahrt auf Kosten der Bestandnehmerin").

Anmerkung

Z42066

Schlagworte

Bestandvertrag, Verbücherung eines Kraftstoffbezugsvertrages, Dienstbarkeit, Begriff der unregelmäßigen -, Grundbuch, Verbücherung eines Innominatvertrages, Grundbuch, Verbücherung eines Kraftstoffbezugsvertrages, Innominatvertrag, Verbücherung, Kraftstoffbezugsvertrag, Verbücherung, Servitut, Begriff der unregelmäßigen -, Unregelmäßige Dienstbarkeit, Begriff, Verbücherung, Innominatvertrag, Verbücherung, Kraftstoffbezugsvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0050OB00038.69.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19690430_OGH0002_0050OB00038_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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