TE OGH 1970/2/4 5Ob22/70

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Veröffentlicht am 04.02.1970
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Norm

ABGB §613
ABGB §783

Kopf

SZ 43/30

Spruch

Pflichtteilsansprüche sind Nachlaßverbindlichkeiten; als solche können sie im Fall einer fideikommissarischen Substitution nur gegen den Vorerben geltend gemacht werden

OGH 4. Februar 1970, 5 Ob 22/70 (OLG Graz 3 R 118/69; KG Leoben 3 Cg 107/68)

Text

Am 15. März 1966 starb der Vater der Klägerin, Augustin T unter Hinterlassung eines Testaments v 24. Jänner 1965, mit dem er den Beklagten, seinen Stiefsohn, als Universalerben und in erster Linie den Neffen der Klägerin, Augustin T jun, sowie in zweiter Linie den Sohn der Klägerin, Günther S, als Nacherben einsetzte.

Der Nachlaß des Vaters der Klägerin bestand aus dem Bergbauernbesitz EZ X und der Liegenschaft EZ Y mit Eigenjagd und einem 364/1000stel Anteil an der Almgenossenschaft A.

Bei der am 26. Februar 1968 aufgenommenen Inventur wurde der Wert der Aktiven mit 1.654.803 S, wovon 1.618.213 S auf das unbewegliche Vermögen entfallen, und der Wert der Passiven unter Berücksichtigung einer Forderung des Beklagten von 150.000 S mit 236.791.65 S geschätzt.

Mit rechtskräftigem Beschluß des BG Gröbming v 28. März 1968 wurde der Testamentserfüllungs- und Pflichtteilsausweis als erbracht angesehen, die vom Beklagten als Vorerben abgegebene bedingte Erbserklärung angenommen und der Nachlaß dem Beklagten mit der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution zugunsten der erblasserischen Enkel Augustin T jun und Günther S eingeantwortet. Die Klägerin und ihr Bruder Anton T wurden mit ihren allfälligen Pflichtteilsergänzungsansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen.

Mit Beschluß des BG Gröbming v 2. Juli 1969, der am selben Tag vollzogen wurde, wurde die Einverleibung des Eigentumsrechts des Beklagten mit der Beschränkung des Eigentums durch die im Testament v 24. Jänner 1965 zugunsten der mj Augustin T und Günther S angeordneten fideiommissarischen Substitution ob den Liegenschaften EZ X und EZ Y bewilligt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr 265.682 S samt 4% Zinsen seit 28. März 1968 zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß unter Berücksichtigung der Passiva der Nachlaß 1.418.011.35 S betrage. Da am Todestag ihres Vaters dessen Ehefrau noch gelebt habe, betrage bei Vorhandensein von zwei Kindern der Pflichtteil 3/16, somit

265.877.13 S. Unter Bedachtnahme auf den Wert des der Klägerin zugekommenen Bargeldes und Schmucks ergebe sich der Klagebetrag.

Der Beklagte wendete u a den Mangel der passiven Sachlegitimation ein, weil ihm als Vorerben nur die Stellung eines Fruchtnießers zukomme.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin 230.982.13 S samt 4% Zinsen seit 28. März 1968 zu zahlen; das Mehrbegehren der Klägerin von 34.699.87 S samt 4% Zinsen seit 28. März 1968 wurde abgewiesen. Das Prozeßgericht ging von einem reinen Nachlaß von 1.418.011.35 S aus; der Pflichtteil im Ausmaß von 3/16 ergebe 265.877.13 S. Auf den Pflichtteil der Klägerin seien der Wert von 100 fm Nutzholz in der Höhe von 21.100 S, die sie auf Grund eines Vermächtnisses erhalten habe, das ihr zugekommene Heiratsgut, u zw eine Zimmereinrichtung im Wert von 10.000 S, eine ihr zugekommene Barschaft und ein Schmuckstück im Wert von insgesamt 545 S und ihr Anteil an den Gebühren des Gerichtskommissärs und eines Sachverständigen im Abhandlungsverfahren von 3250 S anzurechnen. Zur Geltendmachung des Anspruchs sei der Beklagte auch allein passiv legitimiert; es sei nicht erforderlich, daß die Klägerin die Nacherben mitklage.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichts, das im Ausspruch über die Abweisung eines Betrages von 34.699.87 S samt 4% Zinsen seit 28. März 1968 unangefochten blieb, im übrigen dahin , ab daß auch das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 230.982.13 S samt 4% Zinsen seit 28. März 1968 gerichtete Klagebegehren abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß zwar der Pflichtteilsanspruch nur eine Forderung gegenüber dem Nachlaß darstelle, die nach der Einantwortung vom Erben zu erfüllen sei. Dem Beklagten als Vorerben komme aber nach § 613 ABGB nur ein eingeschränktes Eigentumsrecht, nämlich ein solches mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers, zu, für den die zum Nachlaß gehörigen Gegenstände fremde Sachen seien. Da das Vollerbrecht somit zwischen dem Beklagten als Vorerben und den Nacherben geteilt sei, komme nur dem Vorerben und den Nacherben zusammen ein über den Fruchtgenuß hinausgehendes Verfügungsrecht zu; daher sei die passive Sachlegitimation des Beklagten nicht gegeben. Die von der Klägerin geforderte Leistung könne nur im gemeinsamen Zusammenwirken des Vorerben und der Nacherben erbracht werden, die einheitliche Streitgenossen seien.

Infolge Revision der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem abweisenden Teil auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionswerberin ist beizupflichten, daß der von ihr geltend gemachte Pflichtteilsanspruch ein Forderungsrecht gegenüber den Erben darstellt. Die dem Pflichtteilsrecht entsprechenden Verpflichtungen gehören, wenn sie sich gegen den Erben richten, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Weiß in Klang[2] III 828 unter VlI; Ehrenzweig[2] II/2 578) aus gesprochen hat (SZ 11/71;

NZ 1960, 59; EvBl 1968/355 u a), zu den Nachlaßverbindlichkeiten;

sie stellen eine Erbgangschuld dar. Als Nachlaßverbindlichkeiten können sie gegenüber den eingeantworteten Erben geltend gemacht werden.

Es trifft zu, daß dem Beklagten der Nachlaß auf Grund einer bedingten Erbserklärung eingeantwortet wurde und daß eine fideikommissarische Substitution vorliegt. Doch besitzt der Noterbe gegen den Erben einen Anspruch in Geld, der durch das Substitutionsband, wie der OGH in Übereinstimmung mit der Rechtslehre (Weiß in Klang[2] III 385) ausgesprochen hat (EvBl 1968/355), in keiner Weise berührt wird. Der Vorbehaltserbe haftet dem Pflichtteilsberechtigten nach der Einantwortung als Erbe nach Zulänglichkeit des übernommenen Nachlasses (Ehrenzweig[2] II/2 § 509 II). Eine Klage gegen den Nacherben findet nicht statt (Weiß in Klang[2] III 385; RGZ 113. 49).

Da im vorliegenden Fall dem Beklagten der Nachlaß bereits vor der Klageeinbringung eingeantwortet wurde und ein obligatorischer Anspruch nur gegen ihn erhoben wird, ist seine passive Sachlegitimation, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Weiß in Klang[2] III 385; Neumann - Lichtblau[4], 907) ausgesprochen hat (EvBl 1968/355), zu bejahen.

Dem stehen auch nicht die Entscheidungen SZ 40/131 und 5 Ob 104/68 entgegen, weil dort dingliche Ansprüche geltend gemacht wurden, die die Substitutionsmasse als solche und damit die Rechtssphäre sowohl des Vorerben als auch des Nacherben getroffen haben.

Soweit die Entscheidung GlU 7319, der ein Begehren auf Feststellung der ae Vaterschaft und Unterhalt, somit familienrechtliche Ansprüche, zugrunde liegen, im Widerspruch zu der Auffassung steht, daß obligatorische Ansprüche aus Nachlaßverbindlichkeiten gegen den Vorerben geltend zu machen sind, kann sie nicht aufrechterhalten werden.

Da das Berufungsgericht - ausgehend von der von ihm vertretenen Rechtsauffassung, betreffend den Mangel der passiven Sachlegitimation des Beklagten - zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und zu den weiteren Ausführungen der Berufung nicht Stellung genommen hat ist der OGH nicht in der Lage, einer abschließenden rechtlichen Beurteilung der Sache näherzutreten.

Anmerkung

Z43030

Schlagworte

Fideikommissarische Substitution, Geltendmachung von, Pflichtteilsansprüchen, Pflichtteilsanspruch, Geltendmachung bei fideikommissarischer, Substitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0050OB00022.7.0204.000

Dokumentnummer

JJT_19700204_OGH0002_0050OB00022_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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