TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/5 2002/18/0055

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Veröffentlicht am 05.04.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1969, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Jänner 2002, Zl. SD 1003/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Jänner 2002, wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 1992 im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Sein am 14. September 1992 gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Oktober 1992 abgewiesen worden. Über seinen weiteren Aufenthalt sei zunächst nichts bekannt gewesen. Am 2. Juli 1997 sei die polizeiliche Meldung des Beschwerdeführers in Wien (20. Bezirk) erfolgt, wobei er wegen seines Aufenthaltes ohne erforderlichen Sichtvermerk vom 23. Juni 1997 bis zum 2. Juli 1997 zur Anzeige gebracht worden sei.

Schon vor seiner polizeilichen Meldung, nämlich am 27. Juni 1997, habe der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsanwalt beim Landeshauptmann von Wien (MA 62) einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbständige Erwerbstätigkeit als Kolporteur" gestellt. In diesem Zusammenhang habe er als Wohnsitz eine Adresse in seinem Heimatstaat angegeben. Während des beim Landeshauptmann von Wien geführten Ermittlungsverfahrens sei dort ein Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" - der Beschwerdeführer habe am 4. August 1997 in Wien die österreichische Staatsbürgerin Alice K. geheiratet - eingelangt. Nachdem der diesbezügliche Antrag an die nunmehr zuständige Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) übermittelt worden sei, habe erhoben werden können, dass sich der Beschwerdeführer am 26. August 1997 nach Indien abgemeldet habe.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. November 1997 sei die Berufung gegen den obgenannten Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Oktober 1992 abgewiesen worden.

Im Zug des bei der Erstbehörde anhängigen Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" sei die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers wegen des Verdachtes der Scheinehe von Kriminalbeamten der Erstbehörde vernommen worden. Sie habe im Wesentlichen ausgeführt, dass die Eheschließung wegen der Probleme des Ehegatten mit der "Arbeitskarte und Arbeitsberechtigung" geschlossen worden wäre. Dieser wohnte bei ihr, hätte jedoch zu den aus der Ehe stammenden Pflichten keinen Beitrag geleistet, weil er nicht im Besitz der dafür erforderlichen Mittel wäre. Die Ehe wäre nicht vermittelt worden, auch wäre für die Eheschließung nichts bezahlt worden. Im Zug mehrerer an der gemeinsamen Meldeadresse der Ehegattin durchgeführten Hauserhebungen habe das Ehepaar persönlich nie angetroffen werden können. Nach Angaben von Hausparteien wäre der Beschwerdeführer mehrmals im Haus gesehen worden. Obwohl von den erhebenden Kriminalbeamten habe erhoben werden können, dass K. Schulden in der Höhe von etwa ATS 200.000,--

(EUR 14.534,57) aufgewiesen habe, hätten keine weiteren Indizien für das Vorliegen einer Scheinehe festgestellt werden können. Daraufhin seien dem Beschwerdeführer von der Erstbehörde zunächst ein bis 15. Oktober 1999 gültiger Aufenthaltstitel und in der Folge eine bis 21. September 2000 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am 24. November 1999 sei K. im Bundesministerium für Inneres als Zeugin im Zug einer Amtshandlung betreffend die gewerbsmäßige Vermittlung von Scheinehen österreichischer Staatsbürger mit Fremden hinsichtlich ihrer eigenen Ehe niederschriftlich vernommen worden. Sie habe zu Protokoll gegeben, dass sie im Sommer 1997 zwei namentlich genannten ausländischen Staatsangehörigen ihre schlechte finanzielle Situation dargelegt hätte, woraufhin diese ihr den Vorschlag gemacht hätten, für ATS 65.000,-- (EUR 4.723,73) einen indischen Staatsangehörigen zu heiraten. Sie hätte schließlich am 4. August 1997 diesen indischen Staatsangehörigen, den Beschwerdeführer, zum Schein und gegen Entgelt - die Hälfte des versprochenen Geldes hätte sie beim Aufgebot, die zweite Hälfte bei der Hochzeit vom Vermittler in bar erhalten - geheiratet, wobei eine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer nie geführt bzw. nie geplant worden wäre. Zudem wäre die Ehe nicht bzw. nie vollzogen worden. Da ihr der Beschwerdeführer sympathisch gewesen wäre, hätte sie sich bisher nicht scheiden lassen, damit dieser weiter die Papiere bekäme, obwohl ursprünglich vereinbart worden wäre, dass die Ehe nur zwei Jahre hätte dauern sollen. Erst später hätte sie erfahren, dass der Beschwerdeführer über ATS 100.000,-- (EUR 7.267,28) an den Vermittler bezahlt hätte.

Am selben Tag sei der Beschwerdeführer von Beamten des Bundesministeriums für Inneres hinsichtlich seiner Ehe befragt worden. Dieser habe deponiert, den Vermittler nach Ablehnung seines Asylantrages kennengelernt zu haben. Dieser hätte ihm den Rat gegeben, eine Österreicherin zu heiraten. Der Vermittler hätte daraufhin angeboten, dies für ihn zu erledigen, wobei er als Vermittlungsgebühr ATS 130.000,-- (EUR 9.447,47) bis ATS 140.000,--

(EUR 10.174,20) verlangt hätte, welche der Beschwerdeführer in Raten abzahlen könnte. Da der Beschwerdeführer in Österreich hätte bleiben wollen, hätte er dieser Vorgehensweise zugestimmt, sich Geld von in Österreich lebenden Verwandten geborgt und den Vermittler beim Aufgebot ATS 40.000,-- (EUR 2.906,91) und bei der Hochzeit ATS 70.000,-- (EUR 5.087,10) bezahlt. Nach der Hochzeit wäre er bei seiner Schwester in Wien (21. Bezirk, Prager Straße) wohnhaft gewesen. Der Vermittler hätte schließlich Anfang 1999 weitere ATS 20.000,-- (EUR 1.453,46) von ihm verlangt, welche er ihm jedoch nicht bezahlt hätte.

Während eines von der Erstbehörde eingeleiteten Aufenthaltsverbotsverfahrens habe der Beschwerdeführer, nachdem er eine an seinen Rechtsanwalt ergangene Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 17. April 2000 betreffend die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unbeantwortet gelassen habe, am 11. Juli 2000 beim Landeshauptmann von Wien einen weiteren Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, wobei er sich neuerlich auf die Ehe mit K. berufen habe.

Daraufhin sei der erstinstanzliche Bescheid erlassen worden.

Obwohl sich der Beschwerdeführer bereits am 16. November 2000 an der Adresse in Wien (21. Bezirk, P.-Gasse) mit Hauptwohnsitz gemeldet habe und K. an der Adresse in Wien (21. Bezirk, B.- Straße) weiterhin als gemeldet aufgeschienen sei, sei in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt worden, dass keine Scheinehe vorgelegen wäre und der Beschwerdeführer "selbstverständlich mit seiner Ehefrau zusammenwohne", weshalb die Erstbehörde eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zu verantworten hätte. Eine neuerliche Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, allenfalls einer Vielzahl seiner Bekannten, welche er "der Oberbehörde bekannt geben werde", ließe eine richtige Beurteilung des Sachverhaltes zu. Abgesehen davon hätte die Erstbehörde selbst bei Annahme der - bestrittenen - Scheinehe die gemäß § 37 FrG durchzuführende Interessenabwägung zu Unrecht durchgeführt, zumal er "lückenlos seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet" aufhältig wäre und auf Grund der langen Aufenthaltsdauer zahlreiche soziale Kontakte geschaffen hätte, welche die Erstbehörde jedoch nicht festgestellt hätte. Zudem wäre er als Hilfskraft bei einem namentlich genannten Unternehmen aufrecht beschäftigt und deshalb auch beruflich integriert.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin K. sei mittlerweile mit Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5. April 2001 einvernehmlich geschieden worden. Im zentralen Personenstandsregister scheine er derzeit als geschieden (und nicht wiederverheiratet) auf.

Begründend führte die belangte Behörde weiters aus, dass die Erstbehörde auf Grund der von ihr getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere der im Wesentlichen gleich lautenden niederschriftlichen Vernehmungen der ehemaligen Ehegattin beim Bundesministerium für Inneres, zu Recht davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer die Ehe nur deshalb geschlossen habe, um sich fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und eines Befreiungsscheines auf eine Ehe berufen habe, aber mit der Ehegattin ein gemeinsames Familienleben nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe. Auf Grund dieses Sachverhaltes begegne die Ansicht, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG wäre verwirklicht, keinem Einwand.

Der Beschwerdeführer lasse die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, dass er vor dem Hintergrund der rechtskräftigen negativen Entscheidung der Asylbehörde nur durch die Berufung auf eine Ehe einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft und einen Aufenthaltstitel habe erlangen können, unbekämpft. Auch würden in der Berufung die übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin betreffend den an den Vermittler geleisteten Geldfluss, der eine Vermittlerprämie einbehalten habe und einen Großteil des Geldes an die österreichische Ehegattin weitergeleitet habe, nicht bestritten. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweise, dass er "selbstverständlich mit seiner Ehefrau zusammenwohne" und schon deswegen "keine Scheinehe" vorgelegen wäre, und als Beweis dafür seine Vernehmung und die seiner Ehegattin und einer "Vielzahl von Bekannten", die jedoch nicht näher bezeichnet würden, beantragt habe, so müsse dieses Vorbringen vor dem Hintergrund seiner beim Bundesministerium für Inneres getätigten Aussagen als bloße Schutzbehauptung gewertet werden. Der Beschwerdeführer sei nämlich während des gesamten Verfahrens zu keiner Zeit an der gemeinsamen Meldeadresse angetroffen worden und habe während des erstinstanzlichen Verfahrens nicht ausgeführt, tatsächlich ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Insbesondere sei der Vorhalt in der genannten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17. April 2000, wonach er kein gemeinsames Familienleben führte, unbestritten geblieben. Auch sei bei der beim Bundesministerium für Inneres durchgeführten niederschriftlichen Vernehmung von einem gemeinsamen Familienleben keine Rede gewesen. Vielmehr habe der Beschwerdeführer lediglich ausgeführt, dass er nach seiner Hochzeit bei einer Schwester (Wien, Prager Straße) gewohnt hätte. Zudem erscheine das Vorbringen, dass er (zumindest) im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehegattin geführt hätte, bereits deshalb nicht glaubwürdig, weil zu diesem Zeitpunkt (seit kurzem) eine getrennte Hauptwohnsitzadresse der Ehegatten bestanden habe. Der Umstand, dass die gegenständliche Ehe am 5. April 2001 einvernehmlich geschieden worden sei, entspreche darüber hinaus der von der Ex-Gattin getätigten Aussage, wonach die Ehe vorerst einen kürzeren Zeitraum (zwei Jahre) hätte dauern sollen, aber von der Ehescheidung aus Gefälligkeit für einen längeren Zeitraum Abstand genommen worden wäre.

Vor dem Hintergrund der inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der Ehegatten beim Bundesministerium für Inneres und des gesamten Akteninhaltes sei es als entbehrlich erschienen, die Ehegatten neuerlich über ihr Familienleben zu befragen. Vom Beschwerdeführer seien bisher auch keine weiteren Zeugen namhaft gemacht worden, und er lasse darüber hinaus jegliches Vorbringen vermissen, über welches konkrete Beweisthema die Zeugen zu befragen gewesen wären. Es habe daher - ohne weitere Beweise aufzunehmen - davon ausgegangen werden können, dass eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin nie geführt worden sei.

Das genannte Fehlverhalten des Beschwerdeführers liege noch keinesfalls so lange zurück, dass wegen des seither verstrichenen Zeitraumes die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht mehr begründet sein könnte. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher - vorbehaltlich der §§ 37 und 38 leg. cit. - (auch) im Grund des § 36 leg. cit. als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1992 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Nachdem er sich am 26. August 1997 nach Indien abgemeldet habe und offenbar auf Grund eines vom 24. Juni 1998 bis 23. Dezember 1998 gültigen (von der österreichischen Botschaft in Budapest ausgestellten) Visums D neuerlich in das Bundesgebiet eingereist sei, habe er sich durchgehend hier befunden. Er sei nunmehr geschieden und für niemanden sorgepflichtig. Im Bundesgebiet wohnten laut seinen Angaben mehrere "Verwandte", von denen er sich Geld für den Abschluss der Scheinehe ausgeborgt habe. Weiters dürfte im Bundesgebiet auch eine Schwester aufhältig sein, bei der er im Jahr 1999 gewohnt habe. Aktuelle oder nähere Beziehungen zu weiteren in Österreich lebenden Familienangehörigen habe er nicht behauptet. Derzeit weise er auch keinen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ex-Gattin auf. Er arbeite seit 1. Jänner 1999 in einem Restaurationsbetrieb.

Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Wer nämlich, wie der Beschwerdeführer, grob missbräuchlich nur zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) notwendig erscheinen ließen.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seine Beschäftigung Bedacht zu nehmen gewesen. Die sich daraus ergebende Integration sei jedoch in ihrem Gewicht dadurch wesentlich gemindert, dass sich sein inländischer Aufenthalt von 1992 bis 1997 auf einen Asylantrag gegründet habe, der sich in der Folge als unberechtigt herausgestellt habe. Dazu komme, dass sein Zugang zum Arbeitsmarkt (Erlangung eines Befreiungsscheines) auf das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen sei. Eine (allfällige) Beziehung des Beschwerdeführers zu der von ihm ins Treffen geführten, aber namentlich nicht genannten Schwester falle bei der Interessenabwägung nicht ins Gewicht, behaupte er doch nicht, mit ihr gegenwärtig im gemeinsamen Haushalt zu leben. Dass er zu den "in der Niederschrift" nicht näher bezeichneten Verwandten einen näheren Kontakt hätte, werde darüber hinaus von ihm nicht behauptet. Den somit nicht besonders stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erheblich beeinträchtigt habe.

Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG), und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG).

Der gegenständlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme stünden auch die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des FrG nicht entgegen.

Auf Grund des eingangs geschilderten Sachverhalts habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mangels Vorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Umstände auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

In Anbetracht des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - auch unter Berücksichtigung seiner privaten und beruflichen Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

I.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass lediglich einer Niederschrift über eine Vernehmung im Jahr 1999 "diese Behauptung" (gemeint: hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe) zu entnehmen sei und K. erklärt habe, dass der Beschwerdeführer ihr sympathisch gewesen wäre und sie sich daher nicht hätte scheiden lassen wollen. Daraus sei ersichtlich, dass der Ehewille auf Zuneigung beruht habe und nicht vorgetäuscht worden sei. Auch aus dem Umstand, dass die Ehe am 5. April 2001 einvernehmlich geschieden worden sei, könne nichts abgeleitet werden, weil zahlreiche Ehen auf diese Art endeten und die Gründe lediglich im Verlust des Ehewillens zu finden seien. Unabhängig davon habe der Beschwerdeführer während seiner gesamten Aufenthaltsdauer kein Fehlverhalten gesetzt.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat sich in ihrer Beweiswürdigung (u.a.) auf die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner geschiedenen Ehegattin K. bei deren Vernehmungen durch Beamte des Bundesministeriums für Inneres am 24. November 1999 gestützt. Diesen Angaben der K. zufolge sei weder eine Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer geplant gewesen noch von ihr mit diesem geführt worden und habe sie für die Eheschließung einen Geldbetrag erhalten.

Der im angefochtenen Bescheid dargestellten Aussage des Beschwerdeführers zufolge habe dieser dem Vorschlag des Vermittlers zugestimmt, für die Eheschließung mit einer Österreicherin ATS 130.000,-- bis ATS 140.000,-- zu bezahlen, worauf sich der Beschwerdeführer Geld geborgt und bei der Hochzeit ATS 70.000,-- bezahlt habe. Nach der Hochzeit sei er (der Beschwerdeführer) bei seiner Schwester wohnhaft gewesen.

Ferner stellte die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens an der genannten Meldeadresse nicht habe angetroffen werden können, und führte sie aus, dass das Vorbringen, dass er (zumindest) im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehegattin geführt hätte, schon deshalb nicht glaubwürdig sei, weil zu diesem Zeitpunkt eine getrennte Hauptwohnsitzadresse der Ehegatten bestanden habe. Überdies entspreche der Umstand, dass die Ehe am 5. April 2001 einvernehmlich geschieden worden sei, der von K. getätigten Aussage, wonach die Ehe vorerst einen kürzeren Zeitraum (zwei Jahre) hätte andauern sollen, aber von der Ehescheidung aus Gefälligkeit für einen längeren Zeitraum Abstand genommen worden wäre.

In Anbetracht dieser Beweisergebnisse ging die belangte Behörde von der weiteren Annahme aus, dass eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und K. nie geführt worden sei.

Die Beschwerde geht auf die genannten beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, insbesondere auf die Angaben des Beschwerdeführers und seiner geschiedenen Ehegattin vom 24. November 1999, im Einzelnen nicht weiter ein und behauptet auch nicht, dass diese Aussagen unrichtig wiedergegeben worden seien. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinem Einwand. Ferner bestreitet die Beschwerde nicht, dass der Beschwerdeführer (nach Ausweis der Verwaltungsakten: am 3. September 1997) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreichern" gestellt habe, ihm zunächst ein bis 15. Oktober 1999 gültiger Aufenthaltstitel und in weiterer Folge (auf Grund seines Verlängerungsantrages) eine bis 21. September 2000 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden seien und er sich in seinem am 11. Juli 2000 gestellten Verlängerungsantrag neuerlich auf die Ehe mit K. berufen habe.

Auf dem Boden der auf Grund unbedenklicher Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen der belangten Behörde begegnet deren Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit K. nur deshalb geschlossen habe, um sich fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Niederlassungsbewilligung) und eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen habe, aber mit K. ein gemeinsames Familienleben nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe, sodass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.

2.3. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/18/0328, mwN), kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat.

3.1. Die Beschwerde bringt (u.a.) weiters vor, dass dem Beschwerdeführer nunmehr ein Aufenthaltstitel bis zum Jahr 2003 erteilt worden sei.

3.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Aus dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten ergibt sich, dass das Bundesministerium für Inneres (u.a.) hinsichtlich des Beschwerdeführers Ermittlungen wegen des Verdachtes des Eingehens einer Scheinehe geführt hat, in deren Rahmen die obgenannten Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehegattin am 24. November 1999 durchgeführt worden sind. Ferner befindet sich in den Verwaltungsakten der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Lichtbildausweises vom 25. Juni 2001 an die Erstbehörde, worin unter Punkt 16. vermerkt ist: "Gültigkeitsdauer der zuletzt erteilten Niederlassungsbewilligung: 3.5.2003" und in Punkt 17. der Hinweis auf die Ausstellungsbehörde "MA/20" enthalten ist.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar in Bezug auf die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer nach Erteilung der bis 21. September 2000 gültigen Niederlassungsbewilligung keine Feststellungen getroffen, sie bringt jedoch in ihrer Gegenschrift vom 11. April 2002 diesbezüglich vor, dass dem Beschwerdeführer zuletzt am 24. Jänner 2001 ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, dies jedoch von ihr bereits aus zeitlichen Gründen nicht habe berücksichtigt werden können, zumal der Beschwerdeführer auch nicht dargelegt habe, dass der Landeshauptmann vom vorliegenden Aufenthaltsverbot Kenntnis gehabt habe.

Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens der belangten Behörde ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer am 24. Jänner 2001, somit zu einem Zeitpunkt, als der erstinstanzliche Aufenthaltsverbotsbescheid vom 31. Oktober 2000 bereits erlassen war und während des gegenständlichen Berufungsverfahrens, - offensichtlich vom Landeshauptmann von Wien (vgl. den obgenannten Hinweis "MA/20" im Antrag auf Ausstellung eines Lichtbildausweises) - ein Aufenthaltstitel erteilt wurde.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 leg. cit. wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. können Fremde, die sich - wie der Beschwerdeführer - auf Grund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid (nur) ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.

Im vorliegenden Fall hat der Bundesminister für Inneres wegen des Verdachts des Vorliegens einer Scheinehe gegen den Beschwerdeführer Ermittlungen durchgeführt und, wie bereits dargelegt, (u.a.) den Beschwerdeführer und dessen frühere Ehegattin am 24. November 1999 vernommen. Bei diesen Vernehmungen haben sowohl der Beschwerdeführer als auch seine frühere Ehegattin eingeräumt, die Ehe über Vermittlung gegen Entgelt geschlossen zu haben, damit dieser in Österreich bleiben könne, wobei seine frühere Ehegattin K. zugegeben hat, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nie geplant und nie geführt worden sei. Dem Bundesminister für Inneres war daher bereits am 24. November 1999 das dem vorliegenden Aufenthaltsverbot zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers in zumindest für dessen Erlassung wesentlichen Teilbereichen bekannt. Oberste Vollzugsbehörde in Angelegenheiten der Erteilung oder Versagung von Aufenthaltstiteln ist der Bundesminister für Inneres. Sein vorangeführtes Wissen von dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist daher dem Landeshauptmann, der dem Beschwerdeführer am 24. Jänner 2001 den (weiteren) Aufenthaltstitel erteilt hat, zuzurechnen.

3.3. Im Hinblick darauf erweist sich das vorliegende Aufenthaltsverbot im Grund des § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG (iVm § 34 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) als unzulässig (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2004, Zl. 2001/18/0229).

4. Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. April 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002180055.X00

Im RIS seit

04.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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