TE OGH 1969/12/19 2Ob314/69

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Veröffentlicht am 19.12.1969
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Norm

ABGB §1111

Kopf

SZ 42/193

Spruch

Wurde der Schaden durch Verschulden des Bestandnehmers herbeigeführt, dann haftet dieser im Rahmen des § 1111 ABGB. nicht nur für die Wiederherstellung der beschädigten Bestandsache, sondern auch für sonstige Schäden.

Entscheidung vom 19. Dezember 1969, 2 Ob 314/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz; Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Nach dem Klagsvorbringen bestellte die Beklagte am 30. Oktober 1967 bei der Klägerin einen Kühlwaggon für den Transport von Chemikalien nach Ungarn. Bei Ankunft am Zielbahnhof (5. November 1967) stellte sich heraus, daß durch unsachgemäße Lagerung seitens der Beklagten ein Teil der Chemikalien ausgeflossen war, wodurch im Waggon ein intensiver Geruch entstand. Die Klägerin ließ den Waggon reinigen, desinfizieren und neu beeisen. Als derselbe in der Folge für den Transport von Frischfleisch einer holländischen Firma nach Italien verwendet wurde, ergab sich, daß trotz der vorgenommenen Reinigung das Fleisch weder für den menschlichen Genuß noch für industrielle Zwecke verwendbar war.

Die Klägerin macht nun Ersatzansprüche in der Höhe des Schilling-Gegenwertes von 29.946.22 hlf., 323 sfr. und 207.090 bfr. geltend, und zwar als Entschädigung für den Ersatz des Frischfleisches an die holländische Firma, ferner für Verdienstentgang, Reparaturkosten und Kosten der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es handle sich um einen Bestandvertrag. Ansprüche aus einem solchen seien aber ein Jahr nach Rückgabe des Mietgegenstandes erloschen. Der Waggon sei spätestens Ende November 1967 zurückgestellt worden, die Klage jedoch erst am 18. März 1969 bei Gericht eingelangt.

Das Berufungsgericht hat auf Berufung der Klägerin das erstgerichtliche Urteil bestätigt. Es hat die Rechtsansicht des Erstgerichtes gebilligt. Nach dem Vorbringen in der Klage habe die Klägerin spätestens im Jänner 1968, mit Erstattung des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens, volle Kenntnis des Zusammenhanges erlangt. Nach der Bestimmung des § 1111, zweiter Satz, ABGB. habe mit diesem Zeitpunkt die einjährige Frist zu laufen begonnen. Im Zeitpunkt der Einbringung der Klage sei daher Verjährung eingetreten gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin bekämpft zunächst die Ansicht der Untergerichte, daß es sich bei dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft um einen Bestandvertrag gehandelt habe. Ihre Tätigkeit habe lediglich darin bestanden, den von der Beklagten mit der Eisenbahn abgeschlossenen Mietvertrag vermittelt zu haben. Das Hauptgewicht des von der Beklagten abgeschlossenen Vertrages sei im Gütertransport gelegen. Der von der Klägerin hiefür erbrachte Kühldienst, das Reinigen, Versichern usw. stellten sich lediglich als Nebenleistungen dar.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Wenn auch die "Allgemeinen Bedingungen", auf die sich die Klägerin beruft, von dem von der Klägerin "verwalteten" Wagen spricht, heißt es doch im Art. 5, daß die "Bedingungen" für die Vermietung von durch die Klägerin verwalteten Wagen an den Kunden nur den Mietvertrag betreffen. Der eigentliche Frachtvertrag werde hiedurch nicht berührt. Für den Frachtvertrag seien die Tarifvorschriften und die Bedingungen der Eisenbahnverwaltungen gültig. Daraus folgt, daß das Hauptgewicht des Vertrages nicht im Gütertransport, sondern in der Beistellung des Kühlwagens gelegen war. Es ist sohin den Vorinstanzen beizupflichten, daß es sich um einen Bestandvertrag hinsichtlich eines von der Klägerin verwalteten Wagens gehandelt hat, zumal auch fremde Sachen in Bestand gegeben werden können (siehe hiezu Klang[2], V, S. 35). Wäre die Klägerin nicht Vermieterin gewesen, würde ihr die Aktivlegitimation fehlen. Sie selbst leitet ihre Ansprüche aus dem Mietgeschäft über den beschädigten Kühlwagen ab. Auf das gegenständliche Rechtsverhältnis sind daher die Bestimmungen über den Bestandvertrag und damit auch die des § 1111 ABGB. anzuwenden, wonach der Bestandgeber den Ersatz für das beschädigte Mietstück längstens binnen einem Jahr nach Zurückstellung desselben gerichtlich fordern muß; sonst ist das Recht erloschen.

Wenn vorgebracht wird, daß die Forderung bereits am 22. Oktober 1968 mit einer Klage beim Handelsgericht Wien geltend gemacht worden sei, sohin vor Ablauf der einjährigen Frist, so ist festzuhalten, daß dieses Gericht die Klage mit Beschluß vom 14. Jänner 1969 wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtskräftig zurückgewiesen hat. Nun ist nach einhelliger Rechtsprechung die Frist des § 1111 ABGB. eine echte Verjährungsfrist (Ehrenzweig[2] I/1, S. 302, sowie II/I S. 460; SZ. XXIII 333, OGH. 15. November 1950, 2 Ob 746/50 u. v. a,). Die Verjährung wird aber durch die beim unzuständigen Gericht eingebrachte und von diesem zurückgewiesene Klage nicht unterbrochen (Klang[2], VI, S. 655).

Was den Beginn des Laufes der einjährigen Frist anlangt, so stellt das Gesetz auf die Rückstellung des Bestandobjektes ab (MietSlg. 4989). Die Rückstellung des Wagens erfolgte nach den Feststellungen der Untergerichte im November 1967. Wenn die Klägerin vermeint, es sei ihr das Ausmaß des Schadens erst mit der letzten Rechnung vom 31. Juli 1968 bekannt geworden, übersieht sie, daß nach Lehre und Rechtssprechung der Lauf der Verjährungsfrist für den Schadenersatzanspruch mit der Kenntnis aller voraussehbaren, mit dem schädigenden Ereignis verbundenen Schäden beginnt; die Kenntnis der Schadenshöhe ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht erforderlich. Die Voraussehbarkeit des Schadens war für die Klägerin aber bereits auf Grund des Untersuchungsberichtes vom 26. Jänner 1968 gegeben.

Wenn die Klägerin schließlich vorbringt, die einjährige Verjährungsfrist des § 1111 ABGB. beziehe sich lediglich auf Ansprüche, die sich aus der Haftung für die Kosten der Wiederherstellung des beschädigten Bestandstückes ergäben, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Nur ein Zufall, der sich in der Person des Bestandnehmers ereignete, würde bloß zur Wiederherstellung der beschädigten Bestandsache verpflichten. Wurde der Schaden aber durch Verschulden des Bestandnehmers herbeigeführt, wie die Klägerin behauptet, dann haftet der Bestandnehmer im Rahmen des § 1111 ABGB. auch für sonstige Schäden (Ehrenzweig[2], II/1, S. 459).

Da sohin bei Einbringung der Klage (18 März 1969) die einjährige Frist des § 1111 ABGB. abgelaufen war, ist der geltend gemachte Anspruch erloschen.

Anmerkung

Z42193

Schlagworte

Bestandnehmer, Haftung nach § 1111 ABGB., Haftung des Bestandnehmers nach § 1111 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1969:0020OB00314.69.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19691219_OGH0002_0020OB00314_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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