TE OGH 1969/8/13 6Ob169/69

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Veröffentlicht am 13.08.1969
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Norm

Mietengesetz §19 (2) Z13

Kopf

SZ 42/115

Spruch

Der Unterschied zwischen der alten und der neuen Fassung des § 19

(2) Z. 13 MietG. liegt hauptsächlich darin, daß jetzt nur eine Benützung der Wohnung durch den Mieter bzw. die eintrittsberechtigten Personen der Kündigung entgegensteht, während nach früherem Recht der Kündigungsgrund unter sonst gleichen Voraussetzungen nur dann gegeben war, wenn die Wohnung nur überhaupt, gleichgültig von wem bewohnt wurde.

Entscheidung vom 13. August 1969, 6 Ob 169/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Bruck an der Mur; II. Instanz:

Kreisgericht Leoben.

Text

Die Klägerin kundigte dem Beklagten die im Haus K., B.-Gasse 21, im

1. Obergeschoß liegende, aus Küche, drei Wohnräumen sowie Nebenräumlichkeiten bestehende Wohnung Nr. 3 unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1968 gerichtlich auf. Sie machte den Kündigungsgrund nach § 19 (2) Z. 13 MietG. geltend und behauptete, der Beklagte und seine Ehegattin benützten diese Wohnung seit dem Jahre 1966 nur zu fallweisen Übernachtungen und zum Einstellen von Möbeln. Tatsächlich wohne der Beklagte mit seiner Familie in A., wo seine Frau eine Gaststätte betreibe.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen. Er behauptete, die aufgekundigte Wohnung werde von ihm und seinen Familienangehörigen regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet. Zu dem von seiner Gattin in A. gepachteten Espressobetrieb gehöre nur eine aus zwei kleinen Schlafräumen bestehende Notunterkunft, die von ihm und seinen Familienangehörigen fallweise benützt werde. Er helfe im Betrieb seiner Gattin in seiner Freizeit, insbesondere in der Skisaison, aus. Nach Betriebsschluß, gewöhnlich um 21 Uhr, fahre er mit Frau und Tochter in der Regel in die aufgekundigte Wohnung.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das auf Übergabe des Bestandgegenstandes gerichtete Begehren ab. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beklagte mietete die aufgekundigte Wohnung im Jahre 1954.

Seine Frau Friedl G. pachtete dann in A. ein Hotel Garni. Sie und der Beklagte wohnten ständig in A., während die Wohnung in K. untervermietet war. Als Friedl G. den Hotelbetrieb aufgab, wohnte der Beklagte mit seinen Angehörigen in A. möbliert, bis ihnen die Berglift-A. GmbH., von der Friedl G. im Dezember 1961 den Buffetbetrieb bei der Talstation des Sesselliftes A. gepachtet hatte, noch zwei Wohnräume zur Verfügung stellte. Im Jahre 1963 wurde das bezüglich der Wohnung in K. bestehende Untermietverhältnis beendet, so daß die nunmehr aufgekundigte Wohnung dem Beklagten wieder zur Verfügung stand.

Am 31. Mai 1966 schloß Friedl G. mit der Berglift A. GmbH. über den schon erwähnten Buffetbetrieb einen weiteren Pachtvertrag. Zu dem Pachtgegenstand gehören u. a. ein Buffetraum mit anschließender Küche, ein Abstellraum und die bereits genannten zwei Wohnräume im Obergeschoß. Der erste dieser beiden Wohnräume ist 2.12 m X 3.4 m (7.2 m) groß. Von ihm gelangt man in den 2. Raum, der etwa 3.6 m X

2.8 m (10 m2) groß ist. Diese beiden Räume dienen dem Beklagten, seiner Gattin und seiner 21 Jahre alten Tochter als Schlafräume. Im ersten der beiden, durch eine Türe verbundenen Räume befindet sich unter anderem eine Doppelcouch, die den Ehegatten als Schlafgelegenheit dient. Das Bett im zweiten Raum wird von der Tochter benützt. Die Verbindungstür zwischen den beiden Räumen kann infolge der Länge des im zweiten Raum befindlichen Bettes nicht geschlossen werden.

Die Verpächterin ist erstmalig zum 31. Mai 1976 berechtigt, die Kündigung des Pachtverhältnisses unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist auszusprechen.

Der Beklagte arbeitet täglich sechs Stunden im Buffetbetrieb seiner Gattin mit. Seine und seiner Tochter Mitarbeit ist infolge des Umfanges der Aufgaben der Pächterin, die z. B. auch zum Fahrkartenverkauf beim Sessellift verpflichtet ist, notwendig. Die Familie G. nimmt die in der Küche zubereiteten Mahlzeiten im Buffetraum ein. Friedl G. beabsichtigt keine vorzeitige Auflösung des Pachtvertrages. Sie und der Beklagte wollen, daß ihre Tochter später einmal in den Pachtvertrag eintritt.

In den beiden oben beschriebenen Schlafräumen können die Kleider der Familie G. nicht zur Gänze untergebracht werden. Die beiden Räume haben nur ein Fenster. Im ersten Raum befindet sich noch ein kleiner Tisch und ein Spiegeltisch; im zweiten Raum ein kleiner Tisch, zwei Sessel, eine Nähmaschine, ein Nachtkästchen und ein etwa 2.5 m hoher, 1.8 m breiter und 0.6 m tiefer Kasten.

Der Beklagte ist bei der Firma B. in K. als Kranführer beschäftigt. Er hat wochenweise abwechselnd Schicht von 6 bis 14 Uhr, von 14 bis 22 Uhr und von 22 Uhr bis 6 Uhr. In der Zeit, in der der Sessellift nicht stillgelegt ist, kommen der Beklagte und seine Gattin bzw. seine Tochter nur zum Schlafen und Baden nach K. Sie können A. erst nach 21 Uhr verlassen und müssen morgens um 1/27 Uhr wieder zurückfahren, weil das Buffet um 7 Uhr geöffnet wird. Manche Woche wird die aufgekundigte Wohnung auf diese Weise zwei- bis dreimal, manche Woche jedoch überhaupt nicht benützt. In der übrigen Zeit fährt der Beklagte von A. mit dem Autobus direkt zur Arbeit.

Der Sessellift ist im Jahr etwa sieben bis acht Wochen stillgelegt. In dieser Zeit wohnt der Beklagte mit Gattin und Tochter in der aufgekundigten Wohnung, sofern sie nicht auf Urlaub fahren, der in der Regel zwei Wochen umfaßt.

In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß sich der Kündigungsgrund des § 19 (2) Z. 13 MietG. auch in der Neufassung durch das Mietrechtsänderungsgesetz nur gegen jene Mieter richte, denen ein echtes schutzwürdiges Interesse an der aufgekundigten Wohnung fehle. Wenn der Beklagte und seine Familienangehörigen die aufgekundigte Wohnung auch nicht regelmäßig benützten, so könne hier von einem Mißbrauch des Wohnungshortens nicht die Rede sein, weil das Wohnbedürfnis des Beklagten und seiner Angehörigen durch die Notunterkunft in A. - unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet - nicht gedeckt sei. Dem Beklagten sei daher an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufkündigung für rechtswirksam erklärte und den Beklagten zur Übergabe des Bestandobjektes verurteilte. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, verwertete aber auch den Umstand, daß der Beklagte nicht bestritten hatte, daß in der aufgekundigten Wohnung in K. vom 11. Oktober 1966 bis zum 8. Oktober 1967 nur 33 Kilowattstunden und vom 9. November 1967 bis zum 8. Oktober 1968 nur 49 Kilowattstunden Strom verbraucht wurden, während der Stromverbrauch in der Zeit vom 3. November 1965 bis zum 10. Juni 1966 578 Kilowattstunden betragen hatte. Das Berufungsgericht folgerte daraus, daß einem monatlichen Stromverbrauch von nur rund 3.5 Kilowattstunden in der Zeit vom 11. Oktober 1966 bis zum 8. Oktober 1969 ein solcher von rund 82 Kilowattstunden monatlich in der Zeit vom 3. November 1965 bis zum 10. Juni 1966, in der die Wohnung voll benützt worden sei, gegenüberstehe. Das lasse wohl den Schluß zu, daß die Zahl der Wochen, in denen die aufgekundigte Wohnung überhaupt nicht benützt wurde, größer sein dürfte als die Zahl der Wochen, in denen die Wohnung zwei- oder dreimal zum Schlafen und Baden diente.

Das Berufungsgericht sah den geltend gemachten Kündigungsgrund auf Grund folgender Überlegungen als gegeben an:

§ 19 (2) Z. 13 MietG. in der Fassung des am 1. Jänner 1968 in Kraft getretenen Mietrechtsänderungsgesetzes vom 30. Juni 1967, BGBl. Nr. 281, bedeute gegenüber dem früheren Rechtszustand eine Verschärfung, die einer Auslegung in dem Sinn entgegenstehe, daß der Kündigungsgrund nur bei völligem Mangel jedes Schutzbedürfnisses des Mieters gegeben sei. Sei der Aufenthalt in der aufgekundigten Wohnung nur ein gelegentlicher und habe der Beklagte eine andere Wohnung zur Verfügung, die von ihm regelmäßig benützt werde und in der sich der wirtschaftliche und familiäre Schwerpunkt seiner Lebensführung befinde, dann müsse die Frage, ob die aufgekundigte Wohnung zur Befriedigung eines dringenden und regelmäßigen Wohnbedürfnisses verwendet werde, verneint und damit das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes bejaht werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kündigungsgrund nach § 19 (2) Z. 13 MietG. in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes liegt vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (Z. 11) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen abwesend ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Mietrechtsänderungsgesetzes, Nr. 500 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP., vom 30. Mai 1967, soll sich dieser Kündigungsgrund gegen die Wohnungsmieter richten, die ohne echtes schutzwürdiges Interesse, also ohne echtes Wohnbedürfnis, durch eine mehr oder minder gut getarnte Scheinbenützung den zur Bekämpfung der Wohnungsnot dringend benötigten Wohnraum dem allgemeinen Wohnungsmarkt entziehen (Mißbrauch des Hortens). Die Erläuternden Bemerkungen verstehen somit unter einem dringenden Wohnbedürfnis nichts anderes als ein echtes schutzwürdiges Interesse des Mieters an der Beibehaltung der Wohnung. Diesbezüglich hat die Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. aber keine grundsätzliche Änderung gebracht. Dies zeigt der Vergleich mit dem Bericht des Wohnungsausschusses zu dem Bundesgesetz vom 14. Juni 1929, betreffend die Förderung der Wohnbautätigkeit und die Abänderung des Mietengesetzes, BGBl. Nr. 200, mit dem u. a. der Kündigungsgrund der Z. 13 eingeführt wurde (325 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, III. GP.). Danach soll es in einer Zeit, wo zweifellos in den größeren Orten Wohnungsnot besteht, nicht vorkommen, daß eine zu Wohnzwecken gemietete Wohnung nicht bewohnt wird, weshalb dieser Tatbestand zum Kündigungsgrund erhoben wurde. Es sollte also der Mieter getroffen werden, der nicht in der von ihm gemieteten Wohnung, sondern anderswo wohnt und der in die Wohnung nur gelegentlich kommt, indem er sie als Absteigquartier benützt. Die Ansicht des Gesetzgebers war also damals wie heute darauf gerichtet, einerseits vom Mieter nicht benötigten Wohnraum freizumachen, anderseits aber eine nicht regelmäßige Benützung dann nicht zum Kündigungsgrund zu machen, wenn dessen ungeachtet aus besonderen Gründen ein schutzwürdiges Interesse des Mieters an der Beibehaltung der nicht regelmäßig benützten Wohnung anzuerkennen war. Es zeigt sich somit, daß der Unterschied zwischen der alten und der neuen Fassung des § 19 (2) Z. 13 MietG. hauptsächlich darin liegt, daß jetzt nur eine Benützung der Wohnung durch den Mieter bzw. die eintrittsberechtigten Personen der Kündigung entgegensteht, während nach früherem Recht der Kündigungsgrund unter sonst gleichen Voraussetzungen nur dann gegeben war, wenn die Wohnung nur überhaupt, gleichgültig von wem, bewohnt wurde. An Stelle des rein objektiven Merkmals der Benützung der Wohnung zur Befriedigung regelmäßigen Wohnbedürfnisses ist also das Merkmal der regelmäßigen Verwendung der Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen getreten. Eine darüber hinausgehende Erweiterung der Kündigungsmöglichkeit in dem Sinn, daß nunmehr unter einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung nur eine dauernde, praktisch ununterbrochene oder zumindest überwiegende Benützung verstanden werden müßte, ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Es ist daher - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - nicht darauf abzustellen, ob der Mieter und die eintrittsberechtigten Personen die aufgekundigte Wohnung mehr oder weniger benützen, sondern darauf, ob dem Mieter trotz nicht ununterbrochener Benützung mit Rücksicht auf die Umstände des Falles nicht dennoch ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses zuzubilligen ist. Bei der Beurteilung, wann ein solches vorliegt, sind daher auch die von der Rechtsprechung zu § 19

(2) Z. 13 MietG. alter Fassung entwickelten Grundsätze nach wie vor maßgebend. Danach ist ein schutzwürdiges Interesse des Mieters dann gegeben, wenn sein Wohnbedürfnis anderweitig nicht befriedigt ist, wenn er also die aufgekundigte Wohnung nach wie vor zu Wohnzwecken benötigt (MietSlg. 20.471, 19.365 u. a. m.).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes muß aber gesagt werden, daß das Wohnbedürfnis des Klägers und seiner Familie durch die von seiner Gattin in A. gepachteten Räumlichkeiten nicht befriedigt wird. Daß es sich dabei nicht um eine Wohnung, sondern lediglich um eine Notunterkunft handelt, zeigt sich schon darin, daß der Kläger und seine Angehörigen genötigt sind, die aufgekundigte Wohnung aufzusuchen, wenn sie ein Reinigungsbad nehmen wollen, daß die ihnen in A. zur Verfügung stehenden Schlafräume zusammen nur rund 17 m2 groß sind, daß sie dort nicht einmal ihre Kleider zur Gänze unterbringen können, und daß die Verbindungstür zwischen den beiden Räumen nicht geschlossen werden kann, weil das Bett, in dem die Tochter des Beklagten schläft, in die Türöffnung hineinragt. Im übrigen hat schon das Erstgericht zutreffend darauf verwiesen, daß von einer bloßen Scheinbenützung der aufgekundigten Wohnung hier ebensowenig die Rede sein kann wie von einem Mißbrauch des Hortens von Wohnungen.

Dem Beklagten kann unter diesen besonderen Umständen ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung der aufgekundigten Wohnung somit auch dann nicht abgesprochen werden, wenn er und seine Familienangehörigen diese nicht ununterbrochen benützen. Daran würde es nichts ändern, wenn die Anzahl der Wochen, in denen die Wohnung nicht aufgesucht wird, die Zahl der Wochen, an denen sie an einigen Tagen benützt wird, überschreiten sollte. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht mit dem aus dem Stromverbrauch gezogenen Schlüssen das Unmittelbarkeitsprinzip verletzt hat.

Anmerkung

Z42115

Schlagworte

Aufkündigung, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Dringendes Wohnbedürfnis, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Eintrittsberechtigter, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Horten, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Kündigung, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Kündigungsgrund, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Mieter, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG., Mietrechtsänderungsgesetz, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG., Scheinbenützung, Änderung des § 19 (2) Z 13 MietG. durch MRÄG., Wohnbedürfnis, Änderung des § 19 (2) Z. 13 MietG. durch MRÄG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0060OB00169.69.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19690813_OGH0002_0060OB00169_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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