Norm
ZPO §1Kopf
SZ 42/105
Spruch
Die bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes - also ohne Bestehen irgendwelcher sonstiger materiellrechtlicher Beziehungen zwischen dem Zedenten und dem Zessionar - ist nach österreichischem Recht unzulässig.
Ob der Zedent berechtigt ist, mit ausdrücklicher Zustimmung des Zessionars die abgetretene Forderung im eigenen Namen einzuklagen, richtet sich regelmäßig nach den zwischen Zedenten und Zessionar bestehenden Beziehungen des materiellen Rechtes.
Entscheidung vom 2. Juli 1969, 7 Ob 99/69.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Der Kläger geriet mit einem von ihm gelenkten PKW. auf der Aurachtal-Bundesstraße auf die linke Straßenseite, durchstieß ein Brückengeländer und landete in einem Bach. Auf Grund der mit der beklagten Versicherungsgesellschaft hinsichtlich dieses beim Unfall total beschädigten PKW. abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrages begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von zunächst 40.000 S, später eingeschränkt auf 35.000 S s.
A.
Die Beklagte bestritt die aktive Klagslegitimation, weil allfällige Ansprüche teils der Automobil- und Warenkreditbank X. zustunden, teils der Kläger sie an die Firma E. in T. abgetreten habe. Im übrigen sei die Beklagte gemäß §§ 23, 25 und 61 VersVG. wegen willkürlicher Gefahrenerhöhung bzw. grober Fahrlässigkeit des Klägers leistungsfrei. Der Höhe nach wurde ein Schaden von 40.000 S anerkannt.
Auf Grund des Einwandes der mangelnden aktiven Klagslegitimation legte der Kläger zwei Bestätigungen vor, nach deren Inhalt sich sowohl die Automobil- und Warenkreditbank X. als auch der Autohändler Josef E. mit der Geltendmachung der den gegenständlichen PKW. betreffenden Versicherungsansprüche durch den Kläger gegen die Beklagte "zu 6 Cg .../65 des Kreisgerichtes Wels" - vorliegender Rechtsstreit - ausdrücklich einverstanden erklärte. Hiezu stellten die Parteien außer Streit, daß der Kläger die Klagsforderung vor Klagseinbringung teils an die "Firma Automobil- und Warenkreditbank X." teils an die Firma E. zediert hat.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Beim Kläger bestehe ein epilepsieartiges Krankheitsbild, wodurch plötzliche Bewußtseinsstörungen bzw. Bewußtseinsausfälle aufträten, und zwar meist ohne warnende Aura. Während eines derartigen Anfalles sei das Anhalten eines Fahrzeuges unmöglich. Die Unterscheidung eines für das epilepsieartige Krankheitsbild typischen Anfalles von einer bloßen Übelkeit sei vom Kläger auf Grund seines Lebenskreises nicht zu erwarten.
Anläßlich der Anschaffung des gegenständlichen PKW. habe der Kläger sowohl bei der Automobil- und Warenkreditbank X. als auch bei Josef E. einen Kredit aufgenommen.
Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß die Aktivlegitimation des Klägers gegeben sei und weder eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VersVG. noch eine willkürliche Gefahrenerhöhung im Sinn der §§ 23 und 25 VersVG. vorliege. Das Klagebegehren sei daher im eingeschränkten Umfang gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten statt und wies das Klagebegehren ab. Es verneinte zwar die von der Beklagten behauptete Leistungsfreiheit, erachtete jedoch den Kläger als zur Klage nicht aktiv legitimiert, weil der Klagsanspruch durch die erfolgte Zession materiell auf die Automobil- und Warenkreditbank X. bzw. auf Josef E. übergegangen sei und das Klagerecht als Ausfluß des materiellen Rechtes nicht ohne Änderung der bestehenden materiellrechtlichen Beziehungen auf jemand anderen übertragen werden könne.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Im Hinblick auf die Entscheidung der Vorinstanzen war in erster Linie zu prüfen, ob der Zedent, welchem der Zessionar die ausdrückliche Zustimmung zur Einklagung der Forderung (im eigenen Namen) gegeben hat, zur Klage aktiv legitimiert ist oder nicht.
Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß seine diese Frage verneinende Auffassung auch von Wolff (in Klang[2] VI 288) und den Entscheidungen GlUNF. 7182 = ZBl. 1915 Nr. 142 (die in ZBl. 1915 S. 280, allerdings hauptsächlich wegen der besonderen zusätzlichen Umstände dieses Falles, heftig kritisiert wurde), SZ. IX 132 und ZBl. 1931 Nr. 18 vertreten wurde. Der vom Berufungsgericht zitierte Plenarbeschluß des Obersten Gerichtshofes SZ. XI 15 bezieht zur gegenständlichen Frage keine eindeutige eigene Stellungnahme, weil darin ausgeführt wird, nach einer "vielfach vertretenen Auffassung" werde dem Zedenten in diesem Fall die Berechtigung zur Klage abgesprochen, es werde daher - zum behandelten Thema der Eskomptierung offener Buchforderungen - "zum mindesten vorsichtig" sein, bei Einklagung diesen Bedenken Rechnung zu tragen.
Ehrenzweig (I/2 § 330 S. 263 Anm. 2) und die Entscheidung EvBl. 1961 Nr. 382 vertreten wohl die Ansicht, daß dem Zedenten nach erfolgter Zession kein Klagerecht mehr zustehe, befassen sich aber nicht ausdrücklich damit, ob dies auch für den Fall der Zustimmung des Zessionars zur Einklagung der Forderung durch den Zedenten gilt. Dasselbe trifft auf die Ausführungen Stubenrauchs (II S. 813) und Gschnitzers (Schuldrecht Allg. Teil S. 98) zu, auch in den Fällen der Entscheidungen GlUNF. 7468 und 7671 lag keine ausdrückliche Zustimmung des Zessionars zur Prozeßführung durch den Zedenten vor.
Hingegen wurde die Auffassung, daß die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation unzulässig sei, falls der tatsächlich Berechtigte der Prozeßführung zustimme, nicht bloß in den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen SZ. XXIV 158 und JBl. 1957 S. 294, sondern neben den Entscheidungen ZVR. 1962 Nr. 54 und MietSlg. Nr. 20.095 auch in einer ganzen Reihe von nicht veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vertreten (5 Ob 201/61, 5 Ob 218/63, 5 Ob 94/64, 7 Ob 137/66, 6 Ob 100/68, 6 Ob 128/68, und andere) und zwar in einem erheblichen Teil der Fälle auch für den hier zu erörternden Fall der Zustimmung des Zessionars zur Prozeßführung durch den Zedenten. Diese ständige neuere Rechtsprechung - in mehreren Entscheidungen ausdrücklich als solche bezeichnet - argumentiert allerdings nahezu ausschließlich mit der in der Entscheidung SZ. XXIV 158 gebrauchten Formulierung, daß die "Einrede" der mangelnden Aktivlegitimation den Beklagten lediglich gegen eine nochmalige Einklagung der Forderung schützen solle und daß sie daher bei Zustimmung des tatsächlich Berechtigten "nicht zuzulassen" sei. Die meisten der seit 1945 ergangenen Entscheidungen setzen sich mit der vorstehend zitierten gegenteiligen Auffassung überhaupt nicht auseinander, nur in zwei Fällen wurde dazu ausgeführt, es könne eingeräumt werden, daß auch die gegenteilige Ansicht vertretbar sei, diese sei aber unökonomisch (5 Ob 201/61) bzw. daß sich Fasching - nur dieser wurde zitiert - bei der von ihm vertretenen Ansicht, die bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes sei dem österr. Recht fremd (III S. 98), mit der gegenteiligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht befasse (7 Ob 137/66). Es scheint daher angebracht, das gegenständliche Problem erneut einer grundlichen Betrachtung zu unterziehen.
Die Behauptung des Fehlens der aktiven Klagslegitimation ist keine Einrede im Sinne eines prozessualen Einwandes, sondern die Bestreitung der materiellen Berechtigung des Klagebegehrens (Fasching II S. 127 f., SZ. XXXIV 186 u. a.). Es ist daher schon terminologisch bedenklich, davon zu sprechen, daß diese "Einrede" bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen "nicht zuzulassen" sei, wie dies in der Entscheidung SZ. XXIV 158 und mehreren unveröffentlichten Entscheidungen formuliert wurde. Vielmehr ist der Auffassung zuzustimmen, daß die bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes, also eine solche ohne Bestehen irgendwelcher sonstiger materiellrechtlicher Beziehungen, dem österr. Recht fremd ist (so insbesondere Fasching III S. 98 und SZ. IX 132, vgl. auch Heller - Berger - Stix zu § 9 EO. S. 233).
Ferner hat auch jede echte Zession grundsätzlich zur Folge, daß der Zedent nicht mehr berechtigt ist, den Schuldner im eigenen Namen auf Zahlung zu klagen (ebenso Gschnitzer, Ehrenzweig und Stubenrauch je a. a.O., EvBl. 1961 Nr. 382). Im österr. Recht herrscht jedoch der Grundsatz der Vertragsfreiheit (statt vieler anderer Gschnitzer a. a.O. S. 7/8); es gibt also auch Fälle der abgeschwächten Abtretung, insbesondere Vereinbarungen des Inhaltes, wonach sich der Zedent verpflichtet, die Forderung im eigenen Namen als indirekter Stellvertreter des Zessionars einzutreiben und sodann die vom Schuldner erhaltene Leistung dem Zessionar abzuliefern (sogenannte stille Abtretung, siehe Gschnitzer a.a.O. S. 99, Wolff a.a.O. S. 290, Ehrenzweig a.a.O. S. 258 u. a.). In diesem Fall ist der Zedent wie jeder sonstige indirekte Stellvertreter im eigenen Namen legitimiert, auch wenn dem anderen Teil bekannt ist, daß er für Rechnung eines anderen auftritt (Stanzl in Klang[2] IV/1 776, RSpr. 1930 Nr. 138 u. a.). Demzufolge verliert auch die als "stille" Abtretung bezeichnete abgeschwächte Abtretung mit dem oben dargelegten materiellrechtlichen Vertragsinhalt nichts von diesem Rechtscharakter, wenn sie dem Schuldner zur Kenntnis gelangt. Falls daher ein Schuldner von einer erfolgten "Zession" (schlechthin) benachrichtigt wird und zusätzlich erfährt, daß der Zessionar der Einklagung der "zedierten" Forderung durch den Zedenten in dessen Namen zustimmt - allenfalls diese sogar verlangt -, so muß dieser Vorgang keineswegs unbedingt als unzulässige bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes angesehen werden, wie die Entscheidungen SZ. IX 132, ZBl. 1931 Nr. 18 vermeinen. Es sind vielmehr in einem solchen Fall sogar mehrere Typen materiellrechtlicher Beziehungen zwischen Zedenten und Zessionar denkbar, welche den ursprünglich Forderungsberechtigten zur Klage im eigenen Namen legitimieren: Es kann sich von vornherein um eine stille (abgeschwächte) Abtretung im Sinne der vorstehenden Ausführungen gehandelt haben; es kann die ursprünglich als Vollzession vereinbarte Abtretung in eine derartige abgeschwächte Abtretung umgewandelt worden sein; dem ursprünglichen Zedenten kann die Forderung zum Inkasso rückzediert worden sein; schließlich kann er auch als Treuhänder des Zessionars auftreten.
Eine Erklärung des Zessionars mit dem Inhalt, daß die Prozeßführung dem Zedenten in dessen Namen obliege - auch für eine Erklärung dieses Inhaltes sind verschiedene Formulierungen denkbar -, hat daher regelmäßig ihre Grundlage in den zwischen Zedenten und Zessionar bestehenden Beziehungen des materiellen Rechtes. Sofern es sich daher bei einer derartigen Erklärung nicht aus besonderen Gründen des Einzelfalles um die bloße "abstrakte" (so ZBl. 1931 Nr. 18) Übertragung des Prozeßführungsrechtes handelt, ist der Zedent aus Gründen der zwischen ihm und dem Zessionar bestehenden materiell-rechtlichen Beziehungen aktiv zur Klage legitimiert, falls der Zessionar der Einklagung ausdrücklich zustimmt.
Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Automobil- und Warenkreditbank X. sowie Josef E. dem Kläger beim Ankauf des PKW. einen Kredit gewährten und daß ihnen deshalb die gegenständliche Forderung zediert wurde. Demnach können die gegenständlichen Zustimmungserklärungen nicht als bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes ohne Vorliegen sonstiger materiellrechtlicher Beziehungen qualifiziert werden. Nur in diesem hier nicht gegebenen Fall wäre jedoch nach den vorstehenden Ausführungen die Aktivlegitimation des Klägers zu verneinen.
Demzufolge ist der Kläger hier zur Klage aktiv legitimiert.
Zur behaupteten Leistungsfreiheit genügt ein Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen, da angesichts der Feststellung, daß vom Kläger die Unterscheidung eines für sein Krankheitsbild typischen Anfalles von einer bloßen Übelkeit nicht erwartet werden konnte, weder von einer groben Fahrlässigkeit des Klägers noch von einer willkürlichen Gefahrenerhöhung im Sinne des § 23 VersVG. gesprochen werden kann.
Anmerkung
Z42105Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1969:0070OB00099.69.0702.000Dokumentnummer
JJT_19690702_OGH0002_0070OB00099_6900000_000