TE OGH 1969/11/19 7Ob203/69

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Veröffentlicht am 19.11.1969
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Norm

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §7 I (2)

Kopf

SZ 42/173

Spruch

Die Verweigerung des Alkotests ist als vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht anzusehen.

Entscheidung vom 19. November 1969, 7 Ob 203/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Im Zusammenhang mit einem von ihr am 6. April 1967 verursachten Verkehrsunfall, bei dem ihr PKW beschädigt wurde, begehrt die Klägerin, gegenüber der Beklagten urteilsmäßig festzustellen, daß ihr diese auf Grund der über das Fahrzeug unter der Polizzennummer 74/58666 geschlossenen Kaskoversicherung Versicherungsschutz zu gewähren habe. Die von der Beklagten geltend gemachte Leistungsfreiheit sei nicht eingetreten, denn obgleich sie, die Klägerin, die Durchführung eines Alkotests abgelehnt habe, sei sie zur Unfallszeit nicht alkoholisiert gewesen; vielmehr sei der Unfall auf ein von außen her einwirkendes Ereignis zurückzuführen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei, da die Klägerin unter Einfluß von Alkohol, somit grob fahrlässig den Unfall herbeigeführt habe und da sie überdies durch Verweigerung des Alkotestes der ihr nach § 7 AKB. obliegenden Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Nach seinen Feststellungen konsumierte die Klägerin am Abend des 5. April 1967 anläßlich einer Maturafeier eine nicht mehr zu ermittelnde Menge von Speisen und Wein in einem Heurigenlokal in Grinzing, in das sie, nachdem sie zwischendurch mit ihrem PKW, einem Austin-Mini, eine ihrer einstigen Lehrerinnen in den dritten Wiener Gemeindebezirk nach Hause gebracht hatte, wieder zurückkehrte. In der Folge begab sie sich mit einigen Veranstaltungsteilnehmern in die Wohnung einer ehemaligen Mitschülerin, wo sie bis etwa 3 Uhr früh des 6. April verblieb. Was sie dort gegessen und getrunken hat, läßt sich ebensowenig mehr erheben wie die physische Verfassung, in der sie sich beim Antritt der mit ihrem PKW zusammen mit einer Freundin unternommenen Heimfahrt befand. Auf dieser gelangte sie zunächst in die Cottagegasse, in der sie ihre dort wohnende Begleiterin aussteigen ließ, und im weiteren Verlauf in die ungefähr im Ausmaß von 4% ansteigende Silbergasse, deren Fahrbahn bis zum Haus Nr. 21 eine Breite von 7.1 m aufweist und sich beim Haus Nr. 23, wo von rechts ein Gebäude in sie hineinragt, auf 5.6 m verengt. Diese Engstelle bildet annähernd den Scheitelpunkt einer, bergwärts gesehen, leichten Rechtskurve. Als nun die Klägerin in der Absicht, in die etwa 50 m nach dem Haus Nr. 21 gelegene rechte Seitengasse einzubiegen, mit mäßiger Geschwindigkeit die Silbergasse hinauffuhr, war deren rechter Fahrbahnrand von parkenden Autos zur Gänze eingenommen, während auf der linken Fahrbahnseite, und zwar zwischen den Häusern Nr. 21 und 23, lediglich der PKW. des Dkfm. Max Sch. abgestellt war. Die Klägerin, die ursprünglich einen PKW mit Hinterradantrieb, nämlich einen Taunus 12 M, Baujahr 1953, benützt hatte, war in der Unfallsnacht erst an die drei Wochen mit dem PKW Austin-Mini, einem Fronttriebler, gefahren, den sie mit einem, durch seinen kleineren Durchmesser gekennzeichneten Sportlenkrad hatte ausstatten lassen. Ein solches Lenkrad in Verbindung mit gewissen Konstruktionseigenschaften des Austin-Mini bewirkt im Vergleich zum Taunus 12 M bei gleichem Lenkeinschlag ein wesentlich stärkeres Auslenken des Fahrzeuges, ein Umstand, der bei Schreckreaktionen eine Unfallssituation hervorrufen kann. Ein voll verkehrstauglicher Kraftfahrer vermag jedoch ein dergestalt geändertes Fahrverhalten eines für ihn neuen Fahrzeuges schon von Anfang an entsprechend auszugleichen. Infolge einer nicht mehr feststellbaren Fehlleistung prallte die Klägerin auf der Höhe zwischen den Häusern Nr. 21 und 23 gegen den PKW des Dkfm. Sch., wodurch beide Fahrzeuge, das des Genannten und das der Klägerin, beschädigt wurden. Durch diesen Unfall am Kopf und an einem Fuß leicht verletzt, schickte sich die Klägerin dennoch sofort an, dem Besitzer des beschädigten fremden Fahrzeuges eine schriftliche Mitteilung zu hinterlassen, die sie verständlich und richtig abgefaßt hatte. Mittlerweile war aber Dkfm. Sch. herbeigeeilt und auch ein Polizist in einem Funkstreifenwagen war am Unfallsort eingetroffen. Da er wahrnahm, daß die Klägerin aus dem Mund nach Alkohol roch, was allerdings schon bei einem Blutalkoholgehalt von 0.3 Promille der Fall sein kann, ferner ihre Augen gerötet waren und sie ständig das Gesprächsthema wechselte, wollte er zur Feststellung ihres Alkoholisierungsgrades einen Röhrchentest vornehmen. Die Klägerin verweigerte aber dessen Durchführung. Über sie wurde deshalb in der Folge vom Bundespolizeikommissariat Döbling nach § 99 (1) lit. b StVO. rechtskräftig eine Geldstrafe verhängt. Angesichts dieses Sachverhaltes hielt es das Erstgericht für nicht erwiesen, daß sich die Klägerin zur fraglichen Zeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hätte und dieser unfallskausal gewesen wäre.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht sinngemäß aus, der Beklagten sei der strengen Anforderungen unterliegende Beweis des ersten Anscheines für eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Klägerin (und damit die Umkehr der Beweislast) nicht gelungen; unter den festgestellten Verhältnissen habe nämlich der Unfall auch von einem durch Alkohol nicht beeinträchtigten, insofern also verkehrstüchtigen, jedoch nur momentan unaufmerksamen Lenker herbeigeführt werden können. Wohl aber habe die Klägerin durch die Verweigerung des Alkotests gegen die sie nach § 7 AKB. treffende Aufklärungspflicht verstoßen. Diese Obliegenheit gelte auch für den Bereich der Kaskoversicherung und erfasse auch die für die Leistungspflicht des Versicherers nicht unerhebliche Frage, ob und in welchem Grade der Fahrer im Unfallszeitpunkt alkoholisiert gewesen sei.

Die zweite Instanz gab der ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt, keine Folge. Gleich dem Erstgericht bejahte sie die von der Beklagten auf die Verletzung der klägerischen Aufklärungspflicht gestützte Leistungsfreiheit und vertrat entgegen der Meinung des Erstgerichtes die Auffassung, der Beklagten sei der prima-facie-Beweis gelungen, daß der Unfall auf den Alkoholgenuß der Klägerin und deren durch die lange Feier eingetretene Ermüdung zurückgehe. Dieser Umstände habe sich die Klägerin bewußt sein müssen. Demnach habe sie den Unfall grob fahrlässig verschuldet, so daß sie ihren Anspruch auf Versicherungsschutz auch deshalb verwirkt habe (§ 61 VersVG.).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den erstrichterlichen Rechtsausführungen sowie denen des Berufungsgerichtes zur Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers nach § 7 I (2) Satz 2 AKB. ist insofern beizustimmen, als sie von jener Obliegenheit Belange des sogenannten Deckungsverhältnisses, die nicht zugleich auch solche des Unfalltatbestandes sind, ausnehmen. Nicht recht verständlich sind aber diese untergerichtlichen Erörterungen, soweit sie den Unfallstatbestand in ein Haftpflichtverhältnis einordnen, wobei das Erstgericht ausdrücklich die "Haftpflichtfrage" der "Deckungsfrage" gegenüberstellt und die Berufungsinstanz mit Art. 8 (2) Z. 2 und Art. 6 (3) AKHB. (BGBl. 1967 Nr. 401) argumentiert, obwohl es in diesem Rechtsstreit nicht um einen Anspruch aus der Haftpflichtversicherung, sondern ausschließlich um einen solchen aus der Kraftfahrzeugversicherung (Kaskoversicherung) geht. Die diesbezüglichen Darlegungen im Ersturteil und im Berufungsurteil sind daher ebenso wie das auf eine Haftpflichtversicherung abstellende Revisionsvorbringen fehl am Platz. Auszugehen ist vielmehr von der Erwägung, daß die in § 7 I (2) Satz 2 AKB. festgelegte Obliegenheit zur Aufklärung des Tatbestandes auch für die Kaskoversicherung gilt (Stiefel - Wussow, Kraftfahrzeugversicherung[7] Anm. 9 zu § 7 AKB., S. 240/241; 7 Ob 152/63 = VersR. 1965 S. 170). Eine Unterscheidung zwischen Haftpflicht- und Deckungsverhältnis kommt dabei naturgemäß nicht in Frage, sondern es verhält sich so, daß der Versicherungsnehmer alles Zweckdienliche zur Aufklärung des Unfallsereignisses ins Werk zu setzen hat, dies selbst dann, wenn es seinen eigenen Interessen zum Nachteil gereicht (Stiefel - Wussow a. a. O. Anm. 10 zu § 7 AKB., S. 242, 7 Ob 152/63). Nur solche Umstände, die zwar das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer berühren, mit dem Unfallstatbestand selbst aber nichts zu tun haben (z. B. Angelegenheiten der Prämienzahlung), fallen nicht unter die Aufklärungspflicht. Daß aber die Frage, ob das Schadensereignis von einem unter Alkoholeinwirkung stehenden Versicherungsnehmer herbeigeführt wurde, sehr wesentlich zum Unfallstatbestand gehört, schon weil sich daraus eine nach § 61 VersVG. zu beurteilende grob fahrlässige Unfallsverursachung durch den Versicherungsnehmer ergeben kann, bedarf keiner weiteren Begründung. Die Weigerung der Klägerin aber, sich einem Alkotest zu unterziehen, ist, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, als vorsätzliche Verhalten anzusehen, es sei denn, es lägen vom Versicherungsnehmer zu behauptende und zu beweisende Tatsachen vor, die die Annahme eines derartigen Vorsatzes ausschlössen (ZVR. 1969 Nr. 93 S. 78, VersR. 1969 "Beilage Ausland" S. 136). Letzteres ist aber hier nicht der Fall. Die in der Nichterfüllung ihrer Aufklärungspflicht bestehende Obliegenheitsverletzung der Klägerin bringt sohin die Leistungsfreiheit der Beklagten mit sich. Danach erübrigt es sich, zu den auf den Ausschlußgrund des § 61 VersVG. bezogenen Revisionsausführungen und zu den einschlägigen Überlegungen des Berufungsgerichtes Stellung zu nehmen, welches hiebei wie das Erstgericht den dem österreichischen Recht unbekannten und daher abzulehnenden Begriff des prima-facie-Beweises verwendet (3 Ob 553/56 = VersSlg. Nr. 79).

Anmerkung

Z42173

Schlagworte

Alkotestverweigerung, vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht, des Versicherungsnehmers, Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers, Alkotestverweigerung, vorsätzliche Verletzung der -, Versicherungsnehmer, Alkotestverweigerung vorsätzliche Verletzung der, Aufklärungspflicht des, Verweigerung des Alkotests, vorsätzliche Verletzung der, Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0070OB00203.69.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19691119_OGH0002_0070OB00203_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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