Norm
ZPO §405Kopf
SZ 42/158
Spruch
Zum Vorkaufsrecht an einem Liegenschaftsteil bei Verkauf der ganzen Liegenschaft.
Entscheidung vom 22. Oktober 1969, 6 Ob 242/69.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Erstbeklagte ist zu 5/8 und der Zweitbeklagte zu 3/8 Anteilen Eigentümer der Liegenschaften EZ. 16 und 112 Katastralgemeinde A. Zum Gutsbestand der EZ. 16 Katastralgemeinde A. gehört das Ackergrundstück Nr. 222. Zu Gunsten der Klägerin und ihres Ehegatten Walter K. ist auf Grund eines Kaufvertrages vom 5. Oktober 1965 das Vorkaufsrecht bezüglich des Grundstückes Nr. 222 einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 29. März 1968 veräußerten die Beklagten die genannten Liegenschaften, und zwar einschließlich der Grundstückes Nr. 222, mit dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in A. ohne Inventar um einen Gesamtkaufpreis von 260.000 S an die Ehegatten Anton und Rosina M. Irgendein Anbot an die Vorkaufsberechtigten erfolgte nicht. In dem Kaufvertrag vom 29. März 1968 ist vielmehr vorgesehen, daß das für Walter und Helene K. einverleibte Vorkaufsrecht von den beiden Käufern ausdrücklich zur Kenntnis genommen und zur weiteren Duldung übernommen wird. In diesem Kaufvertrag ist weiters festgehalten, daß die Ehegatten M. am Tage der Vertragsunterfertigung eine Kaufpreisteilzahlung von 55.000 S an die Verkäufer bar gezahlt haben. Der Kaufpreisrestbetrag ist abzüglich einer übernommenen, pfandrechtlich sichergestellten Schuld binnen acht Tagen "nach erfolgter Grundbuchsdurchführung dieses Rechtsgeschäftes" zu entrichten. Zur treuhändigen Kaufpreisabrechnung wurde der öffentliche Notar Dr. Karl M. ermächtigt, der zugleich auch als Zahlstelle für den aushaftenden Kaufpreisrest namhaft gemacht wurde.
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes ob den Liegenschaften EZ. 16 und 112 Katastralgemeinde A. Sie brachte dazu vor, sie habe sich bereit erklärt, zu denselben, in der Klage übrigens genau wiedergegebenen Bedingungen wie die Ehegatten M. zu kaufen. Sie habe deshalb am 4. Juli 1968 beim Vertragsverfasser Notar Dr. M. den Kaufpreisteilbetrag von 55.000 S erlegen wollen. Der Betrag sei jedoch nicht angenommen worden.
Die Beklagten beantragen Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin könne ein Vorkaufsrecht nur hinsichtlich des Grundstückes Nr. 222 ausüben. Sie habe aber nie vorbehaltlos erklärt, dieses Grundstück allein erwerben zu wollen. Am 5. Juni 1968 habe die Klägerin nur erklärt, ihr Vorkaufsrecht an dem Grundstück Nr. 222 nur dann auszuüben, wenn der Abtrennung des Grundstückes von der Grundverkehrsbehörde zugestimmt werde und ein objektiver Preis durch gerichtlich beeidete Sachverständige zustandekomme. Eine Erklärung, den gesamten Gutsbestand der beiden Liegenschaften zu kaufen, sei nie wirksam abgegeben worden. Am 5. Juni 1968 sei abschließend vereinbart worden, vorerst die grundsätzliche Entscheidung der Grundverkehrskommission darüber abzuwarten, ob der Abtrennung des Grundstückes Nr. 222 überhaupt zugestimmt werde. Die Grundverkehrsbehörde werde übrigens der Übertragung des Eigentumsrechtes an den Liegenschaften an die Klägerin nie zustimmen. Die Beklagten hätten sich gegenüber den Ehegatten M. ein Rücktrittsrecht ausbedungen, das sie auch ausüben werden. Das Grundstück Nr. 222 bilde das "Herzstück" der Liegenschaft und könne nicht abgetrennt werden, ohne die Lebensfähigkeit des Hofes zu zerstören. Das Vorkaufsrecht der Klägerin sei deshalb "unverwertbar". Inzwischen sei der zwischen den Beklagten und den Ehegatten M. geschlossene Kaufvertrag von der Grundverkehrskommission genehmigt worden. Ergänzend wurde von den Beklagten noch vorgebracht, der Ehegatte der Klägerin sei noch am Leben. (Dies wurde zwar nicht ausdrücklich außer Streit gestellt, doch ergibt sich die Richtigkeit dieser Behauptung wohl daraus, daß sich die Klägerin auf ihren Ehegatten Walter K. als Zeugen berufen hat.)
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab, wobei es von folgenden rechtlichen Erwägungen ausging:
Der Vertrag vom 29. März 1968 habe einen sogenannten "Mengekauf" zum Gegenstand, in welchem Falle dem Eigentümer der mit einem Vorkaufsrecht belasteten Sache ein Wahlrecht zustehe, ob er dem Vorkaufsberechtigten alle Sachen, die Gegenstand des Kaufes seien, oder nur die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache anbiete. Eine wirkliche Einlösung im Sinne des § 1075 ABGB. könne erst nach geschehener Anbietung erfolgen, für die dem Verpflichteten keine Frist gesetzt sei. Die Unterlassung der Anbietung begrunde nur eine Verpflichtung zum Schadenersatz (§ 1079 ABGB.), der auch Naturalersatz sein könne. Wenngleich nach § 1079 ABGB. auch Erfüllung verlangt werden könne, müsse der Erfüllungsanspruch doch auf die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache (Vorkaufsache) beschränkt werden. Die Ausübung des bedungenen Vorkaufsrechtes sei der Klägerin aber nicht versagt worden. Wenn ihr durch die Unterlassung der Anbietung überhaupt ein Schaden erwachsen sei, dann könne sie Schadloshaltung im Sinne der zitierten Bestimmung doch nur hinsichtlich der Vorkaufsache begehren. Der gegenständliche Mengekauf bringe ein Einlösungsrecht der Klägerin somit weder hinsichtlich des Grundstückes Nr. 222 noch bezüglich des ganzen Kaufgegenstandes zur Auslösung.
Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Sache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es ging - abweichend vom Erstgericht - von folgenden Rechtsansichten aus:
Unrichtig sei, daß es dem Eigentümer einer mit einem Vorkaufsrecht belasteten Sache freistehe, wann er dem Vorkaufsberechtigten ein Anbot stellen wolle. Dazu sei er jedenfalls dann verpflichtet, sobald er den Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen habe, und zwar ohne unnötigen Aufschub.
Es treffe auch nicht zu, daß im Falle einer Verletzung der Anbotsverpflichtung schlechthin nur Ansprüche nach § 1079 ABGB. erhoben werden könnten. Die Anwendung dieser Bestimmung habe zur Voraussetzung, daß der Verpflichtete nicht mehr in der Lage ist, die mit Vorkaufsrecht belastete Sache dem Vorkaufsberechtigten zu leisten. Sei der Verpflichtete in der Lage, die Hauptverbindlichkeit zu erfüllen, dann sei nicht einzusehen, warum diesbezüglich auf schadenersatzrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden sollte.
Die Ausübung des Vorkaufsrechtes setze auch keineswegs zwingend ein Einlösungsanbot des Vorkaufsverpflichteten voraus. Sobald der Vertrag mit dem Dritten abgeschlossen sei, könne das Vorkaufsrecht auch ohne Anbot ausgeübt werden.
Was die erstmalig in der Berufungsmitteilung aufgeworfene Frage der Aktivlegitimation der Klägerin anlange, so sei von der "Außerstreitstellung" auszugehen, daß ihr Ehegatte noch lebe. Ein der Klägerin und ihrem Ehegatten ohne nähere Bestimmung eingeräumtes Vorkaufsrecht wäre gemeinsam auszuüben, es wäre denn, daß einer der Berechtigten weggefallen wäre oder die Ausübung ablehne. Dem Verpflichteten wäre in diesem Falle keineswegs ein Wahlrecht einzuräumen, ob er dem übrig gebliebenen Vorkaufsberechtigten die Vorkaufsache zur Gänze oder nur zu einem aliquoten Teil anbieten wolle. Es wäre im vorliegenden Fall daher mit den Parteien gemäß §§ 180, 182 ZPO. zu erörtern, warum die Klägerin das ihr und ihrem Ehegatten gemeinsam eingeräumte Vorkaufsrecht allein ausüben wolle. Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens könne die Frage, ob sie dazu berechtigt sei, nicht abschließend beurteilt werden.
Im Falle eines sogenannten Mengekaufes habe der Vorkaufsberechtigte für die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache nur einen verhältnismäßigen Anteil des Gesamtpreises zu entrichten. Könne die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausgeschieden werden, dann könne der Belastete vom Berechtigten die Einlösung sämtlicher Sachen verlangen. Abzulehnen sei die Ansicht, daß dem Vorkaufsverpflichteten ein Wahlrecht zustehe, die Vorkaufsache allein oder zusammen mit den übrigen Sachen des Mengekaufes anzubieten. Die Einlösung sämtlicher Sachen des Mengekaufes könne der Vorkaufsverpflichtete nur dann verlangen, wenn die Vorkaufsache tatsächlich ohne Nachteil für ihn nicht ausgeschieden werden könne.
Unhaltbar sei vor allem die von den Beklagten vertretene Ansicht, daß es ihnen überhaupt freistehe, im Falle eines ihnen zustehenden Wahlrechtes ein Anbot zu stellen oder zu unterlassen. Auch eine Wahlschuld könne nicht durch Nichtausübung des dem Schuldner ingeräumten Wahlrechtes vernichtet werden. Bei einem Vorkaufsrecht müßte ein etwaiges Wahlrecht vielmehr zugleich mit dem nach Abschluß des Vertrages mit dem Dritten zu stellenden Anbot ausgeübt werden.
Sollte es richtig sein, daß das Grundstück Nr. 222 von dem übrigen Besitz nicht abgetrennt werden könne, ohne dessen Lebensfähigkeit zu gefährden, dann könnte von einer "Unverwertbarkeit" des Vorkaufsrechtes, worunter nur die Unmöglichkeit der Ausübung verstanden werden könne, keine Rede sein. Unter diesen Umständen, die aber noch nicht feststehen, müßten sich die Beklagten die Einlösung der Gesamtliegenschaft gefallen lassen. Sie könnten sich nicht darauf berufen, daß sich das verbücherte Vorkaufsrecht nur auf das eine Grundstück beziehe. Es werde also noch zu klären sein, inwieweit eine Abtrennung des Grundstückes Nr. 222 von der Restliegenschaft wirtschaftlich vertretbar sei. Andernfalls werde zu erörtern sein, inwieweit eine etwaige Verurteilung der Beklagten nur zur Überlassung des Grundstückes Nr. 222 gegenüber dem gestellten Begehren ein bloßes minus oder ein aliud darstellen würde.
Die Beibringung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung könne nach ständiger Rechtsprechung von der Klägerin derzeit noch nicht verlangt werden. Daß die Genehmigung der Grundverkehrskommission zu einem Erwerb der Liegenschaft durch die Klägerin noch nicht vorliege, stehe dem gestellten Begehren daher nicht entgegen. Zu den sonstigen von den Beklagten erhobenen Einwendungen könne noch nicht näher Stellung genommen werden, weil die Tatsachengrundlagen noch strittig seien. Das gelte von den Behauptungen über die am 5. Juni 1968 getroffene Vereinbarung und das vorbehaltene Rücktrittsrecht, von dem allerdings nicht behauptet worden sei, daß die Beklagten davon Gebrauch gemacht hätten.
Zur Frage der wirklichen Einlösung sei davon auszugehen, daß der Vorkaufsberechtigte nicht nur fristgerecht eine entsprechende Erklärung abzugeben, sondern auch jene Leistungen zu erbringen habe, zu denen sich der Dritte verpflichtet habe. Da der Berechtigte aber nur gegen Übergabe der Sache wirklich einlösen müsse, dürfe er seine Leistung im Sinne des § 1052 ABGB. zurückhalten, wenn der Verpflichtete die Übergabe der Sache Zug um Zug verweigere. Da die Beklagten auf dem Standpunkt stunden, sie hätten der Klägerin kein Anbot zu stellen, und da sie nicht bereit seien, der Klägerin die Ausübung des Vorkaufsrechtes zu ermöglichen, könne der Klägerin der Erlag von 55.000 S bei den Beklagten selbst nicht zugemutet werden. Da die Klägerin behauptet habe, sie habe bei Notar Dr. M. 55.000 S für die Beklagten erlegen wollen, der Erlag sei aber nicht angenommen worden, werde noch zu prüfen sein, ob das beim Notar gestellte Anbot gegenüber einer Zahlung an die Beklagten gleichwertig sei, aus welchen Gründen Notar Dr. M. den Erlag abgelehnt und was die Klägerin daraufhin unternommen habe. Derzeit könne also noch nicht gesagt werden, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung zur wirklichen Einlösung nachgekommen sei. Die Vereinbarung, daß die Käufer M. das Vorkaufsrecht zu übernehmen hätten, könne die Klägerin an der Ausübung dieses Rechtes nicht hindern.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Folge, hob diesen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Vordergrund stehen die für die Entscheidung wesentlichen Fragen, ob demjenigen, dem ein Vorkaufsrecht nur an einem einzelnen Grundstück einer mehrere Grundstücke umfassenden Liegenschaft eingeräumt wurde, im Falle eines Verkaufes der ganzen Liegenschaft, also einschließlich des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Grundstückes, zu einem Gesamtpreis das Recht zusteht, die Einlösung des gesamten Kaufgegenstandes, also der ganzen Liegenschaft und nicht bloß des mit Vorkaufsrecht belasteten Grundstückes, schlechthin zu verlangen, welche Ansicht der Klage offensichtlich zu Gründe liegt, ob ihm dieses Recht - wie das Berufungsgericht meint - allenfalls dann zuzuerkennen ist, wenn das mit Vorkaufsrecht belastete Grundstück von der übrigen Liegenschaft nicht ohne Nachteil für den Vorkaufsverpflichteten, also etwa nicht ohne Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit der Restliegenschaft, abgetrennt werden kann oder ob in keinem der beiden Fälle das Vorkaufsrecht eine Erweiterung erfahren kann.
Zunächst sei bemerkt, daß der von den Beklagten vertretenen Meinung, im Falle des Verkaufes einer Liegenschaft, zu der ein mit Vorkaufsrecht belastetes Grundstück gehört, werde dieses Vorkaufsrecht überhaupt nicht ausgelöst, weil keine Identität zwischen dem Kaufgegenstand und der mit Vorkaufsrecht belasteten Sache bestehe, nicht beigepflichtet werden kann. Diese Ansicht kann sich weder auf eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung oder einen rechtlich einwandfreien Schluß noch auf eine Lehrmeinung oder eine einschlägige Rechtsprechung stützen. Ihre Unhaltbarkeit ergibt sich schon daraus, daß es darnach dem Vorkaufsverpflichteten in aller Regel möglich wäre, das Vorkaufsrecht dadurch zu umgehen, daß er die mit Vorkaufsrecht belastete Sache zugleich mit einer anderen Sache um einen Gesamtpreis verkauft. Eine derartige Auslegung verbietet sich im Hinblick auf ihr Ergebnis von selbst. Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, stimmen Bettelheim (in Klang[1] II/2 S. 1029) und Ehrenzweig (System II/1 S. 420) darin überein, daß auch im Falle eines sogenannten Mengekaufes das Vorkaufsrecht auf die damit belastete Sache beschränkt bleibt und daß der Vorkaufsberechtigte dafür einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten hat. Nun kann es sein, daß in der Mitveräußerung weiterer, nicht mit Vorkaufsrecht belasteter Sachen ein unter § 1077 ABGB. fallender Nebenvorteil für den Verkäufer liegt, oder daß die mit Vorkaufsrecht belastete Sache nicht ohne Nachteil des Vorkaufsverpflichteten ausgeschieden werden kann, weil etwa sonst der Verkauf des Restes scheitern oder dessen Kaufpreis unverhältnismäßig geschmälert würde. Wenn man hier den die Einräumung des Vorkaufsrechtes betreffenden Vertrag nach § 194 ABGB. im Sinne einer Ergänzung des mutmaßlichen Vertragswillens der Parteien dahin auslegt, daß in derartigen Fällen der Vorkaufsverpflichtete berechtigt sein soll, dem Vorkaufsberechtigten den ganzen Kaufgegenstand, also einschließlich der vom Vorkaufsrecht nicht betroffenen Sachen, zur Einlösung anzubieten - wie dies im § 508 DBGB. vorgesehen ist - so würde es sich doch immer nur um ein Recht des Vorkaufsverpflichteten handeln, und zwar um ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige Erklärung ausgeübt werden kann. Der Vorkaufsberechtigte aber kann aus dem Nachteil, den ein Teilverkauf dem Vorkaufsverpflichteten verursachen würde, nicht das Recht ableiten, nun seinerseits das Vorkaufsrecht auf alle verkauften Gegenstände auszudehnen. Der vom Berufungsgericht gezogene Schluß, die Vorkaufsverpflichteten müßten sich, sollte das mit Vorkaufsrecht belastete Grundstück nicht ohne Nachteil für sie von der Restliegenschaft abgetrennt werden können, die Einlösung des ganzen Kaufgegenstandes durch die Klägerin gefallen lassen, ist somit nicht zwingend. Die Beklagten haben zwar vorgebracht, das Grundstück Nr. 222 könne nicht vom Stammbesitz abgeschrieben werden, ohne diesen zu entwerten. Darin liegt aber noch nicht die oben erwähnte Gestaltungserklärung, weil die Beklagten ja nach wie vor die Abweisung des Klagebegehrens beantragen und damit eindeutig zu erkennen gegeben haben, daß sie auch den Gesamtbesitz der Klägerin als der Vorkaufsberechtigten nicht zur Einlösung anbieten wollen. Die Klägerin hätte - ihre Aktivlegitimation vorausgesetzt - nur die Übereignung des Grundstückes Nr. 222. und zwar Zug um Zug gegen Zahlung des darauf entfallenden Kaufpreisanteiles, verlangen und für den Fall, als die Beklagten die oben erwähnte Gestaltungserklärung abgeben, ihr Begehren der neuen Lage entsprechend ändern können. Es wäre ihr auch freigestanden, schon in der Klage ein entsprechendes Eventualbegehren zu stellen. Zur Stellung des vorliegenden Begehrens war sie aber jedenfalls nicht berechtigt, denn sie würde den Beklagten damit die ihnen zustehende Möglichkeit nehmen, den aus der Abtrennung des Grundstückes Nr. 222 sich ergebenden Nachteil auf sich zu nehmen, wenn sie etwa ein Interesse daran haben, den Rest anderweitig zu verwerten.
Abgesehen davon, liegt aber ein Fall, in dem die Beklagten ihrer Verpflichtung aus dem Vorkaufsrecht durch Anbot des ganzen Kaufgegenstandes nachkommen könnten, offensichtlich nicht vor. Über die Bedeutung des Grundstückes Nr. 222 für die Lebensfähigkeit des Restgutes konnten sich die Parteien bei der erst wenige Jahre zurückliegenden Einräumung des Vorkaufsrechtes wohl nicht im unklaren sein. Daß sich seither die Verhältnisse irgendwie geändert hätten, wurde von keiner Seite behauptet. In der Entscheidung des Reichsgerichtes, Höchstrichterliche Rechtsprechung 1935/I Nr. 724, wurde in einem ähnlichen Fall das Verlangen des Vorkaufsverpflichteten, den Gesamtbesitz zu übernehmen, als begrundet erkannt; dies aber nur deshalb, weil sich erst nach Einräumung des Vorkaufsrechtes die Möglichkeit ergeben hatte, die ganze Fläche besonders gewinnbringend zu verwerten. Ein solcher Sachverhalt ist hier aber nicht gegeben. Ebenso führt der Reichsgerichtsrätekommentar[11], II/1 S. 276 Anm. 4 zu § 508 DGBG. aus, daß dadurch, daß das Vorkaufsrecht auf einen Teil einer Sache beschränkt wurde, dieser daraus gelöst werde und die Geltendmachung des im § 508 Satz 2 DBGB. erwähnten Rechtes gegen Treu und Glauben verstoßen würde (ebenso Palandt, BGB[28], Anm. 3 zu § 508 DBGB.). Die gegenteilige Ansicht würde bedeuten, daß im vorliegenden Fall das ausdrücklich auf das Grundstück Nr. 222 beschränkte Vorkaufsrecht schon von Anfang an die ganze Liegenschaft belastet hätte, was wieder mit dem Vertragswillen der Parteien offenbar nicht im Einklang stand. War die wirtschaftliche Lage in bezug auf die Abtrennbarkeit des Grundstückes Nr. 222 von der Restliegenschaft bei Vertragsabschluß so wie jetzt, was nach dem Parteienvorbringen unterstellt werden muß, dann müßte auch ein die ganze Liegenschaft betreffendes Einlösungsverlangen der Beklagten als vertragswidrig angesehen werden.
Damit bleibt nur mehr zu untersuchen, ob in dem vorliegenden Klagebegehren auch das Begehren auf Übereignung des Grundstückes Nr. 222 enthalten ist, in welchem Falle - bei Fehlen eines sonstigen Hindernisses - immerhin noch ein Teilerfolg der Klage möglich wäre. Die Frage ist indessen zu verneinen, weil im vorliegenden Fall das Begehren auf Übertragung des ganzen Besitzes zu einem Zuspruch eines Teiles davon nicht in einem Verhältnis steht, daß von einem Mehr und einem Weniger gesprochen werden könnte. Ein solches Verhältnis kommt von vornherein nur dann in Frage, wenn Natur des Anspruches und dessen Umfang eine solche Beurteilung zulassen. Das wird etwa dann der Fall sein, wenn das gestellte Begehren derart ist, daß darin zugleich auch ein weniger weitgehendes Begehren erblickt werden kann, dessen Zuspruch der Kläger auf jeden Fall anstrebt, auch wenn dem gestellten Begehren ein voller Erfolg nicht beschieden sein kann. Wer eine bestimmte Geldsumme verlangt, von dem nimmt man an, daß er auch eine geringere Summe für den Fall verlangt, daß die begehrte Summe sich als zu hoch erweist. Wer Leistung verlangt, wird sich, wenn auf Leistung nicht erkannt werden kann, mit einem auf eine entsprechende Feststellung lautenden Urteil zufrieden geben. Wer aber die Übereignung einer ganzen Liegenschaft, deren Preis feststeht, verlangt, von dem kann nicht ohne weiteres, nämlich ohne Erhebung eines Eventualbegehrens, angenommen werden, daß er auch mit der Übereignung eines einzelnen Grundstückes zu einem erst zu ermittelnden Preis zufrieden ist. In dem vorliegenden Klagebegehren ist daher ein weniger weit gehendes Begehren auf Übereignung nur des Grundstückes Nr. 222 nicht zweifelsfrei enthalten, weshalb auch ein teilweiser Erfolg der Klage von vornherein nicht in Frage kam.
Die Sache erweist sich somit als im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens spruchreif. Es brauchte daher auf die Frage, ob dem Erfolg der Klage etwa noch ein weiteres Hindernis entgegenstand, nicht mehr eingegangen werden, sondern es war wie im Spruche zu erkennen. Eine Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles verbot sich im Hinblick auf § 526 (1) ZPO., wonach über einen Rekurs nur durch Beschluß zu entscheiden ist.
Anmerkung
Z42158Schlagworte
Liegenschaftsteil, Vorkaufsrecht an einem -, Verkauf der ganzen, Liegenschaft, Vorkaufsrecht an einem Liegenschaftsteil, Verkauf der ganzen, LiegenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1969:0060OB00242.69.1022.000Dokumentnummer
JJT_19691022_OGH0002_0060OB00242_6900000_000