Norm
Rechtspflegegesetz §16 (1) Z5Kopf
SZ 42/83
Spruch
Dem Rechtspfleger steht nur die "Festsetzung" - also die Bemessung - von Unterhaltsbeiträgen für eheliche oder uneheliche Kinder zu, nicht aber die Entscheidung über den Grund des Unterhaltsanspruches. Für die Abgrenzung dieser Begriffe sind die Grundsätze des Judikates Nr. 60 neu maßgebend.
Entscheidung vom 29. Mai 1969, 1 Ob 98/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Der Rechtspfleger beim Bezirksgericht S. hat über Antrag des ehelichen Vaters Otto M. ausgesprochen, daß dessen Unterhaltspflicht gegenüber der - inzwischen 17jährigen - Tochter Elfriede M. erloschen sei; die Genannte verdiene nach Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit (Hilfszeichnerin) monatlich nahezu 1000 S und sei damit selbsterhaltungsfähig geworden.
Aus Anlaß des von der ehelichen Mutter der Minderjährigen erhobenen Rekurses hat das Gericht zweiter Instanz diese Entscheidung unter Heranziehung der Bestimmung des § 477 (1) Z. 2 ZPO. deshalb als nichtig aufgehoben, weil der Rechtspfleger des Bezirksgerichtes S. bei seiner Beschlußfassung die Grenzen des ihm vom Gesetz gezogenen Wirkungskreises überschritten habe.
Der Oberste Gerichtshof hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der ehelichen Mutter der Pflegebefohlenen unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im § 16 (1) des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1962, BGBl. Nr. 180, betreffend die Besorgung gerichtlicher Geschäfte durch den Rechtspfleger in der Fassung des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1964, BGBl. Nr. 149, ist der Wirkungskreis des Rechtspflegers in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen umrissen. Nach § 16 (1) Z. 5 leg. cit. umfaßt er (auch) die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für eheliche oder uneheliche Kinder.
Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß unter der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge deren ziffernmäßige Bemessung zu verstehen ist. Es ist ihm auch darin zuzustimmen, daß dem Rechtspfleger eine Entscheidungsgewalt über den Grund des Unterhaltsanspruches eines ehelichen oder unehelichen Kindes nicht zukommt.
Die Abgrenzung zwischen dem Grund und der Bemessung des Unterhaltsanspruches ist nun insofern von entscheidender Bedeutung, als auch die Lösung bloßer Bemessungsfragen im Einzelfall zur Verneinung der Frage des Bestandes einer gegenwärtigen Leistungspflicht führen kann.
Der Oberste Gerichtshof hat das aufgeworfene Abgrenzungsproblem in
dem Gutachten vom 19. Juni 1954, Jud. 60 neu (= SZ. XXVII 177 =
EvBl. 1954 Nr. 332 und 424 = JABl. 1954 S. 63) im Zusammenhang mit
der Auslegung der im § 502 (2) (zweiter Fall) ZPO. normierten Revisionsbeschränkung grundsätzlich behandelt und geklärt. Nach dem Rechtssatz II dieses Judikates gehören zur Bemessung drei Fragenkomplexe: Der erste betrifft die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zweite bezieht sich auf die zur Deckung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten vorhandenen Mittel, während beim dritten Fragenkomplex die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen den Kernpunkt der Erörterungen zu bilden hat. Die Beurteilung eines jeden einzelnen dieser Fragenkreise kann - wie diesfalls - zur völligen Ablehnung einer Leistungspflicht führen, ohne daß damit die Frage aus dem Bereich der Bemessung gedrängt würde (Rechtssatz III des Judikates).
Der Rechtspfleger des Bezirksgerichtes S. ging - ob zu Recht oder zu Unrecht, wird das Rekursgericht zu entscheiden haben - davon aus, daß die Pflegebefohlene selbsterhaltungsfähig geworden und auch im Besitz der zur Deckung ihrer Bedürfnisse notwendigen Mittel sei. Hierbei handelt es sich um Fragen der Bemessung (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, IV S. 272 ff.), sodaß der Rechtspfleger bei seiner, eine Leistungspflicht des ehelichen Vaters ablehnendenEntscheidung durchaus im Rahmen seines Wirkungskreises geblieben ist.
Anmerkung
Z42083Schlagworte
Rechtspfleger, Zuständigkeit zur Unterhaltsbemessung, Unterhaltsbemessung, Zuständigkeit des Rechtspflegers, Zuständigkeit des Rechtspflegers zur UnterhaltsbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1969:0010OB00098.69.0529.000Dokumentnummer
JJT_19690529_OGH0002_0010OB00098_6900000_000