TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/5 2002/18/0100

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Veröffentlicht am 05.04.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §104 idF 2000/I/034;
FrG 1997 §2 Abs1;
PaßG 1992 §1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1955, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Jänner 2002, Zl. SD 1054/01, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Jänner 2002 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c und § 19 Abs. 2 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), der ihm am 26. August 1998 ausgestellte, bis 25. August 2008 gültige Reisepass Nr. C 0832292 und der ihm am 4. September 1998 ausgestellte, bis 3. September 2008 gültige Personalausweis Nr. 5182929 entzogen und der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid bestätigt.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Amtsgerichtes Passau vom 22. März 2001 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrundegelegen, dass er (am 11. Februar 2001) mit seinem Pkw zwei Staatsangehörige Sri Lankas von Österreich über die Grenze nach Deutschland verbracht habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass diese die für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland erforderlichen Bewilligungen nicht besitzen würden.

Das maßgebliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Förderung der rechtswidrigen Ein- bzw. Ausreise zweier Fremder nach Deutschland, rechtfertige die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG normierte Annahme und somit auch die Entziehung seines Reisepasses und seines Personalausweises.

Es sei ohne Belang, ob dieses Verhalten nach der österreichischen Rechtsordnung strafbar sei. Auch sei die belangte Behörde nicht an "allfällige Prognosen" des deutschen Strafgerichtes gebunden; aus welchen Gründen die deutschen Behörden dem Beschwerdeführer eine kurzfristige Wiedereinreisegenehmigung erteilt hätten, sei ebenso nicht relevant.

Dass der Beschwerdeführer daran gehindert werde, in seine frühere Heimat zu fliegen und seine Familienangehörigen zu sehen, sei eine Konsequenz des angefochtenen Bescheides, die der Beschwerdeführer zu tragen habe. Das diesbezügliche Vorbringen könne keine anders lautende Entscheidung der belangten Behörde herbeiführen, weil bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Reisepass zwingend zu entziehen sei, ohne dass der Behörde dabei Ermessen zukomme. Familiäre Aspekte seien bei der gegenständlichen Entscheidung außer Betracht zu lassen.

Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Einschränkung der räumlichen Gültigkeit seines Reisepasses sei nicht möglich, weil § 13 PassG eine nachträgliche (amtswegige) Einschränkung des Geltungsbereiches bereits ausgestellter Reisepässe nicht vorsehe.

Ebenso zutreffend habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, die Förderung des unrechtmäßigen Grenzübertritts von Fremden, stelle eine schwer wiegende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen dar, sodass der vorzeitige Vollzug des erstinstanzlichen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen sei. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei es ohne Belang, dass der Beschwerdeführer sei Fehlverhalten bislang nicht wiederholt habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 11. Juni 2002, B 72/02).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Nach § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG ist (u. a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern.

Nach § 19 Abs. 2 PassG sind auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2. Mit ihrer Ansicht, dass die im gegen den Beschwerdeführer wegen des (nach deutschem Recht verbotenen) Einschleusens von Ausländern ergangenen Urteil des Amtsgerichtes Passau festgestellte Tatsache - nämlich sein Fehlverhalten, zwei Staatsangehörige Sri Lankas bei ihrer unerlaubten Einreise nach Deutschland unterstützt zu haben - für sich allein die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG umschriebene Annahme rechtfertige, verkannte die belangte Behörde das Gesetz.

Der Versagungsgrund (bzw. Entziehungsgrund) des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG ist dann verwirklicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses oder Personalausweises) den Reisepass (oder Personalausweis) benützen will, um die rechtswidrige Einreise eines Fremden nach Österreich oder dessen rechtswidrige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu fördern.

Hiebei kann der Verstoß gegen österreichische Einreise- oder Ausreisevorschriften schon für sich allein die vorgenannte Annahme rechtfertigen. Nach der Definition des § 1 PassG ist Einreise das Betreten, Ausreise das Verlassen des Bundesgebietes. Nach § 2 Abs. 1 FrG brauchen Fremde für die Einreise, während des Aufenthaltes und für die Ausreise einen gültigen Reisepass (Passpflicht), soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird oder internationalen Gepflogenheiten entspricht.

Anders verhält sich dies bei einem Verstoß gegen ausländische Einreise- oder Ausreisevorschriften. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 hat der Gesetzgeber zwar den in § 104 des Fremdengesetzes 1997 geregelten Straftatbestand der Schlepperei auf die Förderung der rechtswidrigen Ein- bzw. Ausreise in einen bzw. aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. Nachbarstaat Österreichs erweitert, eine entsprechende Änderung des einschlägigen Versagungstatbestandes des Passgesetzes hat er jedoch nicht vorgenommen.

Den Ausführungen der belangten Behörde kann nicht entnommen werden, dass die Ausreise der zwei Staatsangehörigen von Sri Lanka aus dem Bundesgebiet gegen österreichisches Recht verstoßen habe. Das bloße Zuwiderhandeln gegen deutsche Einreisebestimmungen reicht indes für sich allein nicht aus, um die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG umschriebene Annahme zu rechtfertigen. Vielmehr müssen nach der oben angeführten inländischen Gesetzeslage weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich die konkrete Gefahr ergibt, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses oder Personalausweises) das Reisedokument benützen will, um die rechtswidrige Einreise bzw. Ausreise eines Fremden nach bzw. aus Österreich zu fördern. Dass für die Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c leg. cit. solche weiteren Umstände maßgeblich gewesen seien, lassen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0001).

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. April 2005

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002180100.X00

Im RIS seit

03.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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