TE OGH 1969/6/27 4Ob550/69

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.1969
beobachten
merken

Norm

EO §382 Z8

Kopf

SZ 42/100

Spruch

Bei Vorhandensein zweier Ehewohnungen ist es zulässig, durch einstweilige Verfügung der einen Partei die eine Wohnung und der anderen Partei die zweite Wohnung zur alleinigen Benützung für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens zuzuweisen.

Entscheidung vom 27. Juni 1969, 4 Ob 550/69.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger verlangt die Scheidung der Ehe mit der Beklagten aus den Gründen des § 49 EheG., weil die Beklagte ihn ständig beschimpfe und auch sonst ein unleidliches Verhalten an den Tag lege. Im Zuge des Verfahrens stellte der Kläger den Antrag auf Bewilligung des abgesonderten Wohnortes in qualifizierter Form durch Ausweisung der Beklagten aus der derzeitigen Ehewohnung in P., K.-Gasse 518.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm als bescheinigt an, daß zwischen den Parteien schon seit vielen Jahren immer wieder Streitigkeiten stattfinden, die in der Regel von der Beklagten begonnen werden. Sie führe Selbstgespräche, in denen sie Vorwürfe gegen den Kläger erhebe. Wenn dieser fallweise darauf reagiere, komme es zu Auseinandersetzungen. In den letzten Monaten sei es mindestens einmal wöchentlich, manchmal auch öfter zu Streitigkeiten gekommen. Im März 1969 habe die Beklagte einmal von abends bis 4 Uhr früh mit dem Kläger geschimpft. Der Kläger sei berufstätig, müsse um 5.15 Uhr aufstehen und um 6 Uhr zur Arbeit gehen. Während des vergangenen Winters habe die Beklagte zwei- bis dreimal einen Kübel, in der sie ihre große Notdurft verrichtet hatte, in ein noch nicht fertig ausgebautes Zimmer gestellt, in dem der Kläger seine Lebensmittel verwahre.

Die Erlassung der einstweiligen Verfügung hat das Erstgericht damit begrundet, daß der Kläger, der die Beklagte nicht provoziert habe, seine Nachtruhe benötige, und auch das sonstige Verhalten der Beklagten ein weiteres Zusammenleben für den Kläger unzumutbar erscheinen lasse. Der Beklagten stehe die frühere, komplett eingerichtete Ehewohnung in den beiden Parteien je zur Hälfte gehörigen Haus in W. 86 zur Verfügung. Daß der Sohn mit seiner Familie im ersten Stock dieses Hauses wohne, sei ohne Bedeutung, weil die der Beklagten zur Verfügung stehende Wohnung vollkommen separiert sei. Das Haus in P., in welchem sich die neue Ehewohnung befindet, stehe im Alleineigentum des Klägers.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei teilweise Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Kläger zwar den abgesonderten Wohnort bewilligte, jedoch das Mehrbegehren, der Beklagten aufzutragen, die Ehewohnung in P., K.- Gasse 518, sofort zu verlassen und nicht wieder zu betreten, abwies. Für das Provisorialverfahren genüge die Glaubhaftmachung eines Scheidungsgrundes. Dauernde, nicht provozierte Streitigkeiten, die sogar während der Schlafenszeit und bis in die frühen Morgenstunden fortgesetzt würden, stellten den Tatbestand einer schweren Eheverfehlung dar, insbesondere unter Bedachtnahme darauf, daß der Kläger zeitlich aufstehe und zur Arbeit gehen müsse. Dazu komme noch das übrige unleidliche Verhalten der Beklagten. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß das bescheinigte ehewidrige Verhalten der Beklagten mit einer für den Kläger unzumutbaren Gefahr erheblicher psychischer Nachteile verbunden sei, zumal nach der gegebenen Sachlage weitere Streitigkeiten zu erwarten seien. Daß die frühere Wohnung in W. vorhanden, größenmäßig gleich und komplett eingerichtet sei, möge die Ausweisung der Beklagten nicht zu rechtfertigen. Die Verweisung auf die frühere Wohnung lasse auch nicht damit begrunden, daß eine ähnliche Maßnahme getroffen würde, wie die einer vorläufigen Benützungsregelung innerhalb der Ehewohnung. Ein solcher Vergleich mit der Benützungsregelung scheitere schon an der räumlichen Entfernung der beiden Wohnungen, vor allem aber daran, daß nach dem Willen des Klägers die Ehewohnung nach P. verlegt wurde und diese Widmung noch nicht beendet sei. Eine Ausweisung der Beklagten stelle einen äußerst weitgehenden Eingriff in die Rechtssphäre derselben dar, der nur gerechtfertigt wäre, wenn besonders schwere Eheverfehlungen glaubhaft gemacht wären.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und bewilligte für die Dauer des Ehescheidungsstreites den abgesonderten Wohnort in der Form, daß dem Kläger die Wohnung P., K.-gasse 518, und der Beklagten die Wohnung W. 86 zur alleinigen Benützung zugewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes für den Kläger ist rechtskräftig geworden. Strittig ist nur mehr, ob der Beklagten aufgetragen werden soll und kann, die Wohnung in P, zu verlassen und dorthin für die Dauer des Rechtsstreites nicht mehr zurückzukehren.

Der vorliegende Rechtsstreit ist dadurch charakterisiert, daß die Streitteile zuerst in W. gemeinsam wohnten, daß der Kläger dann ein Haus in P., einer Nachbargemeinde, baute, wohin ihm die Beklagte später nachfolgte. Den Streitteilen stehen zwei gleich große eingerichtete Wohnungen zur Verfügung, die beide als Ehewohnung dienten. Das Haus in P. steht im Eigentum des Klägers, das Haus in W. im Eigentum der Streitteile je zur Hälfte. Da feststeht, daß der Kläger wegen des Verhaltens der Beklagten Anspruch auf Bewilligung des abgesonderten Wohnortes hat, hat das Gericht eine zweckmäßige, den besonderen Umständen dieses Falles angemessene Entscheidung zu treffen. So wie es in Einzelfällen zweckmäßig sein kann, innerhalb einer größeren Wohnung eine Benützungsregelung dergestalt vorzunehmen, daß der einen Partei gesondert benützbare Räume, der anderen Partei die übrigen Räume der Ehewohnung zugewiesen werden, so kann es in dem Sonderfall, daß zwei Wohnungen, die beide bereits als Ehewohnung dienten, zur Verfügung stehen, zweckmäßig sein, der einen Partei die eine Wohnung und der anderen Partei die zweite Wohnung zur alleinigen Benützung für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens zuzuweisen. Welcher Partei aber die eine Wohnung und welcher Partei die andere Wohnung zuzuweisen ist, ist ebenso wie bei der Teilung einer Ehewohnung nach Gründen der Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Die Zuweisung der Wohnung in W. ist zweckmäßig und kann der Beklagten zugemutet werden, hat sie doch in W. eine abgeschlossene, hinreichend große Wohnung zur Verfügung, die sie nach der Aktenlage auch längere Zeit allein bewohnt hat. Ihr Einwand gegen die vom Kläger angestrebte Regelung geht dahin, daß im Hause W, auch ihr Sohn Johann lebe, der sieben unruhige Kinder habe und der mit ihr verfeindet sei. Da die Wohnung in W. aber abgeschlossen ist und es sich um eine vorläufige Regelung handelt, da es zum Teil zumindest auch an der Beklagten liegen wird, ob es mit ihrem Sohn Johann zu Streitigkeiten kommt, kann ihr durchaus zugemutet werden, für die Dauer des Ehestreites in der früheren Ehewohnung in W. zu wohnen, dies umso mehr, als sie nicht berufstätig ist, der Kläger jedoch von Beruf Zimmerpolier ist und damit mehr auf einen größeren Ort mit Bahnverbindung angewiesen sein mag als die Beklagte.

Anmerkung

Z42100

Schlagworte

Abgesonderter Wohnort, Bewilligung bei zwei Ehewohnungen, Benützungsregelung, abgesonderter Wohnort bei zwei Ehewohnungen, Ehegatte, abgesonderter Wohnort bei zwei Ehewohnungen, Ehescheidungsverfahren, abgesonderter Wohnort bei zwei Ehewohnungen, Ehewohnung, abgesonderter Wohnort bei zwei Ehewohnungen, Einstweilige Verfügung, abgesonderter Wohnort bei zwei Ehewohnungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0040OB00550.69.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19690627_OGH0002_0040OB00550_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten