TE OGH 1970/2/25 5Ob36/70

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Veröffentlicht am 25.02.1970
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Norm

KO §71
KO §74 Abs1 Z6
KO §107
KO §176

Kopf

SZ 43/51

Spruch

Auch ein bisher am Verfahren nicht beteiligter Konkursgläubiger, der durch den Beschluß des Erstgerichts in seinen Rechten verletzt wird, ist nach § 176 KO rekursberechtigt

Nach der Konkurseröffnung kann der Konkursantrag eines Gläubigers nicht mehr zurückgezogen werden

Erfordernis einer "Mehrheit andrängender Gläubiger"

OGH 25. Februar 1970, 5 Ob 36/70 (OLG Graz 5 R 161/69; LGZ Graz 20 S 44/69)

Text

Wegen Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin stellten die Gläubiger Anton H, Liselotte E, Fa R & Sohn, Steiermärkische Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, Fa A & Co GmbH und Andreas S den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen.

Das Erstgericht eröffnete mit Beschluß vom 21. November 1969 den Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Es ging davon aus, daß sich die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin auf Grund des Pfändungsprotokolls des BGZ Graz ergebe. Danach habe eine Mehrheit von Gläubigern gegen die Gemeinschuldnerin Exekution geführt; die Forderungen der betreibenden Gläubiger seien jedoch trotz der eingeleiteten Exekution größtenteils unberechtigt geblieben. Nach § 71 Abs 1 KO sei daher das Konkursverfahren zu eröffnen.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf. Mangels eines Neuerungsverbots im Rekursverfahren nach § 176 KO sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Rekursentscheidung zu berücksichtigen. Von den andrängenden Gläubigern habe die Steiermärkische Gebietskrankenkasse ihren Antrag auf Konkurseröffnung bereits am 2. Juli 1969, somit vor dem Beschluß über die Kokurseröffnung, zurückgezogen. Am 4., 5. und 17. Dezember 1969 hätten die übrigen Gläubiger ihre Konkursanträge zurückgezogen, so daß kein die Konkurseröffnung rechtfertigender Antrag mehr vorliege. Mangels der erforderlichen Antragstellung sei der erstgerichtliche Beschluß über die Konkurseröffnung zu beheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gläubigers Josef Z, der in diesem Rechtsmittel Forderungen von 20.912.73 S und 458.52 S in der dritten Klasse der Konkursgläubiger angemeldet und die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt hatte, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist zu bejahen, weil der scheinbar aufhebende Beschluß des Rekursgerichts eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses enthält (MGA ZPO[12] § 527 ZPO/13; ferner 5 Ob 214/69).

Der Rekurswerber ist auch zur Einbringung des Rechtsmittels legitimiert. Nach § 176 Abs 1 KO können in Rekursen neue Umstände und Beweismittel geltend gemacht werden. Daher können ungeachtet des Ablaufes der Anmeldungsfrist neue Forderungen im Rekurs angemeldet werden, denn die für die Anmeldung der Forderungen der Gläubiger des Gemeinschuldners bestimmte Frist hat nicht die Präklusion der Forderungen zur Folge. Verspätete Anmeldungen sind zulässig (Rintelen, HdB des österr Konkurs- und Ausgleichsrechts 365 f; Lehmann, Komm z österr KO, AO und AnfO 598; Bartsch - Pollak, KO[3] I 480 Anm 4, 483 Anm 17). Schon als Konkursgläubiger, der eine Forderung in der dritten Klasse angemeldet hat, ist der Rekurswerber zur Einbringung des Rechtsmittels legitimiert.

Der Rekurswerber wäre aber auch ohne Anmeldung seiner Forderung zur Einbringung des Revisionsrekurses legitimiert. Die KO hat den Kreis der Rekursberechtigten (mit Ausnahme des § 155 KO, der sich aber auf die Rekursberechtigung im Fall eines Zwangsausgleichs bezieht), nicht ausdrücklich begrenzt. Daher ist nach § 176 KO, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Rintelen, HdB 44; Bartsch - Pollak, KO[3] II 25 Anm 45) ausgesprochen hat (EvBl 1968/165), grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der sich in seinem Recht gekränkt zu sein erachtet, gleichgültig, ob er am Konkursverfahren bereits teilgenommen hat oder nicht. Durch das Unterbleiben der Konkurseröffnung werden nämlich die Rechte der Konkursgläubiger berührt (Bartsch - Pollak, KO[3] I 359; 1 Ob 230/54). Im vorliegenden Fall ergibt sich auf Grund des vom Rekurswerber vorgelegten rechtskräftigen VU des LGZ Graz 7. Jänner 1969, 9 Cg 1089/68, und der auf Grund dieses Urteils vom BGZ Graz am 26. Februar 1969 bewilligten Fahrnisexekution, daß der Rechtsmittelwerber in seinem Recht auf Befriedigung seiner mit einem VU festgestellten Forderung verletzt sein kann.

Was die Frage anlangt, ob nach der Entscheidung des Erstgerichts über die Konkurseröffnung ein Konkursantrag zurückgezogen werden kann, so läßt zwar § 176 KO die Berücksichtigung neuer Umstände und Beweismittel zu. Keine neue Tatsache i S der angeführten Gesetzesstelle bilden aber neue Sachanträge oder die Änderung der vor dem Erstgericht gestellten Anträge. Sie würden ähnlich einer Klageänderung einen anderen Anspruch geltend machen und eine nichtbeabsichtigte Verschiebung des Instanzenzuges zur Folge haben (Lehmann, Komm I 808; 1 Ob 230/54). Als Verfahrenshandlung, die gleich einer Klagerückziehung das Verfahren anders gestalten, nämlich beenden soll, ist auch die Rückziehung des Antrages auf Konkurseröffnung anzusehen. Da sie nicht eine neue Tatsache darstellt, kann die Antragsrückziehung nach dem Konkurseröffnungsbeschluß nicht mehr als statthaft und beachtlich angesehen werden (Rintelen, HdB 225; Kreis - Oberländer, Das österr Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsrecht 10; Bartsch - Pollak, KO[3] I 347 Anm 13, 353 Anm 9 und FN 24, 356 FN 44; Sprung, Zum Mißbrauch des Konkurseröffnungsantrages, JBl 1969, 245; Baumgartner, RdA 1968, 93 f).

Allein als neue Tatsache zu berücksichtigen ist, ob die Forderungen der Konkursgläubiger befriedigt wurden und ob eine Mehrheit andrängender Gläubiger vorhanden ist.

Wohl ist bei der Gemeinschuldnerin eine Zahlungsunfähigkeit § 68 KO) gegeben. Es besteht nicht nur ein vorübergehender, sondern ein dauernder Mangel an Zahlungsmitteln, der sie hindert, fällige Verbindlichkeiten zu bezahlen (EvBl 1959/101; EvBl 1969/225; 5 Ob 156/59; 5 Ob 214/69 u a). Im vorliegenden Fall sind wider die Gemeinschuldnerin Exekutionen anhängig, die nicht zur Befriedigung aller Gläubiger, darunter des Rekurswerbers, geführt haben.

Bei einem Antrag eines Gläubigers auf Einleitung des Konkursverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (§§ 68, 71 und 73 KO) muß aber das Erfordernis einer Mehrheit andrängender Gläubiger erfüllt sein. Wenigstens zwei Gläubiger müssen die Hereinbringung ihrer fälligen Forderungen betreiben (EvBl 1958/85; EvBl 1969/166; 5 Ob 214/69 u a). Ein Gläubiger, der sich passiv verhält und zur Einbringung seiner Forderung nichts unternimmt, ist, sofern er die Einbringung nicht etwa nur deshalb unterläßt, weil der Schuldner kein pfändbares Vermögen besitzt, nicht als andrängender Gläubiger anzusehen. Nicht als andrängende Gläubiger können daher jene Konkursgläubiger angesehen werden, die der Gemeinschuldnerin eine Stundung erteilt oder mit ihr ein Ratenübereinkommen geschlossen haben und damit zuwarten, obwohl diese Gläubiger zu warten nicht verpflichtet sind (Steinbach - Ehrenzweig, Komm z AnfO 225; EvBl 1958/85; JBl 1969, 508 u a).

Im vorliegenden Fall ergibt sich auf Grund der vorgelegten Urkunden, daß die Gläubiger Lieselotte E und A & Co GmbH nach dem Konkurseröffnungsbeschluß befriedigt wurden. Die Forderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse hingegen wurde bereits vor dem erstgerichtlichen Beschluß über die Konkurseröffnung beglichen. Die Fa R & Sohn gewährte der Gemeinschuldnerin eine Stundung. Mit dem Gläubiger Andreas S wurde ein Ratenübereinkommen geschlossen. Die Forderung des Anton H wurde zum Teil beglichen, und von dem ursprünglichen Betrag von 12.850 S ist nur noch ein Teilbetrag von 7595 S offen; bezüglich dieses Betrages wurde gleichfalls ein Übereinkommen getroffen. Es verbleibt somit als andrängender Gläubiger nur noch der Rekurswerber. Wenngleich seine Forderung von 20.912.73 S zuzüglich Kosten von 458.52 S zur Grundlage das von ihm erwirkte VU des LGZ Graz vom 3. Jänner 1969 und die wider die Gemeinschuldnerin erwirkte Exekutionsbewilligung des BGZ Graz vom 26. Februar 1969 hat und die erwirkten Titel, die aus der Zeit vor der Bewilligung der Konkurseröffnung (21. November 1969) herrühren, als Neuerungen berücksichtigt werden können, so betreibt doch nur noch der Rekurswerber allein die Hereinbringung seiner fälligen Forderung. Damit ist aber das Erfordernis einer Mehrheit andrängender Gläubiger (EvBl 1958/85; EvBl 1969/329; 5 Ob 214/69; 5 Ob 126/69; u a) nicht erfüllt.

Anmerkung

Z43051

Schlagworte

Konkurs, Mehrheit andrängender Gläubiger, Konkursantrag, keine Rückziehung nach Konkurseröffnung, Konkurseröffnung, keine Rückziehung des Konkursantrages nach -, Konkursgläubiger, bisher am Verfahren noch nicht beteiligter„ Rekursrecht, Mehrheit andrängender Gläubiger, Konkurs, Rekursrecht, bisher am Verfahren noch nicht beteiligter Konkursgläubiger, Zurückziehung, keine - des Konkursantrages nach Konkurseröffnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0050OB00036.7.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19700225_OGH0002_0050OB00036_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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